IBM-Manager Michael Achtelik

"Kampf um den Flash-Markt geht in die heiße Phase"

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
In zwei bis drei Jahren werde es in den Rechenzentren kaum noch Festplatten geben, sondern Flash, schätzt Michael Achtelik, Leiter Geschäftsbereich Speicherlösungen bei IBM Deutschland. Avnet-Manager Kristian Behrens sieht darin eine große Chance für Vertriebspartner.

Fast wöchentlich kündigen Storage-Hersteller neue All-Flash-Systeme an. Und auch zahlreiche Startups versuchen sich hier zu positionieren. Weshalb ist Flash-Storage momentan ein derart heißes Thema?

Michael Achtelik: Die Flash-Technologie bedeutet für den gesamten Storage-Markt eine Revolution: Sowohl für die Hersteller, als auch für die Kunden. Aus technologischer Sicht kamen wesentliche Innovationen in der Vergangenheit überwiegend aus dem Server-Bereich. Als Flaschenhals entpuppte sich aber immer mehr der Storage. Denn der Compute-Prozessor kann noch so schnell sein - so lange sich die Festplatte langsam dreht, nutzt das alles nicht.
Flash ermöglicht jetzt die hohe Geschwindigkeit auf beiden Seiten.
Deshalb sind wir überzeugt, dass es in zwei bis drei Jahren in den Rechenzentren kaum noch Festplatten geben wird. Vielleicht werden hier und da noch ein paar Festplatten mit enormen Kapazitäten eingesetzt, aber alle anderen Umgebungen werden mit Flash-Technologie arbeiten. Denn sie ist jetzt bezahlbar und erfüllt gleichzeitig höchste unternehmenskritische Anforderungen, was Verfügbarkeit, Robustheit und Lebensdauer anbelangt.
Flash ist aber nicht nur eine Speichertechnologie, sondern auch eine Antwort auf wirtschaftliche Herausforderungen der Unternehmen.

Welche konkreten wirtschaftlichen Herausforderungen lassen sich mit Flash-Technologie lösen?

Achtelik: Durch den Einsatz von Flash lassen sich zum einen die Gesamtbetriebskosten für das Rechenzentrum senken. Doch neben diesem ökonomischen Aspekt kann Flash geschäftskritische Applikationen so radikal beschleunigen, dass dieses Tempo auch die Prozesse - und damit das Geschäft des Kunden ganz direkt beeinflusst. Das bedeutet letztlich: Hersteller und Partner müssen viel stärker mit den Fachbereichen des Kunden zusammenarbeiten.

Michael Achtelik, Leiter Geschäftsbereich Speicherlösungen DACH, Systems & Technology Group, bei IBM Deutschland: "Der Kampf um den Flash-Markt ist hierzulande in vollem Gange."
Michael Achtelik, Leiter Geschäftsbereich Speicherlösungen DACH, Systems & Technology Group, bei IBM Deutschland: "Der Kampf um den Flash-Markt ist hierzulande in vollem Gange."
Foto: IBM

Weshalb sollten Partner gerade die Fachabteilungen beim Kunden für Flash begeistern?

Kristian Behrens: Die Fachabteilungen, die zunehmend über IT-Investitionen entscheiden, spüren einen unmittelbaren Nutzen, beispielsweise durch die Performancesteigerungen bei Datenbankanwendungen. Gleiches gilt für Anwender von unternehmenskritischen Applikationen. Eine Finanzabteilung kann zum Beispiel ihre Reports drei Mal so schnell erzeugen. Denn es dreht sich nicht mehr um Rechenleistung, sondern um die schnelle Verfügbarkeit der Daten - in der richtigen Hierarchiestruktur.

Achtelik: Ein weiterer ökonomischer Aspekt, den die Flash-Technologie adressiert, ist das Problem der Wärmeabgabe und Energiemanagement in den Rechenzentren. Ein Flash-System entwickelt kaum Wärme - schon deshalb wird in zwei bis drei Jahren Flash in den Rechenzentren Standard sein, einfach um die Energiebilanz in den Rechenzentren zu verbessern.

Bei stark transaktionalen Geschäften - beispielsweise bei Investment-Bankern oder für Service Provider - mag High-Speed essentiell sein. Aber für einen mittelständischen Maschinenbauer?

Behrens: Überall, wo IT für die Unterstützung der Geschäftsprozesse wesentlich ist und Daten extrem schnell verfügbar und beherrschbar sein müssen, lohnt sich der Einsatz von Flash - ganz unabhängig von der Größe des Unternehmens. Mit Flash steht dem Mittelstand eine bezahlbare Technologie mit enorm hohem Nutzwert und Investitionsschutz für sein Geschäft zur Verfügung. Das verkürzt die Entscheidungsprozesse außerordentlich.

Kristian Behrens, Director IBM und Avnet Academy bei Avnet Technology Solutions Deutschland
Kristian Behrens, Director IBM und Avnet Academy bei Avnet Technology Solutions Deutschland
Foto: Avnet

Alle großen Hersteller haben in den vergangenen Monaten Flash-basierte Storage-Modelle auf den Markt gebracht. Wie positioniert sich IBM gegen die Wettbewerber?

Achtelik: IBM entwickelt sämtliche Storage-Systeme inzwischen selbst. Dadurch sind wir in der Lage, die für uns sehr wichtige Flash-Technologie in unser gesamtes Storage Portfolio zu integrieren. Beispielsweise sind wir im Hinblick auf Datamanagement, Data Analytics und Cloud davon überzeugt, dass künftig jede Storage-Umgebung virtualisiert sein wird. Deshalb setzen wir sehr stark auf Virtualisierung und haben die Flash-Technologie in unsere Virtualisierungsumgebung integriert.

Gerade in dieser Integration sehen wir für Kunden und Partner einen wesentlichen Vorteil und Wettbewerbsfaktor: Der Partner erhält alles aus einer Hand, die Ausbildungsangebote orientieren sich alle an diesem integrierten Stack. Obendrein lässt sich das gesamte IBM-Storage-Portfolio - vom Entry- bis hin zum High-End-System inklusive der Virtualisierungsumgebung über eine zentrale, grafische Managementoberfläche bedienen. Das ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, wem dieser Flash-Markt gehören wird. Der Kampf um diesen Markt ist hierzulande in vollem Gange.

Pure Storage, Fusion-IO und Nimble Storage sind durchaus gut positioniert. Bringen sie die Großen in die Bredouille?

Achtelik: Die zum Teil sehr spannenden Nischenanbieter dürfen wir nicht unterschätzen. Der Vorteil der großen Anbieter liegt in ihrem integrativen Ansatz und deren Lösungsfähigkeit. Wir können dem Kunden beispielsweise ein einheitliches Service-Konzept zur Verfügung stellen.

Behrens: Und im Unterschied zu den Wettbewerbern stellt IBM obendrein das AWR-Tool (Automatic Workload Repository) zur Verfügung: Es analysiert die Datenbankumgebung des Kunden und ermittelt sofort, welchen konkreten Nutzen der Flash-Einsatz in der individuellen Umgebung des Kunden erbringen kann.

Das ist aber erst einmal ein theoretischer Wert, eine Simulation, bei der jeder Hersteller verspricht Bestwerte herauszuholen…

Behrens: Richtig, und deshalb kann der Kunde im nächsten Schritt den Proof of Concept machen.

Also doch ein Aufwand…

Behrens: Er muss nur exakt einen Tag investieren. Deshalb ist das Proof of Concept Center so wichtig. Wir haben dafür einen sechsstelligen Euro-Betrag investiert - die größte Investition, die wir in den vergangenen Jahren in eine Demo-Umgebung und in das technische Personal getätigt haben. Denn damit kann der Partner seinem Kunden und dessen Fachabteilungen demonstrieren, dass die Flash-Lösung tatsächlich problemlos und mit deutlich schnellem, sichtbarem Erfolg funktioniert - ohne großen Migrationsaufwand oder Risiko. Denn der Partner erhält von uns ja nicht nur den Flash-Speicher, sondern wir nehmen ihm auch die Scheu vor der Technologie, indem wir ihn beim Proof of Concept und den ersten Projekten mit einem Techniker von Avnet beim Kunden unterstützen. Und mit Sicherheit kann der Partner den zweiten Proof in Concept schon in Eigenregie umsetzen, weil es so einfach ist - Ausbildung vorausgesetzt. Denn natürlich bewegen wir uns in komplexen und hoch unternehmenskritischen Bereichen.

IBM: Storage nur aus eigenem Hause

In der Vergangenheit hatte IBM gerade im Entry- und Midrange-Bereich Technologien zugekauft, beispielsweise von LSI oder NetApp. Vor rund drei Jahren hat sich IBM davon verabschieden OEM-Produkte ins Portfolio zu nehmen und setzt seither auf Eigenentwicklung. Mit Ausnahme des SAN-Bereichs, in dem IBM noch eng mit Brocade und Cisco kooperiert, entwickelt IBM das komplette Storage-Portfolio im eigenen Hause. Über die strategische Partnerschaft mit Lenovo sollen diese Eigenentwicklungen eine breitere Kundenklientel erreichen
Um den Einstieg in den Flash-Markt zu finden, hatte IBM im Herbst 2012 mit Texas Memory System einen Hersteller übernommen, der seit 30 Jahren Flash-Technologie entwickelt. Zunächst verkaufte IBM die Produkte unter dem ursprünglichen Brand weiter, später mit dem Zusatz "Blue Washed" mit eigener Seriennummer. Diese Technologie entwickelt IBM inzwischen unter eigenem Dach jetzt weiter. Der Storage-Anteil der IBM am Gesamtumsatz ist kaum zu unterschätzen.
Auch IBM-Distributor Avnet setzte direkt nach dieser Übernahme sein erstes Demo-System auf Texas-Memory-Systemen auf.
IBM schreibt sich auf die Fahnen, der einzige Hersteller am Markt zu sein, der auch noch in die Grundlagen-Forschung investiert und beispielsweise in den Labors heute schon der Frage nachgeht, welche Technologie künftig die aktuellen Flash-Speicher ablösen wird.

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