Kampf um den Mainstream-Markt

15.02.2001

Noch nie waren die Preise für Speicherbausteine so niedrig. 128 MB kosten zum Beispiel nicht einmal mehr 100 Mark. Seit dem letzten Herbst ist der Preis für 256 MB PC-133-Speicher um rund 70 Prozent gefallen. Und die Preisspirale dreht sich unaufhaltsam weiter. Ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Dabei sah vor einem Jahr alles noch so gut aus. An Speicherbausteinen haben alle sehr gut verdient, die Margen waren in Ordnung. Warum sollen wir uns nicht auch ein Stück vom Kuchen abschneiden?, dachten sich einige kleine Hersteller von Speicherriegeln. Im Mainstream-Markt sahen sie nur die hohen Umsatzzahlen. Wir wollen wachsen, koste es, was es wolle, dachten sie. Doch dass der Mainstream-Markt nur geringe Margen abwirft, wollte seltsamerweise keiner wahrhaben. Die Manager träumten von gewaltigen Umsatzzahlen. Dann kam das schwache Weihnachtsgeschäft, und die Preise für Speicherchips begannen zu rutschen.

Jetzt ist der Katzenjammer groß. Als erstes erwischte es den dänischen Hersteller Memory Card. Das Unternehmen schiebt nun seinem Vorstand John Trolle die Schuld zu und trennt sich von ihm. Schwere Management-Fehler werden ihm vorgeworfen. Doch trifft ihn wirklich die alleinige Schuld?

Auch der deutsche Speicherhersteller Workx AG gerät ins Schlingern. Insider munkeln, dass seine Lagerhallen voll mit PC-100-Chips seien, die sich nun kaum mehr verkaufen lassen. Stellenabbau und Schließung der Niederlassung in UK sind die Folge. Auch dieser Hersteller hat sich von der Goldgräberstimmung anstecken lassen. Im letzten Herbst war die Stimmung dort noch blendend. Sogar von einem baldigen Börsengang war die Rede. Davon spricht heute niemand mehr. Statt dessen sucht Workx nach Investoren, die das angeschlagene Unternehmen retten könnten. 14 Tage soll das Schweigen der Vorstände noch dauern. Dann wird sich zeigen, ob die Firma Workx wieder mitmischen darf.

Die Goldgräberzeiten sind vorbei. Als relativ kleiner Hersteller von Speicherbausteinen kann man heute nur noch in Nischenmärkten überleben und auch Gewinne verzeichnen. Der Mainstream-Markt ist dermaßen unsicher und sehr starken Schwankungen unterlegen, dass hier nur die Großen eine Marktchance besitzen.

Übrigens: Diese Situation ruft auch schwarze Schafe auf den Plan. Die besorgen sich preiswerte B-Ware-Chips und labeln sie um. Ob ein Speicherchip jetzt zwei Dollar anstelle von 2,50 Dollar kostet, rechnet sich schon. Dass bei diesen Billigangeboten dann die Ausschussrate bis zu 35 Prozent beträgt, wird mit einkalkuliert. Umtauschen ist nicht, deshalb werden gleich mehr Chips eingekauft. Nach mehr oder weniger aufwendigen Tests werden diese Speichermodule dem Handel angeboten. Und angesichts der geringen Margen bei Speichern ist die Versuchung natürlich groß, diese Bausteine ins Portfolio aufzunehmen. Doch auch wenn die Speicher auf den ersten Blick funktionieren, so arbeiten sie doch hart am Rande ihrer Spezifikation. Das bedeutet, der Rechner arbeitet instabil. Da der Anwender Abstürze grundsätzlich erst einmal der Software zuschreibt, fällt das zunächst auch nicht auf. Doch wenn sich die Abstürze häufen, steht der Kunde wieder beim Händler. Es ist also besser, auf ein paar Mark Marge zu verzichten und auf Markenware zu setzen, als seinen Geldgeber, den Kunden, zu verärgern. Denn nur ein zufriedener Kunde kommt auch wieder.

Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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