Kaum Marktchance für Media-Center-PCs

25.11.2004
Gartner hat in einer provokanten Brandrede den Herstellern von Media-Center-PCs einen Satzheiße Ohren verpasst. Die Geräte seien zu teuer, zu unhandlich und ohne erkennbaren Mehrwert. ComputerPartner konfrontierte bekannte Hersteller mit diesen Vorwürfen. Von ComputerPartner-Redakteurin Ulrike Goressen

Eigentlich steckt hinter Media-Center-PCs (MC-PCs) eine sehr gute Idee. Mit viel Werbeaufwand bieten zahlreiche Hersteller immer mehr kleinformatige, wohnzimmertaugliche PCs als Multimedia-Zentralen an. Dennoch will der Funke nicht auf den anvisierten Kunden überspringen. Warum? Gartner hat sich dieses Problems angenommen und den Markt, die Produktangebote, den Vertrieb sowie die Kundenwünsche analysiert. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist ernüchternd.

Die drei goldenen Erfolgsregeln für ein neues CE-Produkt heißen: attraktiver Preis, leichte Handhabung und einen erkennbaren Nutzen für Millionen Konsumenten. Aber laut Gartner hält sich der Media-Center-PC an keine dieser Regeln.

So lag im ersten Quartal 2004 in Europa der Durchschnittspreis für einen MC-PC bei 1.600 Euro. Für die Analysten ist das ein klares Zeichen, dass die Anbieter ihre Entwicklungskosten möglichst schnell wieder hereinholen wollten und hofften, genügend viele technikbegeisterte Early-Adaptors würden den hohen Preis zahlen und somit möglichst lange hohe Margen garantieren. Doch das ist eine fatale Fehleinschätzung: Home-PCs werden nun mal hauptsächlich über den Preis verkauft. Ein weiteres, schwer wiegendes Problem ist nach Gartner-Meinung die rasante technische Entwicklung im CE-Umfeld, sodass Media-Center-PCs automatisch immer einen Schritt hinterherhinken. Mehr noch: Warum, so fragen sich viele potenziellen Kunde, sollen wir bekannte und bewährte Technik wie Fernseher, Rekorder und Hi-Fi-Anlage durch einen PC ersetzen, der viel länger zum Starten benötigt und auch mittendrin unerwartet ausfallen kann und erst neu gebootet werden muss?

Den Consumer-Electronics-Markt bearbeiten derzeit sowohl klassische CE-Unternehmen als auch IT-Hersteller, die mit ihren PCs endlich auch das Wohnzimmer erobern wollen. Beide haben den Anspruch, dass ihr Produkt der Mittelpunkt des digitalen Heimes ist. Da beide Unternehmensgruppen teils unterschiedliche Absatzkanäle nutzen, steht der Kunde vor einem weiteren Problem: Wo kann ich was kaufen und wer berät mich richtig? Laut Gartner sollten die Hersteller die Retailer, die sowohl UE- als auch IT-erfahren sind, als Marktöffner nutzen. Dazu sollten aber dringend die Verkaufsteams entsprechend geschult werden. Denn ohne diese notwendige Unterstützung könnte der Media-Center-PC niemals wie erwünscht zum Massenmarktprodukt werden.

Das sind harte Worte. ComputerPartner konfrontierte deshalb verschiedene Hersteller mit dieser Gartner-Analyse. Zustimmung gab es nur in Teilbereichen.

So berichtet Sascha Hancke, Leiter des Geschäftsbereichs Consumer Deutschland bei FSC, dass sich der deutsche PC-Markt im Consumer-Umfeld sehr wohl in Richtung Media-Center bewege. "Wir liefern dieses Jahr im Weihnachtsgeschäft mehr als die Hälfte aller Scaleo-PCs mit Fernbedienung und Fernsehkarte aus", so Hancke. "Und DVB-T wird hier für einen zusätzlichen Push sorgen." Auch Oliver Ahrens, Deutschland-Chef von Acer, hat seit Monaten ein stark zunehmendes Käuferinteresse beobachtet, "vor allem bei führenden Retailern, die Midrange- und Highend-Consumer-PCs in großen Mengen absetzen und seit längerem die Media-Center-Funktionalität als 'Must Have' definieren".

Sinnvolle Zusatzfunktionen sind auch für Christian Nolte, Director Consumer Business bei Toshiba, das entscheidende Erfolgskriterium für einen MC-PC. Deshalb spielt für Toshiba die Mobilität eine wichtige Rolle. Er glaubt jedoch nicht, dass ein Media-Center-PC den herkömmlichen Fernseher sofort ersetzen wird - "Das ist auch nicht unser Ziel", so Nolte. "Es geht darum, den Anwendern eine Kommunikations- und Multimedia-Zentrale an die Hand zu geben, die leicht bedienbar ist und unterschiedliche Aspekte des Home-Entertainments in sich vereint."

Preis ist nicht alles

Die Preisdiskussion wird unterschiedlich bewertet. Ähnlich wie beispielsweise Packard Bell hat etwa FSC längst die Media-Center-Preise unter den wichtigen Preispunkt von 1.000 Euro gedrückt. Toshiba hingegen hält den angegebenen Durchschnittspreis für nicht aussagekräftig, da die Ausstattungen zu unterschiedlich seien. "Der Erfolg liegt unserer Ansicht nach nicht an niedrigen Preispunkten", so Nolte weiter. "Es kommt dem Kunden doch viel mehr auf das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Ausstattung und den gebotenen Mehrwert an. Ein günstiger Preis wird nicht zum Kauf führen, wenn das Produkt nicht überzeugt." Gartners Forderung, das Verkaufspersonal besser zu schulen, empfindet auch Hancke als "zentrale Herausforderung, um dem Kunden den Mehrwert der neuen Technologien zu vermitteln". Hier hätte FSC aber schon in diesem Jahr ein komplettes Schulungsprogramm für den Handel ausgerollt und "insofern die Bedenken von Gartner zum Teil schon vorausschauend in konkrete Aktionen und Produkte umgesetzt".

Meinung der Redakteurin

Auch wenn die Hersteller die Marktchancen des Media-Center-PCs deutlich positiver sehen als Gartner, eines ist allen Beteiligten klar: Ein MC braucht qualifizierte Händler, die den Kunden beraten und eventuell bei der Installation helfen. Nutzen Sie diese Chance, sich von Kistenschiebern abzuheben!

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