Kein Peanuts-Deal: Tech Data will Azlan kaufen

13.02.2003
Die Zeiten für spektakuläre Akquisitionen sind eigentlich vorbei. Einen gelungenen Coup landete dennoch vergangenen Freitag Tech Data. Der US-Broadliner will sich mit der Übernahme der Azlan-Gruppe europaweite Vertriebsstrukturen für das Netzwerkgeschäft kaufen. Branchenkenner sind skeptisch, ob die Rechnung aufgeht.

Eigentlich ist Steve Raymund in der Distributionsszene als kühler Rechner bekannt. So richtig Freude kommt bei dem Tech-Data-CEO immer dann auf, wenn er Analysten und Anlegern ansehnliche Profitsteigerungen nach einem abgeschlossenen Quartal präsentieren kann - wie 2002.

Doch jetzt geht Raymund einen anderen Weg und legt richtig Geld auf den Tisch: 235 Millionen Dollar in Cash ist dem Tech-Data-Chef die englische Azlan-Gruppe wert. Den Kaufpreis bezeichnen Distributions-Insider einstimmig als "brutal teuer".

Im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (Ende 31. März) setzte der Netzwerk-Distributor in Europa 450 Millionen Dollar um und wies einen operativen Gewinn von 9,3 Millionen Dollar aus. "Man muss sich mal überlegen, wie lange Raymonds Mannschaft arbeiten muss, damit sich diese Akquisition bezahlt macht", gibt dann auch ein Marktkenner zu bedenken.

Nichtsdestotrotz verspricht sich der Tech-Data-CEO von der Übernahme "eine strategische Ergänzung für das Europageschäft", wie er offiziell erklärte. Bis zum 31. März soll der Kauf unter Dach und Fach sein. "Die geplante Akquisi-tion zeigt, dass die Broadliner die Value-Added-Distribution aufwerten", kommentierte Stephan Link, Vorstandsvorsitzender der Computerlinks AG, gegenüber ComputerPartner. "Mit diesem Deal sind wir mit einem Schlag an die Spitze der paneuropäischen VADs aufgerückt. Da steckt jetzt ein Riesenpotenzial dahinter", war von einem Tech-Data-Mitarbeiter zu hören, der nicht namentlich genannt werden wollte.

Ohne Frage, Azlan bringt Potenzial mit in die Ehe: Der Netzwerk-Distributor ist in 15 europäischen Ländern vertreten (Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Tschechien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden und im Heimatmarkt Großbritannien) und hat Distributionsverträge mit der Créme de la Créme der Netzwerkbranche wie Cisco, Alcatel, CA, Citrix, Nortel und seit vergangenem Jahr auch 3Com. Nach eigenen Angaben beschäftigt die Azlan-Gruppe in Europa über 1.300 Mitarbeiter.

Ähnlich wie beim HP-Compaq-Merge sickerte im Vorfeld nicht das kleinste Gerücht durch; die Mitarbeiter in Deutschland erfuhren erst durch die Pressemitteilung von der geplanten Übernahme. Tech Data hat sich mit dem spektakulären Coup einen Haufen Arbeit an den Hals gehängt: Die Azlan-Integration dürfte für den Broadliner kein Spaziergang werden. "Eine Integration bringt immer Probleme mit sich: Doppelbesetzungen bei Lieferanten und Mitarbeitern müssen abgebaut werden, Infrastrukturen zusammen geführt und Kunden eindeutig zugeordnet werden", zählt ein Unternehmenskenner auf. Raymund dürfte bereits eine Ahnung davon haben, was auf ihn zukommt: Schließlich war auch die Integration von Computer 2000 eine harte Nuss und hat viel Zeit, Geld und Mitarbeiter gekostet.

Mitbewerber setzen nach der Azlan-Übernahme, wenn Aktionäre und die zuständigen Behörden ihr Okay geben, von "eine Bulldozer-Integration" aus. "Die Broadline-Brille wird über kurz oder lang das Regiment bei Azlan übernehmen. Und das wird Tech Data viele wertvolle Mitarbeiter und Kunden kos-ten", orakelt ein VAD-Kontrahent. Ein anderes Problem, das so mancher anspricht: Welcher Tech-Data-Manager wird auf europäischer Ebene die Verantwortung für eine möglichst reibungslose Zusammenführung der beiden Unternehmen übernehmen? Eine Antwort darauf wird Raymund wahrscheinlich erst im März/April geben können.

Neben der Azlan-Integration stehen bei Tech Data aber noch ein paar anspruchsvolle Punkte auf dem Jahresprogramm: die Einführung von SAP/R3 - Macrotron und Actebis können davon ein Lied singen -, die europaweite SMB-Offensive Tech Select soll baldmöglichst Früchte tragen, und der Deutschland GmbH als auch TD Midrange steht im Oktober der geplante Umzug bevor. Den Azlan-Leuten hat das Management, wie bei Akquisitionen üblich, erst mal einen Maulkorb verpasst. Die Mitarbeiter sind verunsichert, wissen noch nicht, welche Konsequenzen diese Akquisition für sie konkret hat. "Vielleicht haben wir unseren Job ja einfach zu gut gemacht", meinte ein deutscher Vertriebsmitarbeiter.

www.techdata.com

www.azlan.com

ComputerPartner-Meinung:

Die angekündigte Übernahme ist ein nachvollziehbarer, wenn auch sehr teurer Schachzug von Raymund. Mit der Akquisition hat sich Tech Data auf einen Schlag paneuropäische Vertriebsstrukturen für das Netzwerkgeschäft gekauft. Eine sanfte Integration - Azlan bleibt weiterhin nach außen ein selbstständiger Player im Markt - erscheint aber äußerst unwahrscheinlich. Allen Beteuerungen zum Trotz. Dafür gibt es zu viele Überschneidungen: bei Abteilungen (siehe Lieferanten wie Cisco), Mitarbeitern und auch Kunden. Und Überschneidungen wird sich Tech Data in diesen Zeiten nicht lange leisten. (ch/wl)

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