Kein Spektakel: Generationswechsel bei Ingram Macrotron

12.06.2001

Die Überraschung war perfekt: Michael Kaack tritt als Chef bei der deutschen Ingram Macrotron ab. Sein Nachfolger steht bereits fest: Vertriebschef Gerhard Schulz macht einen Karrieresprung und übernimmt als Sprecher der Geschäftsführung den Chefsessel in Dornach. Kaack widmet sich in Zukunft europäischen Aufgaben (siehe dazu auch Artikel auf Seite 10). Den Generationswechsel beim größten deutschen Broadliner kann man schon fast als unspektakulär bezeichnen.

Kaack hat nach 20 Jahren als Lenker der Ingram-Macrotron-Gesellschaften einen sauberen Abgang hingelegt: Er bestimmte den Zeitpunkt seines Rücktritts und sogar seinen Thronfolger selbst. Bei amerikanischen Mutterunternehmen hat das Seltenheitswert.

Während bei Wettbewerber Computer 2000 alle Jahre wieder die Suche nach einem neuem Deutschlandchef startet, setzen die Dornacher bei ihrer Unternehmensspitze auf Kontinuität: Denn Schulz ist für Kunden und Lieferanten kein "Überraschungsei", sondern hat sich bereits seit knapp zwei Jahren als Vertriebschef gut eingeführt. Er übernimmt das Ruder zwar in stürmischer Zeit, aber Krisen- oder Kostenmanagement dürften ihn nicht schrecken. Das hat er bereits nach seinem Amtsantritt (im Februar 2000) bewiesen.

Der Vertriebschef führte in seinem ersten Jahr bei Ingram Macrotron eine umfassende Vertriebsreorganisation durch, hat unrentable Niederlassungen geschlossen und die Personalstruktur, immer noch der größte Kostenblock bei den Broadlinern, gestrafft. Als die US-Mutter Ingram Micro dann im Juni 2001 kurzerhand 1.000 Mitarbeiter auf die Straße setzen musste, blieben die Dornacher verschont. Man hatte vorgebaut.

Auch im Rennen um Marktanteile war Schulz schneller: Mit der Einführung der neuen Key-Account-Abteilung (Zielgruppe: die Top 20 der deutschen Systemhäuser) hatte Schulz bereits im Januar klar die Kunden seines Ex-Arbeitgebers, Computer 2000, im Visier. Und wie das laufende Geschäftsjahr zeigte, war das ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung: Wachsen konnten die Broadliner in der Hauptsache auf Kosten ihrer Wettbewerber, denn der Markt gab kaum noch Potenzial her. Erst im Sommer wachte Kontrahent Computer 2000, bis dahin eher mit sich selbst als mit seinen Marktbegleitern beschäftigt, aus seinem Dornröschenschlaf auf: Die Tech-Data-Tochter reorganisierte ebenfalls und kündigte eine Offensive in Richtung SMB an - die angestammte Ingram-Macrotron-Klientel.

Zu befürchten haben Kunden und Lieferanten der Dornacher durch den Wechsel also wenig: Schulz ist für sie eine bekannte und damit berechenbare Größe. Und die Ära Kaack ist noch nicht endgültig beendet, denn auch der Thronfolger berichtet weiterhin direkt an den Altmeis-ter, als Vorsitzenden der AG. Inwieweit Kaack also wirklich die Zügel aus der Hand gibt und zumindest als graue Eminenz im Hintergrund weiterhin Präsenz demonstriert, wird sich noch zeigen.

Cornelia Hefer

chefer@computerpartner.de

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