Keine Tapes mehr!

30.01.2003
Bis zu einem Volumen von 100 Terabyte ist Datenarchivierung auf Festplatten günstiger als auf Bändern. Dies haben Spezialisten am Rechenzentrum der Uni Tübingen festgestellt und daraufhin all ihre Tape-Stationen durch Plattensysteme ersetzen lassen.

Am 29. Januar nahm das Zentrum für Datenverarbeitung der Universität Tübingen sein neues Speichersystem offiziell in Betrieb. Entworfen, zusammengebaut und installiert hat diese Lösung die Dr. Koch Computertechnik AG. Das Tübinger Systemhaus hat nämlich die europaweite Ausschreibung der Universität gewonnen. Den endgültigen Zuschlag für das Projekt erhielt der Dienstleister am 3. Dezember 2001, und er fing gleich mit der Arbeit an.

Der VAR entschied sich für Maxtor-Festplatten mit einer Kapazität von jeweils 160 GB. Gesteuert werden sie mit Hilfe der IDE-Raid-Controller "Escalade 7500-8" von der Firma 3Ware. Da an jeden Controller bis zu acht Platten angeschlossen werden konnten, ergab sich bei Raid-Level 5 und einer Reserveplatte pro Controller eine Speicherkapazität von jeweils 960 GB.

Jeweils drei der 3Ware-Controller wurden auf ein Tyan-Motherboard des Typs 2460N montiert. "Wir entschieden uns für dieses Fabrikat, weil es über hinreichend viele PCI-Anschlüsse verfügt", erinnert sich Andreas Koch, Vorstand des Dienstleisters. Mit vier 64 Bit breiten und 33 MHz schnellen PCI-Schnittstellen erreicht ein solches System immerhin Transferraten von 40 MB pro Sekunde.

Viermonatiger Testlauf

Jedes der Tyan-Mainboards wird von zwei AMD-Athlon-Prozessoren befehligt, die mit 1,5 GHz getaktet sind und auf einen Arbeitsspeicher von einem Gigabyte zurückgreifen. Über die drei Raid-Controller und die PCI-Steckplätze hinaus verfügt jede Tyan-Platine auch noch über einen Fast-Ethernet-Anschluss und einen Gigabit-Ethernet-Port. Insgesamt verwaltet jedes Board 2,9 Terabyte Festplattenspeicher. In der derzeitigen Ausbaustufe mit 24 Mainboards beträgt die gesamte Speicherkapazität des Zentrums für Datenverarbeitung knapp 70 Terabyte.

Die Dr. Koch Computertechnik AG ist ein mittelständisches Systemhaus mit rund fünf Millionen Euro Jahresumsatz. Insoweit war ein Projekt wie das bei der Uni Tübingen schon außergewöhnlich. Die gesamten Kosten beliefen sich auf 430.000 Euro. Hierin sind sämtliche Hardware- und Softwarekomponenten sowie alle Dienstleistungen inbegriffen.

Das komplette System wurde erstmals in den Räumen der Koch AG aufgebaut und getestet. "Wichtig war vor allem, dass die Festplatten nicht heiß laufen", so Koch gegenüber ComputerPartner. Deshalb baute der Dienstleister die Harddisks vertikal in das selbst entworfene Racksystem ein, damit die Luft dort besser durchströmen kann. Die Spezifikationen von Maxtor lassen laut Koch so etwas zu.

Eigentlich war die Auslieferung aller Komponenten bis Ende Februar vorgesehen, doch bis zur endgültigen Abnahme durch den Kunden vergingen dann doch gut vier Monate. Verzögerungen gab es, weil die gelieferten 3Ware-Controller nicht die gesamten 160 GB der Maxtor-Festplatten ansprechen konnten. Dies funktionierte erst nach einem Bios-Update, auf das der VAR zwei Monate warten musste. Erst das energische Eingreifen des Firmenchefs bei der deutschen 3Ware-Niederlassung führte zum gewünschten Erfolg.

Probleme gab es auch mit der nicht zufrieden stellenden Schreibgeschwindigkeit auf die Festplatten, die Leseraten war hingegen völlig ausreichend. Hier sorgte ein Software-Raid für Abhilfe. Die größte Herausforderung stellte für Koch die Tatsache dar, dass brandneue Hardware in einer Umgebung zum Laufen zu bringen war, die so noch nirgends in Betrieb ist. Auch die Stabilitätsforderungen des Kunden waren nicht ganz ohne. Komplette drei Monaten ließ der fürs Backup verantwortliche Mitarbeiter des Uni-Rechenzentrums die neue Anlage Tag und Nacht laufen.

"Einer derartigen Belastung ist das System normalerweise nie ausgesetzt", beschreibt Koch die Testläufe. "Üblicherweise werden die Backups nachts gefahren, und selbst dann ist nie die gesamte Hardware daran beteiligt." Insoweit stellte der viermonatige Probelauf einen echten Härtetest für das System dar. "Lediglich drei Festplatten gingen bei dieser Tortur ein", erinnert sich der Vorstand. Das ist ein exzellentes Ergebnis, denn eigentlich rechnete Koch mit bis zu zwölf Ausfällen. Daraufhin entschloss sich der VAR, die Garantien für das gesamte Storage-System auf fünf Jahre auszudehnen.

Kaum Ausgaben für Software

Softwareanschaffungen waren bei diesem Projekt kaum nötig, denn das Zentrum für Datenverarbeitung (ZDV) der Uni Tübingen konnte weiterhin seine selbstgestrickte Lösung "Tuba" (Tübinger Backup) nutzen. Die einzig notwendige Ausgabe war die zum Erwerb einer Linux-Version von Suse. "Dafür haben wir aber nur etwas mehr als 250 Euro benötigt, denn wir begnügten uns mit der Professional-Version von Suse Linux, das Enterprise-Release wäre uns wesentlich teurer gekommen", erinnert sich Koch.

So ganz einfach ging das Aufspielen des Open-Source-Betriebssystems aber nicht von der Hand. Einige Änderungen am Kernel 2.4.18 waren nachträglich noch nötig, denn es haperte an den internen Schnittstellen vom Betriebssystem zur Uni-eigenen Backup-Software. Nachdem diese Probleme aber behoben wurden, konnte das modifizierte Suse Linux auf die einzelnen Storage-Knoten, bestehend aus jeweils einem Tyan-Motherboard mit drei 3Ware-Raid-Controllern und den daran angeschlossenen 24 Maxtor-Festplatten, aufgespielt werden.

Überwacht werden die 24 Storage-Knoten von einem einzigen Terminal aus, an das die komplette Hardware über eine serielle RS232Leitung angebunden ist. "Das genügt vollkommen, denn da gibt es nicht viel zu kontrollieren, das System läuft einwandfrei", lautet Kochs Fazit.

Diese Konfigurationsarbeiten an den Knoten hat die Dr. Koch AG intern durchgeführt, die Feinanpassung des Betriebssystems an die eigene Backup-Software nahmen Spezialisten des Uni-Rechenzentrums selbst vor. Bereits seit drei Monaten verrichtet die neue Storage-Lösung ihre Arbeit anstandslos. Doch erst jetzt fanden die Mitarbeiter des Rechenzentrums den geeigneten Zeitpunkt für die Einweihung des Speichersystems.

Beispielhafte Beziehung zum Kunden

"Die Zusammenarbeit mit ZDV war einfach traumhaft", so Koch gegenüber ComputerPartner. "Der Kunde kam uns stets entgegen und hatte Verständnis für die nicht von uns verschuldeten Verzögerungen." Deshalb zeigte der Dienstleister auch oft Kulanz bei zusätzlichen, nicht vorgesehenen Arbeiten und stellte sie der Universität nicht in Rechnung.

"Es gab keinen Preiskampf", erinnert sich Koch. "Nachdem wir die Ausschreibung gewonnen hatten und der Festpreis feststand, war alles klar. Vielleicht lag es aber auch daran, dass der Kunde das Ganze nicht mit eigenem Geld, sondern mit den Mitteln des Steuerzahlers finanzieren konnte. Wenn man den gleichen Leuten privat ein Notebook verkaufen möchte, dann feilschen sie auf Teufel komm raus", schildert Koch augenzwinkernd die schwäbische Mentalität.

www.3ware.biz

www.maxtor.com

www.suse.de

www.tyan.com

ComputerPartner-Meinung:

Im Storage-Bereich sind auch heute noch lukrative Projekte möglich. Das zeigt das vorliegende Fallbeispiel. Indem man sich Ausgaben für Softwarelizenzen (fast) ganz spart und stattdessen auf Open-Source-Programme zurückgreift, kann man dem Kunden lukrative Angebote vorlegen. Denn Ausgaben für Anpassungen stehen meist schon von vornherein fest - unabhängig davon, ob kommerzielle oder freie Software zum Einsatz kommt. (rw)

Solution Snapshot

Kunde: Universtität Tübingen, Zentrum für Datenverarbeitung, Wächterstr. 76, 72070 Tübingen,www.uni-tuebingen.de/zdv, Ansprechpartner: Dr. Werner Dilling, Tel.: 0707129-70206, Fax: 0707129-5912,

E-Mail: werner.dilling@zdv.uni-tuebingen.de

Problemstellung: Umstellung des Backups des Rechenzentrums von einer auf Bandspeicher basierenden Lösung (mit Auto-Loadern) auf ein Festplatten-Storage-System; Kapazitätsbedarf: 70 Terabyte

Lösung: 576 Stück Maxtor-160-Gigabyte-Festplatten

72 Stück 3Ware-7500-8 RAID-Controller

24 Stück Tyan-2460-Mainboards

Distributoren: Ingram Micro und Actebis (für diverse Komponenten)

VAR: Dr. Koch Computertechnik AG, Handwerkerpark 3, 72070 Tübingen,

www.koch-computer.de, Ansprechpartner: Dr. Andreas Koch, Vorstand

Tel.: 070719466-31, Fax: 070719466-22, E-Mail: koch@koch-computer.de

Kontaktaufnahme: Europaweite öffentliche Ausschreibung

größte Herausforderung: Brandneue Hardware fehlerfrei zum Einsatz zu bringen; die extrem hohen Stabilitätsforderungen zu erfüllen

unerwartete Schwierigkeiten: Linux-Konfiguration der Storage-Knoten gestaltete sich ein wenig problematisch

Länger in Anspruch genommen als vorgesehen hat: Die volle Nutzbarkeit der 160 GB großen Festplatten war erst nach einem Bios-Update der 3Ware-Raid-Controller zwei Monate nach der Bestellung möglich

Implementierungsdauer: Bis zur vollständigen Abnahme rund vier Monate

Arbeitsaufteilung: Die Konfiguration der Knoten erfolgte hausintern bei Dr. Koch. Die Anpassung der vorhandenen Bänder-Backup-Software "Tuba" (Tübinger Backup) an die neue Storage-Lösung nahm der Kunde selbst vor.

Kostenumfang des Projekts: 430.000 Mark für 70 Terabyte Speicher komplett mit Rack-Systemen und allen Dienstleistungen

Verhältnis Hardware/Software/Dienstleistung: Die Ausgaben für die Software, Suse Linux (Kernel 2.4.18), fielen mit etwas mehr als 500 Euro kaum ins Gewicht; die Kosten für Hardware beliefen sich auf etwa 310.000 Euro, der Rest ging in die Arbeitsleistung des VARs ein.

Service- und Wartungsverträge: Garantieverlängerung auf fünf Jahre, Garantieleistungen durch Dr. Koch

Benefit für Kunden: Wesentlich schnellerer Zugriff auf Datensätze, keine Ladezeit (Bänder) von mehr als einer Minute; sehr gute Skalierbarkeit beim Ausbau; günstiger als vergleichbare Auto-Loader-Lösung

Benefit für VAR: Neues Know-how gewonnen, Kunde ist offensichtlich sehr zufrieden. Dr. Koch präsentiert die Lösung auf der diesjährigen Cebit - in der Hoffnung auf Folgegeschäfte. Uni Tübingen als Kunden-Referenz für Storage-Cluster-Projekte.

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