Killerapplikation nicht in Sicht

26.07.2001
Die Auguren von Micrologic Research sehen in Bluetooth die Erfindung des 22. Jahrhunderts schlechthin. Bereits im Jahr 2003 sollen weltweit 181 Millionen Bluetooth-Geräte im Einsatz sein, und bis zum Jahr 2004 soll ihre Zahl auf über 527 Millionen ansteigen.

Wenn es nach den Marktforschern von Micrologic Research geht, wird in den nächsten Monaten und Jahren ein wahrer Run auf Bluetooth einsetzen. Das einzige, was noch fehlt, um diesen Standard weitläufig zu etablieren, ist eine Killerapplikation. Doch leider ist eine solche Anwendung weit und breit nicht in Sicht.

Viele Hersteller haben angekündigt, in den nächsten Handymodellen Bluetooth zu integrieren, doch ohne entsprechende Gegenstelle lässt sich mit einem einzelnen Bluetooth-Modul herzlich wenig oder besser gesagt gar nichts anfangen. Und warum soll der Kunde heute für eine Technik zahlen, die er vielleicht erst in ein paar Monaten einsetzen kann. Zudem ist der Preis für ein solches Modul zur Zeit noch recht hoch.

Niels Kellerhoff, Director of European Operations von Micrologic Research, rechnet heute mit ungefähr 42 Dollar pro Modul, inklusive Einbau. In den nächsten Jahren, wenn die Massenfertigung für solche Module in Schwung kommt, glaubt er an eine Preisreduzierung auf rund 15 Dollar. Das würde ein Gerät mit Bluetooth dann nur noch um rund 30 Mark teurer machen. Da die Hersteller aber mit wenig Absatz rechnen, dürfte der Endkundenpreis eher um 100 bis 200 Mark höher liegen.

Strategischer Rückzug

Immer mehr Firmen nehmen inzwischen Abstand von Bluetooth. Den Anfang machte Microsoft im April dieses Jahres mit der offiziellen Ankündigung, Bluetooth vom Betriebssystem her nicht zu unterstützen. Auch das britische Unternehmen Psion stoppte die Entwicklung von Bluetooth-Geräten. Hans Stadler, Geschäftsführer Psion Deutschland, begründet den Stopp mit fehlenden Aufträgen für Bluetooth-Geräte. Eigentlich sollten im zweiten Halbjahr 2001 die ersten Psions mit der drahtlosen Anbindung auf den Markt kommen. Doch die Kunden haben anders entschieden. "Spätestens wenn der Kunde merkt, dass er zusätzlich zum Psion mit Bluetooth noch ein Handy mit derselben Schnittstelle kaufen muss, ist Schluss mit lustig", räumt Stadler ein.

Vor einem Jahr noch glaubten Fachleute an eine rasante Entwicklung dieses Marktes. Doch die Erwartungen wurden inzwischen überall drastisch nach unten korrigiert. Auch viele Handyhersteller warten noch ab, bevor sie ihre Telefone mit einem Bluetooth-Modul ausstatten. Zurzeit sind nur wenige Geräte mit Bluetooth-Modulen überhaupt zu haben.

Insider glauben, dass Bluetooth durch die übrigen Wireless-Standards der Todesstoß versetzt wurde. Denn im Prinzip ist Bluetooth nichts anderes als ein besseres Irda (drahtlose Verbindung per Infrarot). Eine Irda-Schnittstelle befindet sich in jedem Handy sowie in fast allen Notebooks und Organizern. Sie erlaubt nur eine Datenübertragung bei direkter Sichtverbindung und dann nur über wenige Zentimeter. Die großen Vor- teile von Irda liegen jedoch im geringen Preis und darin, dass es fast überall verfügbar ist.

Bluetooth arbeitet mit Funkwellen, die eine Reichweite von etwa zehn Metern garantieren, und braucht keinen Sichtkontakt. Selbst in der Aktentasche kann der Organizer mit Bluetooth Kontakt zum Notebook aufnehmen und vollautomatisch einen Datenabgleich durchführen.

Doch wer will diese Technologie nutzen und ist zudem bereit, mehrere hundert Mark dafür zu bezahlen? Es wurden inzwischen viele Millionen Handys mit Irda-Schnittstelle ausgeliefert. Aber nur die wenigsten Anwender wissen, dass ihr Handy überhaupt eine solche Schnittstelle besitzt. Und genutzt wird sie fast überhaupt nicht.

ComputerPartner-Meinung:

Den widrigen Umständen zum Trotz wird der Wireless-Markt in den nächsten Jahren einen Riesenboom erfahren. Doch Bluetooth wird vermutlich nicht mehr daran partizipieren. Zwar hat es in den vergangenen Jahren viele Vorschusslorbeeren eingeheimst, aber bis auf Prototypen hat man von Bluetooth noch nicht viel gesehen und wird es in Zukunft wahrscheinlich auch nicht. (jh)

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