Klare Worte von Westcoast-Chef Hemani: "Wir wollen Actebis kaufen"

25.09.2003
Die Actebis-Gruppe hüllt sich in Schweigen, weil die Mitarbeiter selbst noch nichts wissen. Der Mutterkonzern Otto, der es eigentlich wissen müsste, gibt sich, wie gewohnt, hanseatisch verschlossen. Westcoast-Chef Joe Hemani ist dagegen ein Freund offener Worte: Er will bis Ende des Jahres die Actebis-Gruppe kaufen.

Die eigentliche Meldung war am vergangenen Freitag keine Überraschung. Unter der Überschrift "Führungswechsel bei Actebis" kündigte die Actebis-Gruppe den Ausstieg von Michael Urban an (siehe Kasten). Zwei Details ließen den aufmerksamen Leser allerdings stutzen: der benannte Urban-Nachfolger und der letzte Satz.

Actebis-Mitarbeiter im Ungewissen

Zu den beiden entscheidenden Details: Urban übergibt das Actebis-Führungsruder an Joe Hemani (49), Chairman und Hauptaktionär des britischen Distributors Westcoast Ltd. Und der letzte Satz lautete: "Hemani wird die Actebis-Gruppe und Westcoast Ltd. in einer strategischen Allianz mit einer Option der Beteiligung führen."

Das saß und sorgte übers Wochenende für viele Spekulationen in der Distributionsszene. "Wir wissen noch nichts. Die Details werden wir erst in der nächsten Zeit erfahren", erklärte Actebis-Sprecherin Andrea Câmen am Montagmorgen auf Anfrage von ComputerPartner. Otto zog sich wie gewohnt auf einen nichtssagenden Allgemeinplatz zurück: "Vorrangige Ziele einer strategischen Allianz mit Westcoast sind die zukunftsgerichtete Stärkung der Actebis-Gruppe und die Sicherung der Arbeitsplätze."

Übernahme bis Ende dieses Jahres

Otto hatte bei aller Geheimniskrämerei wohl die dritte beteiligte Partei vergessen: Westcoast. Montagmittag meldete sich auf Anfrage der ComputerPartner-Redaktion Hemani höchstpersönlich. Und der Westcoast-Chef ist ein Freund klarer Aussagen. "Wir haben bereits seit drei Jahren Kontakt mit Otto und Actebis. Wir wollen die Actebis-Gruppe kaufen." Für ihn scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Deal mit Otto unter Dach und Fach ist: Bis Ende des Jahres will Hemani die Übernahme in trockenen Tüchern sehen.

Der Kontinent lockt schon länger

An den Kaufabsichten des britischen Managers kann nach diesen Ankündigungen kein Zweifel mehr bestehen. Aber was für ein Unternehmen ist Westcoast eigentlich? Auf der britischen Insel ist die Firma als Distributor mit starkem Fokus auf das HP-Hardwareportfolio bekannt. Westcoast versucht bereits seit längerem, in die Broadliner-Liga aufzusteigen. Ein Versuch war die Gründung der European Wholesale Group (EWG), einer Allianz von vier europäischen Distributoren (die Schweizer Also ABC, die niederländische Copaco, die italienische Esprinted und Westcoast), die Wettbewerbern wie Ingram Micro und Tech Data auf der europäischen Bühne Paroli bieten wollte. Bis auf die Gründungsmeldung am 23. Oktober 2002 hielten sich die Erfolgsmeldungen der EWG bisher in Grenzen - es gab nämlich noch keine.

30 Prozent Marktanteil bei Hewlett-Packard

In Britannien scheint Westcoast keinen schlechten Job zu machen: Der geschätzte Marktanteil des Distributors im Geschäft mit HP-Hardware soll auf der englischen Insel laut Marktkennern 30 Prozent betragen, bei einem - ebenfalls geschätzten - Jahresumsatz von rund 300 Millionen Euro.

Wenn Westcoast von Otto jetzt die Actebis-Gruppe übernimmt, hätte das Unternehmen mit einem Schlag den Fuß im deutschen Markt und teilweise sogar in einigen europäischen Ländern. Dennoch wäre der Kauf ein Risiko, wobei die Höhe des Kaufpreises zweitrangig ist.

Schon bald Entscheidungen zu erwarten

"Die Folgekosten werden immens sein. Der Laden muss reorganisiert und umgekrempelt werden. Das kostet, inklusive der deutschen Abfindungsregel, eine schöne Stange Geld", meint ein Distributionsinsider. Und ergänzt: "Die Gefahr, sich mit einer solchen Akquisition zu übernehmen, ist bei der heutigen Marktlage hoch." Andere kritisieren die massive finanzielle Unterstützung großer Hersteller für die Actebis-Gruppe: "Hier werden Rabatte eingeräumt, um den Laden am Laufen zu halten; das ist nicht mehr lustig", so ein Manager von der Konkurrenz. Hemani will sich nach eigener Aussage"in den nächsten drei bis vier Wochen die Gruppe genau ansehen und verstehen". Er sei bei solchen Dingen schnell. Sollten Änderungen anstehen, "werden wir sie bekannt geben", so der Westcoast-Chef.

Das könnte bald der Fall sein: Wie man aus der Branche hört, ist Hemani bereits auf der Suche nach einem geeigneten Urban-Nachfolger: Bei einigen Kandidaten soll schon das Telefon geklingelt haben. (ch)

Lesen Sie zu diesem Artikel auch den Offenen Brief auf Seite 3 der vorliegenden Ausgabe.

www.westcoast.uk.uk

www.actebis.com

Urban verlässt die Actebis-Gruppe

So richtig vom Stuhl gehauen hat die Nachricht die wenigsten: Bereits seit knapp zwei Jahren gab es immer wieder Gerüchte über den Rücktritt beziehungsweise den Rausschmiss von Michael Urban, 39, als Vorsitzendem der Geschäftsführung der Actebis Holding GmbH. Das Hamburger Otto-Management hat ihm allerdings bis zum Schluss - so erscheint es jedenfalls aus heutiger Sicht oder bis zum Verkauf der IT-Logistik-Töchter Actebis und Peacock - die Stange gehalten.

Jetzt ist es vorbei. "Es war ja kein Geheimnis, dass mein Vertrag zur Verlängerung anstand", erklärte Urban vergangenen Freitag telefonisch gegenüber ComputerPartner. Nach zwölf Jahren im gleichen Unternehmen mache man sich Gedanken um die Zukunft, und der Manager habe sich gegen eine Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses entschieden. Zur Frage, was er denn plane, sagt der Ex-Actebis-Chef nur: "Mal sehen; erst mal ausspannen." Urban wird Actebis offiziell zum 30. September 2003 verlassen; sein Vertrag mit der 100-prozentigen Otto-Tochter endet dann am 31. Dezember. Die Nachfolge von Urban tritt Joe Hemani, 49, Chairman und Hauptaktionär des britischen Distributors Westcoast an.

Urban ist ein so genanntes Actebis-Eigengewächs: Der Manager startete in Soest in der Marketing-Abteilung und arbeitete sich dann stetig die Karriereleiter hoch. Zuletzt war er für die gesamte Actebis-Gruppe inklusive Peacock im In- und Ausland verantwortlich. Massiv kritisiert wurde der Manager vor allem für seine "inkonsequente Eigenmarkenstrategie" der hauseigenen Peacock- und Targa-Produkte. Auch die Liste der von Urban geschassten Manager ist lang. Dem Vernehmen nach wird dem Ex-Actebis-Chef allerdings nur eine befristete Zeit zum Ausspannen bleiben: Er wird als neuer Geschäftsführer eines großen Herstellers in der D-A-CH-Region gehandelt. (ch)

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