Klasse statt Masse - der chinesische Konzern Legend setzt auf Qualität

20.03.1998

MÜNCHEN: Wer China bisher ausschließlich als Zielmarkt für High-Tech-Produkte aller Art betrachtet hat, muß umdenken. Die Zeiten, da hochwertige Computer-Produkte importiert und im Gegenzug billige Massenware exportiert wurde, neigen sich dem Ende entgegen. Im eigenen Land hat der chinesische Computer-Konzern Legend etablierte Marktgrößen wie IBM, HP und Compaq bereits überflügelt.Am enormen Potential des chinesischen Marktes bestehen weltweit wenig Zweifel. Schwerer tut sich der Betrachter da schon, wenn es um die Beurteilung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen geht. Zwei Aspekte müssen gegeneinander abgewogen werden: Auf der einen Seite das sozialistisch geprägte Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der Volksrepublik China. Auf der anderen Seite das asiatische Erfolgsrezept, das es Staaten wie Japan, Taiwan, Südkorea und anderen in den letzten Jahren ermöglicht hat, in der Computer-Industrie weltweit kräftig mitzumischen. Es ist die hinlänglich bekannte Begabung, mit einem hohen Maß an Lernfähigkeit und Flexibilität die produzierten Güter den Anforderungen eines vornehmend westlich orientierten Weltmarktes anzupassen. Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus ein weiterer Faktor: Das Potential an preiswerter menschlicher Arbeitskraft, über das China quasi im Überfluß verfügt.

Das Internet treibt den asiatischen PC-Markt

Nachdem sich das Marktwachstum in Korea verlangsamt hat, ist der PC-Markt der VR China zum größten und wichtigsten dieser Region geworden." Diese IDC-Markteinschätzung vom Juli 1997 ist durch die wirtschaftlichen Turbulenzen, die Japan, Korea, Indonesien und andere Staaten dieser Region Anfang 1998 erschütterten, sicher aktueller denn je. Um durchschnittlich 45 Prozent jährlich wuchs der chinesische PC-Markt nach IDC-Angaben in den letzten Jahren.

"Der chinesische PC-Markt befindet sich inzwischen im Gleichschritt mit dem Rest der Welt", bestätigt auch Wee Theng Tan, Chief Operating Officer der Intel Corporation und verantwortlich für China und Hongkong, gegenüber ComputerPartner. Die Aussichten für die Zukunft seien vielversprechend. "Der Auf- und Ausbau des Internet ist die treibende Kraft für ein kontinuierliches Wachstum des PC-Marktes in der asiatisch-pazifischen Region", so der Manager. Klammert man Japan aus, so ist dieser Wirtschaftsraum, was Internet-Anschlüsse betrifft, im weltweiten Vergleich bisher deutlich unterrepräsentiert - so IDC. Ein Marktpotential, um das sich heute nicht nur renommierte PC-Anbieter wie Compaq, IBM oder Hewlett-Packard streiten.

Aufgrund der Eigenheiten dieser Märkte, angefangen von Sprachbarrieren bis hin zu politischen Konstellationen, bieten sich hier durchaus Entwicklungschancen für einheimische Unternehmen. Als erfolgreicher Aufsteiger in diesem hart umkämpften Marktsegment erweist sich seit einiger Zeit die chinesische Legend Group.

IBM, HP und Compaq vom Thron gestoßen

Gespür für kommende Umsatzpotentiale im Computer-Markt bewiesen eine Handvoll Mitarbeiter der Chinese Academy of Science in Beijing, als sie 1984 die Legend Group gründeten. Ob sie vorher, wie selbst im heutigen China durchaus üblich, ein Orakel befragten, oder sich bei der Entscheidung auf ihren gesunden Menschenverstand verließen, ist nicht überliefert. Nachweisbar ist allerdings seit einiger Zeit der Erfolg ihrer Initiative.

Mit knapp 250.000 verkauften Einheiten gelang es der Legend Group 1996 erstmalig, die bis dato führenden PC-Anbieter IBM, HP und Compaq zu überholen und die Spitzenposition auf dem chinesischen Desktop-Markt einzunehmen. Mit einer Verdoppelung auf 500.000 Einheiten und einem Marktanteil von deutlich über zehn Prozent wurde die Führung im Jahr 1997 nachhaltig ausgebaut. 26 Legend-Niederlassungen und fast 1.000 Vertriebs- und Servicestellen decken heute den chinesischen Markt ab.

Die Grundlage für den Erfolg bildet eine klare und effiziente Organisationsstruktur, in der die mittlerweile acht Unternehmensbereiche der Legend Holding zusammengefaßt sind. Das darin enthaltene Produktions- und Dienstleistungsspektrum ist vielseitig. Es beginnt mit der Produktion von Motherboards, reicht über das komplette PC-Angebot vom Notebook bis zum High-end-Server und endet bei einer eigenen, dezidierten Vertriebsorganisation. Auch Dienstleistungen wie beispielsweise Systemintegrationen werden vom Konzern angeboten.

Technologietransfer als Erfolgsfaktor

Andere machen Versprechungen, wir liefern Qualität", so lautet die offizielle Unternehmensphilosophie. Die Umsetzung dieses Slogans in der Praxis erfolgt mit einem erstaunlich hohen Grad an Professionalität. Strategische Allianzen mit weltweit tätigen, namhaften Unternehmen einzugehen, spielt für die Geschäftsentwicklung eine wesentliche Rolle. "Durch den Aufbau von Joint-ventures werden neben ausländischem Kapital, Produkten und Technologien auch ausländisches Management-Know-how eingeführt", bestätigt He Zhi Qiang, Executive Vice-President der zur Legend-Holding gehörenden QDI-Group. Die Liste der Kooperationspartner liest sich wie das "Who is who" der internationalen Computer-Branche. Neben Intel und National Semiconductors, mit denen eine umfangreiche Zusammenarbeit im Chip-Bereich besteht, zählen IBM und Microsoft genauso dazu wie HP, Toshiba oder Motorola. Die Tatsache, daß die Legend Group als erster chinesischer PC-Hersteller 1993 ein eigenes Chip-Design-Center im kalifornischen Silicon Valley einrichtete, unterstreicht den Anspruch des Unternehmens.

Daß die Aktivitäten der Legend Group von der Regierung in Beijing nicht nur wohlwollend betrachtet, sondern offenkundig unterstützt werden, wird deutlich, wenn der Besucher vor dem Legend Science & Technology Park in südchinesischen Hui Yang, 50 Kilometer vor den Toren Hongkongs, steht. Mitten in der Provinz entstand auf 27.000 Quadratmeter eine moderne Fertigungsstätte westlichen Standards. 1.600 Angestellte produzieren hier monatlich 350.000 Motherboards. Darüber hinaus fertigt das zur Legend Holding gehörende Unternehmen Techwise hier Platinen für namhafte Kunden wie Creative Labs, Aztech, Adaptec und Andere. Das die Wurzeln von Techwise ursprünglich im nationalchinesischen Taiwan lagen, überrascht in diesem Zusammenhang kaum noch. Es zeigt vielmehr, daß zumindest in Wirtschaftsangelegenheiten in den letzten Jahren einiges an ideologischem Ballast über Bord geworfen wurde. Die Tatsache, daß der Wissenschafts- und Technologiepark bis ins Jahr 2000 kontinuierlich auf 200.000 Quadratmeter ausgebaut werden soll, macht die Dimension dieses ehrgeizigen Projektes deutlich.

Erste Erfolge auf internationalem Parkett

Nach den positiven Ergebnissen auf dem Heimatmarkt zeichnen sich gegenwärtig die ersten Erfolge auf internationalem Parkett ab. Unter den führenden PC-Anbietern im asiatisch-pazifischen Raum nimmt Legend mit 2,4 Prozent Marktanteil inzwischen den achten Platz ein.

Während der Schwerpunkt der Aktivitäten in Asien auf dem Vertrieb kompletter PCs liegt, hat sich das Management für die Überseemärkte in Nordamerika und Europa eine alternative Strategie ausgedacht. Mit hochwertigen Mainboards neuester Technologie möchten die Chinesen im hart umkämpften PC-Marktsegment Fuß fassen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Unternehmensgruppe QDI, die innerhalb der Legend Holding inzwischen knapp ein Viertel des Gesamtumsatzes erwirtschaftet. Mit einem Jahresumsatz von drei Millionen Boards zählt das Unternehmen inzwischen zu den fünf größten Mainboard-Herstellern weltweit.

Von 1,5 Milliarden auf 2,2 Milliarden Mark stieg der Gesamtumsatz der Legend Group im letzten Jahr. Analysiert man die Ursachen des Erfolges, wird eines schnell deutlich: Das Beispiel der Legend Group belegt, daß der Aufstieg von der "Garagenfirma" zum Weltunternehmen nicht nur in den USA realisierbar ist. Die Lernfähigkeit chinesischer Unternehmen reduziert sich offensichtlich nicht auf Produktionsverfahren. In den letzten Jahren hat ein intensiver Transfer von Management-Know-how stattgefunden, der jetzt die ersten Resultate zeigt. Mit Blick auf das aufstrebende Mainboard-Geschäft in Nordamerika und Europa kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich moderne chinesische Manager nicht nur mit der traditionellen Mythologie chinesischer Drachen auskennen. Sie scheinen inzwischen auch schon von trojanischen Pferden gehört zu haben. (sd)

Chinesische Unternehmen

So stellt man Kontakt her

Deutsche Unternehmen, die direkte Wirtschaftskontakte zu chinesischen Handelspartnern suchen, können sich bei folgenden Institutionen informieren:

China Chamber of International Commerce (CCIT)

Düsseldorfer Str. 14 60329 Frankfurt /Main Tel.: 069/23 53 73

Fax: 069/23 53 75

Botschaft der Volksrepublik China - Wirtschafts- und Handelsabteilung Friedrich-Ebert-Str. 59 53177 Bonn Tel.: 0228/95 59-0

Fax: 0228/356781

Der "Legend Science and Technologie Park" im südchinesischen Hui Yang. 88 Prozent des 200.000 qm großen Areals warten noch auf die Erschließung.

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würde, ist für viele junge Chinesinnen ein Traumjob.

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