Kodak will neues Geschäftspotential im Profi-Markt ausgemacht haben

22.10.1998

MÜNCHEN: Obwohl die Hersteller von Digitalkameras versichern, daß der PC-Fachhandel als Vertriebskanal gleichermaßen relevant ist wie der Foto-Fachhandel und die Retailer, ist das Geschäft mit Digitalkameras an den IT-Experten bisher weitgehend vorbeigegangen. Mit gezielten Maßnahmen will Kodak jetzt den Stellenwert des Fachhandels erhöhen. Dazu beitragen soll unter anderem eine neue Generation über "Scripting-Software" programmierbarer Digitalkameras. Hiermit eröffnen sich, nach Vorstellung von Kodak, insbesondere VARs neue Geschäftsfelder.Wer geglaubt hat, Digitalkameras würden dem PC-Kanal neue, lukrative Einnahmequellen eröffnen, wurde bisher enttäuscht. Die einfache Konstruktion und Bedienbarkeit der ersten Modellgenerationen und die leichte Integration in vorhandene PC-Umgebungen führten dazu, daß die traditionellen Vertriebskanäle für Kameras wie Fotofachhandel und Retail den größten Teil des Umsatzes unter sich aufteilten.

Im Bestreben, verstärkt gewerbliche Anwender zum Einstieg in die Digitalfotografie zu animieren, hat sich Anbieter Kodak jetzt ein Konzept ausgedacht, in dem der qualifizierte Fachhandel und vor allen Dingen VARs eine Schlüsselrolle spielen.

"Eine effektive Vertriebsschiene ist die Voraussetzung dafür, das große Marktpotential von Digitalkameras auszuschöpfen. Deshalb werden wir unsere Unterstützung für den Fachhandel weiter intensivieren", stellte Thierry Bouzac, European Commercial Director Digital & Applied Imaging bei Kodak, anläßlich der diesjährigen Photokina die neue Vertriebsstrategie vor.

Businessmarkt verspricht hohe Zuwachsraten

Nach seiner Ansicht wird insbesondere der Business-to-business-Markt die Wachstumsraten der digitalen Fotografie entscheidend beeinflussen. Drei Zielgruppen hat er dabei im Visier. Zur ersten Gruppe gehören berufliche Anwender, für die eine schnelle Verfügbarkeit des Bildes wichtigstes Kriterium ist. Mitarbeiter im Außendienst zählen ebenso dazu, wie professionelle Fotografen oder Berufsgruppen wie beispielsweise Immobilienmakler. Zur zweiten Gruppe zählen nach seinen Worten Anwender, die eine Digitalkamera zur "Verifizierung" von Schäden einsetzen. Dazu gehört das gesamte Heer an Sachverständigen oder auch Mediziner, die Untersuchungsergebnisse auf Bild festhalten müssen. Die dritte Gruppe nutzt Digitalkameras im kreativen und konzeptionellen Bereich, wie beispielsweise im Layout und in der Werbung.

Mit einem Angebotspaket bestehend aus Support, Informationsangebot und Verkaufsförderungsmaßnahmen möchte Kodak dem qualifizierten IT-Fachhandel den Einstieg in die Digitalfotografie und gleichzeitig die gezielte Adressierung der genannten Käufergruppen erleichtern.

Hotline soll Kundenzufriedenheit sicherstellen

Das von Kodak konzipierte Komplettpaket für Händler gliedert sich in die Bereiche Marketing sowie Service und Support. Die angebotenen Materialien umfassen Produktbroschüren, Datenblätter und Point-of-Sales-Unterlagen. Eine spezielle Trainings-CD bietet Wiederverkäufern Verkaufsargumente, diverse Bilddateien und Videoclips. Darüber hinaus werden autorisierte Fachhandelspartner in Händlerlisten aufgenommen und in punkto Werbung, Sales Promotion sowie bei Mailing-Aktionen unterstützt.

Eine zentrale Rolle im neuen Vertriebskonzept spielt nach Aussage von Bouzac der kostenlose Hotline-Service. "Hier unterscheiden wir uns deutlich vom Wettbewerb. Kostenfrei und in mehreren europäischen Sprachen bietet die Hotline sowohl unseren Fachhändlern als auch deren Kunden Informationen und technische Unterstützung." Anfragen nach Marketing-materialien und Trainingsunterlagen werden ebenfalls über die Hotline abgewickelt. "Damit können wir auch detailliertes Feedback von Kunden und deren Zufriedenheit ermitteln", fügt der Kodak-Mann hinzu.

Die Kodak-Hotline ist in Deutschland unter der Rufnummer 0130/

825402, in Österreich unter 0660/7348 und in der Schweiz unter 0800/55 10 34 erreichbar. Sind technische Anfragen nicht sofort zu beantworten, werden sie an die zuständigen Produktspezialisten weitergeleitet. Augenblicklich trifft diese Regelung, laut Kodak, nur für etwa zwei Prozent der Anfragen zu. Im Durchschnitt werden diese Anfragen allerdings innerhalb von 24 Stunden beantwortet, versichern die Verantwortlichen.

Fotografieren als Workflow

Über die Beteiligung an den von Kodak angebotenen Aktivitäten für Händler hinaus können sich VARs in die "Developers Relation Group" aufnehmen lassen. Sie haben damit Zugriff auf ein erweitertes Informationsangebot.

Die ab sofort verfügbaren Kameras "DC220" und "DC260" sind mit einem Betriebssystem ausgestattet, das auf den Namen "Flash Point Digital" hört. Es ermöglicht die Automatisierung digitaler Workflows. Mit Hilfe einer sogenannten Scripting-Software können die Kameras auf unterschiedlichste private wie berufliche Anwendungsbereiche zugeschnitten werden. Die programmierten Scripts übernehmen bei Bedarf Voreinstellungen für die Kamera und geben dem Anwender über das LCD-Display Schritt für Schritt Anleitungen, was er tun muß, um die nächste Aufnahme zu machen. Scripts können darüber hinaus die Einbindung digitaler Bilder in PC- und Internet-Anwendungen automatisieren.

Die Programmierung der Kamera erfolgt mit Hilfe eines Software Developer Kits (SDK), das VARs zusammen mit einer Anleitung mit der Registrierung kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen (www.kodak.com/go/drg). "Software-Entwickler und VARs können damit maßgeschneiderte Lösungen kreieren. Hier bieten sich für Fachhändler und VARs kurz- und mittelfristig Chancen mit interessanten Umsatzperspektiven", will Bouzac wissen.

Bezugsquelle für Produkte bleiben bis auf weiteres die von Kodak autorisierten Distributoren, wobei Händler die freie Wahl zwischen den klassischen IT-Broadlinern und auf die Fotobranche spezialisierte Grossisten haben. Eine Hintertür hält sich Bouzac allerdings offen. "Wir wollen die Option, daß VARs wachsen und wir sie eines Tages auch direkt beliefern, nicht vollständig ausschließen."

Digitalkameras entwickeln sich zum "Imaging Hub"

War die Digitalkamera bisher ein klassisches Peripherie-Produkt für Computer, rücken die programmierbaren Kameras zumindest im gewerblichen Bereich jetzt in das Zentrum digitaler Bildverarbeitung. Sie ermöglichen dem Anwender nicht nur die Realisierung eigenständiger Workflows, sie lassen sich in verstärktem Maße auch in bestehende Arbeitsabläufe integrieren. Eine Entwicklung, die sich nach Meinung der Experten 1999 noch verstärken wird.

Die Trends für das nächste Jahr faßt Bouzac wie folgt zusammen: Die Preise von Megapixel-Kameras (eine Million Bildpunkte), die derzeit bei etwa 900 Mark liegen, werden um 30 Prozent sinken. Die Kamerahersteller werden verstärkt Produkte mit einer Auflösung von zwei Megapixel anbieten, bessere Zoom-Funktionen und eine Erhöhung des kamerainternen Speichers werden die Leistungsfähigkeit der Geräte weiter steigern. Und last, but not least: Die USB-Schnittstelle wird auf breiter Front in Digitalkameras Einzug halten (was auch die Apple-Gemeinde interessieren dürfte).

Allein in Deutschland wird sich 1998 die Zahl der verkauften Digitalkameras mindestens verdoppeln (1997 waren es 80.000. Quelle: Photoindustrieverband). Höhere Schätzungen erwarten bis zu 200.000 Kameras (Quelle: MacArthur Stroud, 1998).

Die Photokina hat deutlich gemacht, daß sich der Fotofachhandel sehr viel schneller und besser als erwartet mit dem neuen digitalen Medium arrangiert hat. Vorgestellte neue Modellgenerationen zeigen darüber hinaus, daß bei Digitalkameras die klassischen Fotofunktionen wie Zoom, Blenden, Objektive, etc. wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Ob unter diesen Umständen der Kodak-Vorstoß ausreichen wird, für etwas mehr Chancengleichheit zwischen den Vertriebskanälen zu sorgen, bleibt allerdings abzuwarten. (sd)

Mit einem "Game-Boy"-ähnlichen Pad auf der Rückseite der DC260 kann der Ablauf von Scripts gesteuert werden.

Thierry Bouzac, European Commercial Director Digital & Applied Imaging bei Kodak, möchte VARs motivieren, indem er einen Wettbewerb für das beste Script ins Leben ruft.

Qualifizierte Fachhändler und VARs sind in der Developers Relation Group (DRG) willkommen (www.kodak.com/go/drg).

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