Kommentar

12.10.1998

Bunte Flyer kleben an den Eingangstüren zur Aldi-Filiale 2001. "Case-Tools: 25,95 Euro"! "Relationale Datenbank (5er-Clientlinzenz): 119,95 Euro"! In der IT-Aktionskiste von vorletzter Woche liegen ein paar NT-Terminal-Serverpakete, und der Softwerker, der sich auch mit Kleiderbügeln versorgen möchte, schlendert eine Einkaufsstraße entlang, in der die Reste des Flyerpakets "gebrauchte Workstations" als Abdeckung für die morgige Aktion "Perlweißinnenfarbe" verwendet werden.Zugestanden: Allenfalls notorische Berufsspötter behaupten, die Marketiers des Billigstars und Aktionskönigs Aldi könnten sich mit solchen IT-Aktionen heute schon ernsthaft befassen. Doch daß die gerade angelaufene Software-Aktion von Aldi (siehe ComputerPartner, Seite 1) deutlich zeigt, wohin die Softwarevermarktung geht, liegt auf der Hand.

Erinnern wir uns: Im Mai 1996 brüskierte Aldi mit seiner ersten Computeraktion den PC-Fachhandel. Eine einmalige, zwar ärgerliche, aber nicht weiter wichtige Aktion, lautete damals der Tenor der meisten Branchenspezialisten. Heute verkauft Aldi an einem Tag zirka 220.000 PC, ein Viertel aller PC im starken letzten Quartal, und PC-Markenhersteller stehen Schlange bei den Einkaufsleitern von branchenfremden Palettenvermarktern.

Ähnlich ist der Einstieg des Lebensmittelsdiskounters in den Softwaremarkt zu bewerten. Der irrt, der den Software-Testlauf wieder als einmalige Aktion bewertet. Aldi stößt sich und anderen branchenfremden Supermärkten die Tür zur Softwarevermarktung sperrangelweit auf.

Softwarehersteller werden mit ihren nicht mehr erklärungsbedürftigen Produkten diese Chance nutzen. Sie treffen auf Käufer, die sich durch Office- und Helpdeskprogramme gearbeitet haben und mittlerweile jeden Absturz bewältigen. Millionen von semiprofessionellen IT-Experten können mittlerweile nicht nur Festplatten, Modems und ISDN-Karten konfigurieren, sondern sind auch zu veritablen Betasoftware-Spezialisten erzogen worden. Die Unterstützung des Fachhandels brauchen sie nicht mehr. Das wissen die Marketiers von Aldi. Ihr Gespür für den IT-Massenmarkt haben sie hinreichend bewiesen. Sie werden auch bei Software recht behalten.

Wer nun vermutet, beim IT-Fachhandel müßten die Weihnachtsglocken jetzt besonders schrill läuten, irrt. Diese Entwicklung war für ihn klar absehbar.

Darüber, wie Softwarepakte in Zukunft vermarktet werden, läßt sich spekulieren. Vielleicht gibt es bald überall Software, die infolge ihres Aussehens vertraut wirkt, beispielsweise NT. Die dazu passende Hardware ebenso. Und der Fachhandel wird mit Online-Anfragen sein Geld verdienen: Irgendjemand muß ja den Versions- und Jumperverhau klären...

Wolfgang Leierseder wleierseder@computerpartner.de

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