Kommentar

19.11.1998

Der Fahrrad-Fachhandel in Deutschland hat es auch nicht leicht. Trotz sinkender Preise erwartet die Branche in diesem Jahr lediglich ein Absatzvolumen auf dem Niveau des Vorjahres (4,2 Millionen Stück). Und Fahrräder gibt es überall zu kaufen. Zwar (noch) nicht bei Aldi, aber kaum ein branchenfremder Discounter, der nicht zumindest zeitweise ein Schnäppchen im Angebot hat.Natürlich macht den Fahrrad-Fachhändlern das permanente Störfeuer durch die Discounter zu schaffen. Doch sie haben sich auf diese Situation eingestellt und das Beste draus gemacht. Der Fahrrad-Fachhandel hat sich in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld so positioniert, daß er eine Existenzberechtigung hat. Wie hat er das geschafft?

1. Nicht alle Verbraucher sind gleich. Es gibt diejenigen, die nur auf den Preis schauen. Die kaufen ihren Drahtesel in der Regel da, wo sie ihn am billigsten bekommen. Daneben aber gibt es diejenigen, denen es wichtig ist, jemanden in ihrer Nähe zu haben, der ihnen auch hilft, wenn es mal Probleme mit dem Rad gibt. Jeder, der schon mal versucht hat, einen neuen Bremszug anzubringen, weiß, wovon die Rede ist. Es gibt ja durchaus auch Menschen, die nicht einmal einen Platten wieder flicken können oder einfach keine Lust dazu haben.

2. Die Fahrrad-Fachhändler sind in erst er Linie Dienstleister. Einen Großteil ihrer Wertschöpfung ziehen sie aus dem Reparatur- und Wartungsgeschäft. Die Metro oder der Baumarkt repariert keine Fahrräder. Und die Chance, daß ein Kunde, der einmal sein Fahrrad beim Fachhändler in seinem Stadtteil hat reparieren lassen, dort auch sein nächstes Rad kauft, ist groß. Kundengewinnung und Kundenbindung durch Dienstleistung nennt man das. Und hier macht der Fachhandel offenkundig einen ganz guten Job. So konnte er im letzten Jahr seinen Anteil am Branchenabsatz sogar um drei Punkte auf 50 Prozent ausbauen (Quelle: VFM).

3. Auch unter den Fahrrad-Fachhändlern gibt es "Assemblierer". Vor

allem Mountain-Bike-Freaks lassen sich ihr Rad gerne von ihrem Händler maßschneidern: Schaltung von Shimano (und zwar XT), Bremsen von Magura, Federgabel von Rock Shox etc. Der Unterschied zur PC-Branche: Diese Built-to-customer-order-bikes kosten deutlich mehr als die Serienmodelle von der Stange.

Natürlich verkauft der Fahrrad-Fachhandel auch gerne Fahrräder. Aber seine Existenz hängt nicht davon ab. Und: Je höher der "Installationsbestand" von Fahrrädern in Deutschland ist (Schätzungen bewegen sich zwischen 63 und 74 Millionen Stück), desto besser für den Fahrrad-Fachhandel, denn um so mehr Fahrräder sind zu reparieren, zu warten und aufzurüsten.

Warum soll das in der PC-Branche anders sein? Wenn daher ein Unternehmen Aldi in einem Schwung 250.000 PCs an den Mann bringt und sich dadurch der Installationsbestand insgesamt erhöht, sollte doch auch der PC-Fachhandel davon profitieren können. Die Chancen dazu sind jedenfalls da.

Damian Sicking

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