Kommentar

11.12.1998

Es macht gewiß keine Freude, einer ganzen Branche "Lebewohl" sagen zu müssen. Weil man sentimental ist, da man Produkte dieser Branche jahrelang benutzt und geschätzt hat, weil man damit, auch wenn es pathetisch klingen mag, auf eigene Lebensjahre zurückblickt und merkt, sie sind Geschichte.Doch es ist einfach so: Für Hersteller wie Syquest läuten die Totenglocken. Intranets, Internet und CD-Brenner sind der Friedhof der Wechselplatten. Was übrigens nicht heißt, sie - Iomega, Imation oder auch die eben in den Markt einsteigende HIFD-Abteilung von Sony - hätten keine Überlebenschance. So paradox es nach dem gerade Gesagten klingen mag: Ein Hersteller, wahrscheinlich sogar zwei, wird überleben und weiterhin diese Medien produzieren.

Aber ihr Markt wird schnell verschwindend gering sein, und wer mit Wechselplatten gesehen wird, wird schon bald einen besonderen Grund haben müssen, um sie mit sich herumtragen zu dürfen...

Denn die Existenzberechtigung der Wechselplatten beruht auf Dateien, die zu groß für Floppies sind und doch zu einem anderen Bearbeiter wandern müssen. Deshalb wurden Zips und Jazs beschrieben und in Postumschlägen durch die Gegend geschickt. Beispielsweise von Agenturen zu Belichtern oder von Grafikern zu Verlagen. Das konnte auch hausintern passieren: vom ersten in den dritten Stock oder umgekehrt. Ohne Posthülle.

Doch mit der Vernetzung von Unternehmen, intern und extern, mit dem Aufkommen der Intranets und des Internets verschwindet die Massenbasis der "removable disks". Statt dessen werden Daten rund um den Globus und quer durch Firmenabteilungen geschickt; dort verweilen sie vorübergehend, da beliebig viel Speicherplatz auf Festplatten vorhanden ist, um sie darauf zu konservieren. Dort aber, wo austauschbare Medien ein Muß sind, etwa in Schulungsabteilungen oder in der Druckvorstufe, werden mittlerweile CD-Brenner verwendet: Die Kapazität der CD-Rohlinge beträgt 650 MB, und CDs können so schnell gebrannt werden, daß eine kaputte CD kein Unglück ist. Und sofern Dateien schnell den Besitzer wechseln müssen, genügt die Anwahl des Mailservers, um sie außer Haus zu befördern.

Das Rad dieser Entwicklung zurückzudrehen, steht nicht mehr in der Macht der Hersteller von Wechselplatten. Selbst wenn sie, wie in den letzten zwei Jahren geschehen, absolut nichts mehr an den Laufwerken für ihre Medien verdienen wollen und nur noch darauf setzten, daß zu ihren Laufwerken auch ihre Medien gekauft werden. Allein, wer einen Blick auf den Preis für CD-Rs geworfen hat, weiß, daß sie noch jede Syquest- oder Jazz-Alternative in die Tasche stecken. Drei oder vier Mark anstatt 23 Mark für das Medium - wer sich da noch für Wechselplatten-Laufwerke entscheidet, muß schon ein Nostalgiker sein.

So geschieht mit diesem Markt, was immer wieder mit Märkten geschieht, wenn deren Zeit abzulaufen droht: Firmen gehen in Konkurs, Bedauern und einige Nachrufe begleiten sie, und in absehbarer Zeit werden sie dann als mehr oder weniger große Anmerkungen der IT-Geschichte auftauchen. Ende.

Wolfgang Leierseder

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