Kommentar

23.07.1998

Sind Distributoren beliebt? Schwierige Frage. Auffallend sind jedenfalls die Klagen der Hersteller über die hohen Marketinggelder, die sie an ihren Disti überweisen müssen. Auffallend sind aber auch die vielen Beschwerden der Händler, die sich von ihrem Distributor schlecht behandelt fühlen. Sind also Distributoren beliebt?Eines steht fest: Aus der gegenwärtigen Handelslandschaft in Deutschland sind sie nicht mehr wegzudenken. Und die Großen werden immer größer. Immerhin repräsentieren die vier größten Distis hierzulande einen Umsatz von fast 18 Milliarden Mark.

Zu dieser Entwicklung beigetragen haben in erster Linie die Amerikaner, allen voran die Mannen um CHS-Gründer und -Boß Claudio Osorio, die sich in Deutschland breitgemacht haben und nun den Markt unter sich aufteilen. Nach den Übernahmeschlachten der vergangenen Jahre sind von den Großen einzig Actebis und Raab Karcher übrig geblieben. Und auch diese beiden können vor den Kaufgelüsten der Amerikaner nicht sicher sein: Ingram Micro jedenfalls kündigte bereits weitere Akquisitionen an.

Daß die Distributoren heute in Deutschland solch ein Marktpotential darstellen, liegt aber auch an den Herstellern, die die Geschäfte der Distis forcieren: Vor allem in puncto PC-Assemblierung geht heute ohne Distributoren nichts mehr. Immer mehr Hersteller gehen dazu über, das Zusammenschrauben der Markengeräte ihrem Logistikpartner zu überlassen.

Andere Hersteller schieben ihre Händler mit mehr oder weniger sanftem Druck in Richtung Großhandel. So stellt etwa Druckerhersteller Lexmark seinen Partner günstigere Konditionen beim Einkauf über die Distribution in Aussicht. Die gleiche Idee hatte auch Printerspezialist Tektronix, der inzwischen komplett auf Distributionsvertrieb umgestellt hat.

Kein Wunder also, daß manchem Fachhändler angesichts der rasanten Veränderungen mulmig wird. Durch das Vorhandensein von nunmehr drei Disti-Riesen - Branchenkenner gehen sogar davon aus, daß es in absehbarer Zeit nur noch zwei Broadliner in Deutschland geben wird - gestaltet sich ihr Geschäft immer schwieriger: Angebotsvergleiche werden hinfällig, weil bestimmte Produkte unter Umständen nur noch an einer Stelle zu haben sind - eine Qasi-Monopolherrschaft ist nahe. Kreditlimits werden reduziert, die riesigen Konzerne werden immer unbeweglicher und unflexibler, persönliche Kontakte gehen verloren. Und der CHS-Händler darf zu allem Überfluß noch mit ansehen, wie sein Distributor sich mit der Erzkonkurrenz Vobis schmückt. Wenigstens hoffen darf er, daß sich CHS doch noch auf sein Kerngeschäft besinnt und die Vobis-Filialen wieder abstößt. Erste Friedensangebote diesbezüglich kamen bereits vergangene Woche von CHS-Geschäftsführer Helmut Schmitt.

Wie auch immer die Entwicklung in der deutschen Disti-Szene weitergehen mag: CHS, Ingram Micro und Tech Data werden noch eine ganze Weile brauchen, bis sie die Geschäfte nach ihren Kauforgien geordnet haben. Der Händlerschaft in Deutschland bleibt im Moment nur eines übrig: abwarten und hoffen. Susann Naumann

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