Kommentar

25.06.1998

Die erste Megafusion zwischen einem Telco-Ausrüster und einem Hersteller von Computernetzwerken, Nortel und Bay Networks, war überfällig. Und sie wird gewiß nicht die einzige bleiben.Denn seitdem das Internet Protokoll (IP) als umfassendes Transportmedium für Kommunikation gehandelt wird und auf IP-Basis die bisher getrennten Bereiche Sprach- und Datennetze verschmolzen werden, sind die Hersteller von Computernetzwerken für Telco-Ausrüster und Carrier überlebenswichtig.

Das kommt so: Netzwerker wissen, wie man Sprache und Daten über das Internet verschickt; und sie können ihren Unternehmenskunden überzeugend demonstrieren, wie sie die gesamte Kommunikation über IP-Netze abwickeln können. Das lästige Betreiben verschiedener Netze in Unternehmen könnte deshalb schon bald Kommunikationsgeschichte sein.

Die IP-Zukunft aber ist für Carrier, also Anbieter von Netzleitungen, gelinde gesagt ein Alptraum. Denn nachdem sie ihre weltweiten Sprachnetze - trotz endlosem ATM-Getrommele und dem Versprechen kundenfreundlicher Abrechnungsmodelle - nicht zum Netz der Netze machen konnten, müssen sie sich IP-Netze gefügig machen. Nur so können sie, statt alsbald zu bloßen Leitungsanbietern zu verkümmern, weiterhin satte Gewinne mit der Vermittlung von Daten einfahren. So wundert es niemanden, daß die Carrier auf dem schnellsten Weg in die IP-Branche vorstoßen und, wie die Beispiele AT&T oder Telekom zeigen, als Anbieter von Internet-Diensten von sich reden machen.

Doch für diese neue Anbieterrolle brauchen die Carrier dringend IP-Knowhow und -Gerätschaften. Das fehlt ihnen noch. Weshalb sie bei ihren traditionellen Zulieferern, nämlich Telco-Ausrüstern wie zum Beispiel Lucent, Siemens oder Alcatel, anklopfen, um von diesen das dringend benötigte IP-Wissen und entsprechende IP-Vermittlungs-komponenten zu erhalten.

Aber den TK-Ausrüstern, die ebenfalls sehr spät auf den Internet-Zug aufgesprungen sind, geht es nicht viel besser. Auch sie suchen händeringend nach IP-Wissen. Nun ist dieses eben nur bei den Netzwerkern zu erhalten. Allerdings, wie es derzeit aussieht, nur zu folgenden Bedingungen: Entweder die Netzwerker stellen ihr Wissen freiwillig mittels Allianzen zur Verfügung, oder aber sie werden einfach gekauft. Das kommt den Telco-Anbietern zupaß. Denn sie sind groß genug, um die Milliarden-Käufe finanzieren zu können. Umgekehrt aber hat in der darbenden Netzwerkbranche niemand genügend Geld, um sich seinerseits einen TK-Ausrüster einzuverleiben. Nicht einmal Cisco.

So folgt daraus: Der Netzwerkmarkt wird in der nächsten Zeit von IP-hungrigen Telco-Aufkäufern durchforstet. Und ein Netzwerker nach dem anderen wird in den neugegründeten Datenkommunikations-Abteilungen der Telco-Giganten aufgehen.

Die Perspektive für Netzwerker heißt deshalb, sich entweder für einen Telco-Ausrüster herauszuputzen oder sich eine Nische zum Überleben zu suchen. Vor dieser Wahl stehen die Netzwerker. Vor keiner anderen.

Wolfgang Leierseder

Zur Startseite