Kommentar

09.09.1999

Eine Sensation! Die Branche hält für einen kurzen Moment den Atem an. Sun kauft Star Division. Insider schreien auf - in Vorfreude auf bevorstehende Gemetzel: Das ist ein Schlag gegen Microsoft. Jetzt beginnt der Krieg. Doch Sun tut das Unfaßbare und hißt die weiße Flagge: Nein, das ist kein Angriff auf Microsoft. Sun-Chairman Scott McNealy weist diesen Vorwurf weit von sich. Und ganz ehrlich, Herr McNealy, ich glaube Ihnen das sogar.Sicherlich ist Bill Gates schon seit Jahren McNealys Lieblingsfeind. Sicher ist Sun ständig auf der Hut, daß der Erzrivale nicht zu übermächtig wird. Doch: Keine große Firma der Branche kann inzwischen auch nur einen Pieps tun, ohne sich dabei in Konkurrenz zu Microsoft zu begeben. Aber der Kauf von Star Division hatte andere Gründe. Und die machen auf den ersten Blick grundsätzlich Sinn, auch ohne Scotty Boshaftigkeit zu unterstellen.

Zunächst war Star Division nun einmal gerade am Markt verfügbar. Und mit dem Kauf von Star Division bekommt Sun zum einen ein gutes Office-Paket und ein gutes Entwicklerteam, das mit Java umgehen kann - und beides kann Sun gut gebrauchen. Zum anderen darf Scott McNealy nun endlich an die Verwirklichung seiner Vision denken, die er schon vor Jahren auf der Cebit propagiert hat: Applikationen, in Scheibchen geschnitten, für die Massen. Jeder nutzt und zahlt nur mehr die Features, die er für die anstehende Aufgabe auch braucht. Modulare Software in ihrer konsequentesten Form. Das Internet als Medium liegt nahe. Die Vision Scott McNealys kann auch bestimmt jeder nachvollziehen. Zudem ist sie reizvoll: Nicht mehr 500 Mbyte auf der Festplatte mitschleppen zu müssen, mit Funktionen, von denen die meisten noch nicht einmal wissen, wie sie geschrieben werden.

Allerdings: Es geht in der Branche nicht um Visionen allein. Kernpunkt, warum sich alle anstrengen, ist doch eines: Geldverdienen. Und wie das funktionieren soll, konnte dem geneigten Publikum weder Scott McNealy noch Ed Zanker noch Helmut Krings, der Geschäftsführer Deutschland, so richtig klarmachen. Star Office soll das Kernstück für Star Portal werden. Die Nutzer sollen Briefe, Reisekostenabrechnungen, Präsentationen und ähnliche Officeaufgaben direkt im Netz erledigen - wann und von wo aus sie wollen. Die Nutzer sollen für Dienste zahlen - eben zum Beispiel dafür, daß sie die Funktionen von Star Writer abrufen können. Eine Variante des NC-Konzeptes?

Doch hat Sun diese Rechnung nicht ohne seine Kunden gemacht? Der Thin Client hat noch nie das gehalten, was er versprochen hat. Die Kunden wollten und wollen ihn nicht. Außerdem sagen die Statistiken alle, daß die heutigen Internetnutzer nicht bereit sind, für Dienste zu zahlen. Die zahlreichen Richtlinien zur Internetökologie ordnen solche Basisdienste in die Kategorie "kostenloser Kundenservice" ein. Außerdem gibt es, zumindest hier in Europa, immer noch das Problem der Bandbreiten. Onlinezeit ist teuer! Niemand wird seine Briefe verfassen, während der Gebührenzähler tickt. Dann schon lieber eine übervolle Festplatte. Im Moment auf jeden Fall sieht es so aus, daß Suns Pläne mit Star Writer wirklich noch Zukunftsmusik sind, die mittelfristig keine Kasse klingeln lassen - weder die von Sun noch die seiner Händler. Sie sind vorbereitende Maßnahmen für Märkte, die sich erst noch entwickeln müssen. Und der Kauf von Star Division ist nichts weiter als ein Steinchen im Visionsbaukasten des Scott McNealy.

Gabriele Nehls

gnehls@computerpartner.de

Zur Startseite