Kommentar

06.10.1999

Wenn es etwas zu verschenken gibt, so die Meinung eines HP-Managers, sind die Deutschen noch schneller dabei als die Amerikaner. Und das will etwas heißen: In den USA erleben beispielsweise sogenannte "Gratis-PCs" einen Boom, der seinesgleichen sucht (siehe auch Beitrag Seite 22). Computer werden dort seit geraumer Zeit - zumeist mit jahrelang bindenden und kostenpflichtigen Internet-Providerverträgen - kostenlos unters Volk gebracht. Manch ein Anbieter wurde gleich von Hunderttausenden von Anfragen überrascht, ein Hersteller allein (Gobi) will eine Million Rechner verschenken.Konzepte, wie die Hersteller letztendlich an den verschenkten Gäulen verdienen können, gibt es reichlich: beispielsweise die Verpflichtung zum Abschluß saftiger Internet-Provider-Verträge für den Geschenkempfänger, die Preisgabe persönlicher Daten wie Gehalt, Vermögenswerte und dergleichen oder - und das ist eines der interessantesten Konzepte - den Abschluß bindender Service-Verträge. Es funktioniert offenbar. So gut, daß die Hersteller noch einige Schritte weitergingen. Skeptikern und Spöttern verging das Lachen, als Ex-Novell-CEO Bob Frankenberg erstmals einen Gratis-Server, den "e.go", ankündigte. Die einzige Bedingung für Möchtegern-Beschenkte: eine Unterschrift unter einen Zweijahresvertrag für Service. Monatsbeitrag: 69 Dollar. Dem setzt HP jetzt noch eins drauf: den Gratis-Mainframe. Erhältlich für diejenigen, die HP entweder am Umsatz oder gleich am Unternehmen beteiligen. Damit ist die Kundenbindung gewährleistet, findet HP-Obermarketier Nick Earle. Und, was das Wichtigste ist: Die Hersteller verdienen dran.

Machen wir uns also nichts vor: Der eingangs erwähnte HP-Mann hat wahrscheinlich recht. Das Konzept wird nach Deutschland kommen. Erste zaghafte Versuche gibt es bereits - 1&1 zum Beispiel verkauft Compaq-PCs zu einem nur symbolisch zu nennenden Preis, um einen lukrativen Provider-Vertrag an den Mann bringen zu können. Im Herbst, spätestens im Winter, das bestätigen die PC-Verantwortlichen bei IBM, Compaq und HP, wird es auch hier Hardware zum Nulltarif geben.

Wenn Hardware verschenkt wird, so die einfache Schlußfolgerung, wird es denkbar schwierig, sie im Geschäft zu verkaufen. Und so verwundert es auch nicht weiter, daß in den Managementetagen der deutschen Niederlassungen einiger PC-Hersteller jetzt schon über den Hardware-Händler geredet wird, als wäre er einstmals zusammen mit den Dinosauriern ausgestorben.

Höchste Zeit also für Fachhändler, Konzepte zu entwerfen, wie sie von den Gratis-PCs profitieren können. Das klappt nur, wenn sie rechtzeitig die Initiative selbst ergreifen. Der erste mit einer öffentlich gemachten Idee war übrigens der neue PC-Spezialist-Vorstandssprecher Frank Roebers (siehe Beitrag Seite 14): Er verhandelt bereits mit mehreren Providern und Herstellern, kann sich aber auch vorstellen "ausgetretene Pfade zu verlassen". Mehr verrät er im Sommer. Wie Händlerverbundsysteme auf das Konzept antworten, bleibt noch abzuwarten. Vobis dagegen wird nach eigenem Dafürhalten zu den Gewinnern zählen. Dort herrscht über Aldi-Aktionen eitel Sonnenschein, Umsatz wird über Service genügend eingefahren (siehe Beitrag Seite 48). Für die Händler aber, die noch immer auf das reine Hardware-Business vertrauen, ohne ein profitables Support- und Servicekonzept rund um die harte Ware umsetzen zu können, wird es demnächst ziemlich eng.

Ute Dorau

udorau@computerpartner.de

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