Kommentar

27.05.1999

Im deutschen PC-Markt wird es in diesem Jahr so richtig spannend: Siemens und Fujitsu denken über eine Kooperation nach. Vobis, nach langem Hin und Her nun endlich mit neuem Besitzer, soll schon bald wieder in altem Glanz erstrahlen. Big Blue probt, "wenn der Kunde es wünscht", schon mal andere Vertriebswege, wie es IBMs PC-Chef Christian Hildebrandt kürzlich formulierte. Weltmarktführer Compaq, da sind sich Branchenkenner einig, ist dem direkten Vertriebsmodell auch nicht abgeneigt. Nicht zu vergessen in diesem Szenario sind zudem die zahlreichen Retail-Märkte, Food-Ketten und, wie zuletzt bei der Commerzbank gesehen, völlig unbekannte Größen.Und dann ist da noch Dell. Bisher nur auf Platz sechs der deutschen Charts vertreten und im ersten Quartal praktisch mit Nullwachstum, will der PC-Highflyer nun richtig Gas geben. Nachdem Dell in den USA erkannt hat, daß das große Ziel Weltmarktführerschaft nur mit einem erheblichen Engagement in Deutschland zu schaffen ist, werden jetzt die Weichen gestellt: Das "bessere Geschäftsmodell" (Dell) soll nun auch hierzulande konsequent umgesetzt werden. Vor allem das Internet spielt dabei eine große Rolle. Immerhin generieren die Texaner derzeit weltweit 30 Prozent ihres Umsatzes von zuletzt gut 18 Milliarden Dollar über das Web - Tendenz steigend.

Der Fachhandel bleibt bei Dells Angriff auf den deutschen Markt komplett außen vor. Denn der, so die Meinung des Direktvertreibers, koste ohnehin nur unnötig Zeit und Geld. Zudem verkaufe er nicht immer im Interesse seiner Kunden, sondern vielmehr das, was die meiste Marge bringe. Und auch qualitativ könnten die Geräte, die vom Fachhandel in den Markt gebracht werden, nicht mit den Produkten von Dell mithalten: Da würden die billigsten Komponenten zusammengekauft, eingebaut und anschließend verhökert werden.

Ob Dell damit durchkommt, wird sich bald zeigen. Denn nach Einschätzung des Deutschland-Chefs Edmund Bernardi soll sich schon im vierten Quartal dieses Jahres der gewünschte Erfolg einstellen. Und in sechs bis acht Quartalen sei Dell mit einem Marktanteil von zehn Prozent unter den drei Top-Anbietern im deutschen PC-Markt zu finden. Große Erwartungen, die der neue Mann an der Spitze der hiesigen Niederlassung schürt.

Vielleicht aber kommt doch alles anders, als es sich die Mannen um Michael Dell derzeit für ihr Sorgenkind Deutschland erträumen. Vice Chairman Kevin Rollins jedenfalls kennt die Besonderheiten dieses Marktes: "In Deutschland", so hob er kürzlich warnend den Zeigefinger, "haben wir starke Konkurrenten, die sich mit niedrigen Margen zufriedengeben." Und die Marktführerschaft, so viel steht fest, läßt sich nun mal ausschließlich über den Preis erkaufen.

Auch für Bernardi könnte es bei Nichterfüllung der anvisierten Ziele ganz schnell ziemlich ungemütlich werden: Sein Vorgänger Uwe Mottner mußte bereits nach gut einem halben Jahr Amtszeit den Chefsessel wegen Erfolglosigkeit wieder räumen. Auch diesbezüglich hat Dell ein eindeutiges Motto: Schnell, schneller, am schnellsten - wer nicht mitzieht, bleibt auf der Strecke.

Susann Naumann

snaumann@computerpartner.de

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