Kommentar

03.04.1999

Der Frühling kommt und damit auch wieder ein neues Top-Produkt von Intel. Am vergangenen Freitag stellte der Prozessorkönig den Pentium III der Öffentlichkeit vor. Mehr als 70 neue Befehle sollen die Multimediafähigkeiten des neuen Flaggschiffs steigern. Das hatten wir doch schon einmal. Wer schon länger in der Branche tätig ist, wird sich erinnern. Ungefähr um die gleiche Zeit vor zwei Jahren kam der Pentium I mit MMX-Technologie auf den Markt. Auch er wurde um einige neue Befehle ergänzt und sollte ein völlig neues Zeitalter der Prozessortechnik einläuten. Vorteil damals wie heute: Nachrüsten ist einfach. Der Pentium MMX ließ sich in bestehende Systeme einsetzen.Doch schon wenige Monate später stellte Intel seinen Pentium II vor. Für diesen Prozessor brauchte man allerdings ein völlig neues Motherboard. Zwar positionierte Intel damals das neue Produkt im High-End-Bereich, doch der Pentium II eroberte im Handumdrehen den Endkonsumentenmarkt. Wiederum wenige Monate später erschien der Pentium II mit 100-MHz-Frontsidebus. Dieser neue Prozessor war noch einmal rund 30 Prozent schneller als der ursprüngliche Pen-

tium II. Aber es war wiederum ein neues Motherboard fällig. Außerdem verlangte der Prozessor jetzt nach neuen, schnelleren Speicherbausteinen. Wer damals einen der ersten Pen-

tium-II-Rechner verkauft hatte, konnte seinem Kunden nur schlecht klarmachen, daß er seinen brandneuen PC nicht nachrüsten konnte. Innerhalb eines halben Jahres hatte Intel es geschafft, drei neue, immer schnellere Prozessoren vorzustellen.

Die heutige Situation läßt gewisse Parallelen erkennen. Wie damals der Pentium MMX hat auch der Pentium III eine Reihe neuer Befehle erhalten. Er arbeitet aber immer noch mit dem 100-MHz-Frontsidebus als Flaschenhals. Deshalb läßt sich der Pentium III genau, wie seinerzeit der MMX, in bestehenden Systemen relativ leicht nachrüsten. Motherboard und Speicherbausteine lassen sich weiter verwenden, nur das Bios muß eventuell angepaßt werden.

Aber die nächste Prozessor-Generation, Codename "Coppermine", steht schon in den Startlöchern. Laut Aussage von Intel wird der Coppermine noch ein wenig schneller rechnen können. Dieser Prozessor wird wahrscheinlich mit 500 oder gar 600 MHz getaktet werden. Das ergibt jedoch nur rund zehn Prozent Geschwindigkeitszuwachs. Richtig aufdrehen könnte der Coppermine aber mit einem neuen Motherboard. Die nächste Generation von Hauptplatinen soll mit 133 MHz Frontsidebus arbeiten. Das würde die Rechenleistung nochmals gewaltig steigern. Spekulative 30 Prozent gegenüber dem jetzigen Pentium III dürften locker drin sein.

Doch um in den Genuß der höheren Leistung zu kommen, braucht man neben dem neuen Prozessor auch ein neues Motherboard und auch neue Speicherchips. Denn die jetzt gebräuchlichen schaffen gerade mal die geforderten 100 MHz. In 133-MHz-Boards werden diese Speicherbausteine mit Sicherheit nicht arbeiten.

Damit würde der neue Pentium III in seiner jetzigen Form schon wieder zum alten Eisen gehören. Aber als Branchenführer kann man sich wohl alles erlauben. Der Markt wird es schon schlucken. Doch wie soll man seine Kunden überzeugen, in ein brandneues System zu investieren, wenn abzusehen ist, daß es in ein paar Monaten sicherlich veraltet ist.

Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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