KOMMENTAR: Die Systemhauslandschaft bleibt in Bewegung

11.01.1996
Auf geschnapptApple-Deutschland-Geschäftsführer Hussein Khalil bei der Präsentation der Geschäftsergebnisse auf der Systems '96

Auf geschnapptApple-Deutschland-Geschäftsführer Hussein Khalil bei der Präsentation der Geschäftsergebnisse auf der Systems '96

"Das letzte Jahr ware das Jahr zum Warmlaufen."

Für Rainer Weyh waren zwei Gründe ausschlaggebend, die Mehrheit an seinem Unternehmen abzugeben:

1. Der 51jährige kinderlose Unternehmer wollte damit frühzeitig die Nachfolge regeln.

2. Die Erkenntnis, daß auch im Systemhausbereich die Zeit der Einzelkämpfer abgelaufen ist. "Als kleines Haus mit 20 Millionen Mark Umsatz können Sie mittelfristig nicht überleben. Man braucht eine gewisse Größenordnung, um am Markt bestehen zu können", erläutert Weyh seine Beweggründe. Auch die Mitgliedschaft in Kooperationen, zumindest in ihrer heutigen Form, reicht nach seinem Dafürhalten nicht aus. "Der Zusammenhalt ist bei diesen Gruppen zu lose. Die Gefahr, daß jeder sein eigenes Süppchen kocht, ist zu groß", meint Weyh.

Mit dieser Einstellung und dem Wunsch, das Unternehmen von seiner Person unabhängig zu machen, lief Weyh bei seinen Kollegen Ralf Klenk und Gerhard Schick, beide geschäftsführende Gesellschafter der Bechtle-Gruppe, offene Türen ein. Denn die beiden schwäbischen Unternehmer schätzen die Marktentwicklung genauso ein. Sie sind davon überzeugt, daß in der gesamten IT-Branche, sowohl auf seiten der Hersteller und der Distribution als auch auf seiten des Einzelhandels (Shops) und eben auch bei System- und Softwarehäusern sowie VARs ein starker Konzentrationsprozeß eintreten wird beziehungsweise wir uns bereits mitten drin befinden.

Nur Spezialisten für ganz ausgewählte Lösungen (Nischen) oder Systemhäuser mit eine überregionalen Präsenz und einr entsprechenden Größenordnung werden, so die Überzeugung der Bechtle-Führung, zu den Gewinnern zählen. Daher das unglaubliche Tempo, das die Schwaben bei ihrem Expansionsdrang vorlegen. Innerhalb von nur zwölf Monaten hat Bechtle sage und schreibe vier Unternehmen übernommen beziehungsweise sich mehrheitlich an ihnen beteiligt, darunter die beiden dicken Brocken Pazdera in Karlsruhe (Umsatz 1995: 36 Millionen Mark, 38 Mitarbeiter) und jetzt Kühn & Weyh (20 Millionen Mark Umsatz, 40 Mitarbeiter). Die Gründung einer eigenen Dependance in Stuttgart im Oktober nicht zu vergessen.

Diese Expansion muß man erst einmal organisatorisch verkraften. Für die Bechtle-Geschäftsführung eine Herkulesaufgabe. Denn es gilt ja nicht nur, die zusätzlichen Unternehmen organisatorisch, strukturell und personell in die Gruppe einzubinden. Sondern gleichzeitig muß auch noch Geld verdient werden, das Tagesgeschäft möglichst ohne Reibungsverluste weiterlaufen. Vor allem an die Führungskräfte werden in dieser Phase große Anforderungen gestellt.

Dieses rasante Wachstum der Bechtle-Gruppe (Stammkapital: zehn Millionen Mark) muß natürlich auch finanziert werden. Ein weiterer Knackpunkt. Bisher konnten die Schwaben die Unternehmensexpansion aus eigenen Mitteln bestreiten. Das wird nicht ewig so weitergehen. Völlig klar daher, daß man in der Heilbronner Fügerstraße 6 über mögliche Formen der Kapitalbeschaffung nachdenkt. Ein Börsengang - nach einer Konsolidierungsphase mit besonderer Berücksichtigung der Steigerung des Unternehmenswertes - erscheint hier als die wahrscheinlichste Alternative.

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