Kommentar: Die Vobis-Neupositionierung ist noch nicht abgeschlossen

10.10.1997
Ein Retailer", sagte der früheren Vobis-Chefs Theo Lieven einmal in einer Diskussion über die verschiedenen Handelsformen, "ein Retailer ist ein Kistenschieber. Von dem Kistenschieber unterscheidet sich der Fachhändler dadurch, daß er Beratung und Dienstleistung erbringt. Vobis ist ein Kistenschieber und also ein Retailer", erklärte Lieven damals auf seine bekannt pointierte Weise. Als Kistenschieber, als Retailer, als Discounter ist Vobis zu dem geworden, was es heute ist: der größte Computer-Händler Deutschlands.Doch das Erfolgsmodell der früheren Jahre hat sich anscheinend überholt. Unter der seit Anfang des Jahres bestehenden Regentschaft von Lieven-Nachfolger Dr. Gert Hügler will Vobis jedenfalls nicht länger ein Kistenschieber sein. Sondern Vobis will sich jetzt als "PC-Discounter mit Fachhandelsqualität" darstellen (vgl. Artikel auf Seite 10 dieser Ausgabe).

Ein Retailer", sagte der früheren Vobis-Chefs Theo Lieven einmal in einer Diskussion über die verschiedenen Handelsformen, "ein Retailer ist ein Kistenschieber. Von dem Kistenschieber unterscheidet sich der Fachhändler dadurch, daß er Beratung und Dienstleistung erbringt. Vobis ist ein Kistenschieber und also ein Retailer", erklärte Lieven damals auf seine bekannt pointierte Weise. Als Kistenschieber, als Retailer, als Discounter ist Vobis zu dem geworden, was es heute ist: der größte Computer-Händler Deutschlands.Doch das Erfolgsmodell der früheren Jahre hat sich anscheinend überholt. Unter der seit Anfang des Jahres bestehenden Regentschaft von Lieven-Nachfolger Dr. Gert Hügler will Vobis jedenfalls nicht länger ein Kistenschieber sein. Sondern Vobis will sich jetzt als "PC-Discounter mit Fachhandelsqualität" darstellen (vgl. Artikel auf Seite 10 dieser Ausgabe).

Was so unscheinbar daherkommt und den Würselenern gerade einmal eine Pressemitteilung von einer Seite wert ist, ist nicht nur der Versuch einer Image-Korrektur. Es ist in Wahrheit nichts geringeres als der Grundstein zu einer fundamentalen Neupositionierung der Metro-Tochter.

Daß Vobis sich aufgrund der problematischen Marktlage in ihrem Stammsegment der Privatanwender etwas einfallen lassen mußte, ist klar. Das haben die "Leute mit Ideen" jetzt auch getan. Die Frage ist nur: Reichte der Mut, um das Ruder weit genug herumzureißen?

Die Neupositionierung eines Unternehmens ist immer mit einem hohen Risiko verbunden. Ob man die richtige Entscheidung getroffen, das Ruder in die richtige Richtung gedreht hat, weiß man dummerweise erst hinterher. Das ist bei Vobis nicht anders. Wohl aus diesem Grunde, der Furcht, eine falsche Entscheidung zu treffen, ist Unternehmenschef Hügler auf halben Wege stehen geblieben.

Nach dem neuen Unternehmensmodell von Hügler soll Vobis zwar ein PC-Discounter sein, aber ein "Discounter mit Fachhandelsqualität". Es fragt sich indes nur, was das sein, wie das funktionieren soll. Was muß man sich unter einem "PC-Discounter mit Fachandelsqualität" vorstellen? Einen Kistenschieber, der gleichzeitig kompetente Beratung und kundenorientierten Service bietet? Ein "PC-Discounter mit Fachhandelsqualität" klingt so wie ein "Lada mit Mercedes-Komfort". Mit diesem Modell läuft Hügler Gefahr, sich zwischen zwei Stühle zu setzen. Denn es ist nun einmal so, daß die Erbringung

einer Dienstleistung Geld kostet.

Diese Vorinvestition des Händlers soll durch entsprechende Zahlungen des Kunden kompensiert und am besten überkompensiert werden. So daß am Abend auch noch etwas in der Kasse übrig ist. Üblicherweise zahlt der Kunde für die Beratungsleistung in Form eines höheren Produktpreises.

Das aber will Vobis-Chef Hügler in seinem Modell gerade nicht.

Die Produktpreise in den Vobis-Shops sollen nach wie vor an der Schmerzgrenze liegen. Dafür werden Werkstattleistungen wie zum Beispiel das Aufspielen von Software oder das Aufrüsten von Hardware

gesondert berechnet. Aber reicht das?

Schließlich kostet auch die von Hügler angestrebte kompetente Beratung durch die Vobis-Verkäufer Geld. Fragt sich, in welcher Währung diese Beratungsleistung vom Kunden bezahlt werden soll, wenn nicht in Form eines höheren Produktpreises?

Das Modell eines Discounters mit Fachhandelsqualität kann nicht dauerhaft und ertragreich funktionieren, wenn man mehr bieten will als Werkstattservice. Denn auch gute Leute im Verkaufsraum kosten Geld.

Das heißt, wenn Hügler die Qualität seiner Mitarbeiter steigern will, kann er die Niedrigpreise bei den Produkten nicht halten, und wenn er die Preise halten will, kann er die Qualität seiner Verkäufer nicht

steigern. Es sei denn, er will draufzahlen.

Somit ist die Neupositionierung von Vobis erst dann vollkommen, wenn Hügler den totalen Bruch mit der Tradition wagt: das Ende von Vobis als Kistenschieber. Damian Sicking

Ein "PC-Discounter mit Fachhandelsqualität" ist wie ein "Lada mit

Mercedes-Komfort".

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