KOMMENTAR: Goldfisch-Affäre: Händler fischen im Trüben

12.06.1996
Es ist der 26.11.1996, ein friedlicher Dienstagmorgen bei Computergroßhändler Mustermann in München. Business as usual, die Geschäfte laufen gut, die Mitarbeiter müssen noch auf das Vorweihnachtsgeschäft vorbereitet werden, einige wichtige Telefonate stehen an. Doch dann: Sirenen und Blaulicht, Polizisten stürmen das Büro, räumen Schränke aus und durchsuchen Schreibtische - Telefonieren ab sofort untersagt!Dieses Szenario spielte sich europaweit und fast zeitgleich bei 400, manche sagen sogar 900, Computerunternehmen ab. Staatsanwaltschaft, Polizei sowie Steuer- und Zollbeamte legten in der monatelang vorbereiteten Großaktion "Goldfisch" zum Teil einen Tag lang die Geschäfte der durchsuchten Unternehmen lahm.

Es ist der 26.11.1996, ein friedlicher Dienstagmorgen bei Computergroßhändler Mustermann in München. Business as usual, die Geschäfte laufen gut, die Mitarbeiter müssen noch auf das Vorweihnachtsgeschäft vorbereitet werden, einige wichtige Telefonate stehen an. Doch dann: Sirenen und Blaulicht, Polizisten stürmen das Büro, räumen Schränke aus und durchsuchen Schreibtische - Telefonieren ab sofort untersagt!Dieses Szenario spielte sich europaweit und fast zeitgleich bei 400, manche sagen sogar 900, Computerunternehmen ab. Staatsanwaltschaft, Polizei sowie Steuer- und Zollbeamte legten in der monatelang vorbereiteten Großaktion "Goldfisch" zum Teil einen Tag lang die Geschäfte der durchsuchten Unternehmen lahm.

Der Hintergrund ist durch Tages- und Boulevardpresse (siehe Seite 18) wohl den meisten bekannt: Die Münchener Suntech sowie diverse Scheinfirmen sollen unter anderem 133-MHz-Pentium-Prozessoren kurzerhand zu 166-MHz-Systemen "umgelabelt" haben, was deren Marktwert beträchtlich - nämlich von je etwa 300 Mark auf 1000 Mark - erhöhte. In Deutschland hat die "Aktion Goldfisch" hohe Wellen geschlagen, bei vielen Computerhändlern herrscht derzeit völlig Unklarheit darüber, was da noch auf sie zukommt.

Vor allem Intel bekommt derzeit den Händlerfrust zu spüren. Denn der Chiphersteller macht um die Erkennungsmerkmale, wie man einen gefälschten oder manipulierten Pentium-Chip erkennt, ein Geheimnis, als handele es sich um ein mittelalterliches Rezept zur Goldgewinnung. Einerseits ist das verständlich: Wer gibt schon gerne einem möglichen Fälscher freiwillig die Gebrauchsanweisung an die Hand? Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, daß durch diese Politik diejenigen Händler und Assemblierer, die - aus welchem Grund auch immer - nicht direkt bei Intel gekauft haben, ihren Kunden gegenüber derzeit die Beweislast dafür tragen, daß die verkauften 166-MHz-Pentium-Systeme nicht ein solches Kuckucksei enthalten. Wie gesagt: Für Laien und die meisten Anbieter ein Ding der Unmöglichkeit.

Intels Reaktion auf solcherlei Vorwürfe ist sicher rechtens, läßt aber nicht gerade auf Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem Handel schließen: "Der Händler, der direkt bei Intel gekauft hat, weiß, daß es keine Fälschung ist. Und der, der woanders gekauft hat, hat ein Problem."

Auch die Empfehlung Intels an Endkunden, doch nur bei Intel-autorisierten Fachhändlern ausschließlich Marken-PCs zu kaufen, klingt für viele wie blanker Hohn. "Wenn Intel gerade wieder nicht liefern kann, weichen auch die Markenhersteller wie Siemens, Dell oder Compaq auf alternative Anbieter aus", will ein Assemblierer wissen. Und die Suntech mit ihrem zentralen Standort München lag da für die meisten praktisch auf dem Weg.

Genaues wird man wohl erst dann erfahren, wenn schon die nächste und übernächste Generation von Intel-Prozessoren auf dem Markt sind, die Auswertung der beschlagnahmten Aktenberge dürfte sich über Monate hinziehen. Durch Intels Statement wird es bei den Brandnames vermutlich wenig Probleme im Jahresendgeschäft geben und die Anbieter von Eigenmarken müssen sich so durchwursteln.

Wie auch immer, einige Großhändler können es sich leisten, Galgenhumor zu zeigen. Statt zu lamentieren, reagierten beispielsweise Accept Computer in München und Devil Computer in Braunschweig unabhängig voneinander mit coolen Aktionen (siehe Seite 18): Die aktuellen Aussendungen an ihre Großkunden, in denen sie die zweifelhaft gewordenen CPUs günstig losschlagen, tragen Titel wie "Goldfisch-Certificated" oder "Goldfischaktion".Ute Dorau

Zur Startseite