Kommentar: IBM tritt OS/2 die Krücken weg und hofft auf ein Wunder namens Java

08.08.1997
Als unabdingbar für das Erreichen unternehmerischer Ziele gilt in internationalen Managerkreisen die Maxime: Think positive! Ganze Heerscharen esoterisch beseelter Unternehmensberater finanzieren "mein Haus, meine Yacht, mein Pferd" mit Seminaren und Bestsellern, die ihrer unter Erfolgsdruck und Versagensängsten leidenden Karrieristenklientel die Heilsbotschaft verkaufen: Wer frohgemut ist, hat auch Erfolg. Handlungsanweisungen sind im Preis enthalten.Auch bei IBM arbeiten Strategen, die das Glas allzeit halbvoll sehen und niemals halbleer. Das ist bei Managern, die etwas verkaufen wollen, durchaus nicht kurios. Besonders anrührend erschien uns Big Blues Optimismus aber immer angesichts eines bestimmten Produktes: Die Rede ist von OS/2. Vom Markt belächelt, von Emporkömmling Microsoft malträtiert, hatte es das nunmehr zehn Jahre alte Sorgenkind niemals leicht. Um so trauriger stimmt nun, wie unsentimental sich Big Blue vom seinem Betriebssystem nach und nach verabschiedet. Blicken wir zurück:

Als unabdingbar für das Erreichen unternehmerischer Ziele gilt in internationalen Managerkreisen die Maxime: Think positive! Ganze Heerscharen esoterisch beseelter Unternehmensberater finanzieren "mein Haus, meine Yacht, mein Pferd" mit Seminaren und Bestsellern, die ihrer unter Erfolgsdruck und Versagensängsten leidenden Karrieristenklientel die Heilsbotschaft verkaufen: Wer frohgemut ist, hat auch Erfolg. Handlungsanweisungen sind im Preis enthalten.Auch bei IBM arbeiten Strategen, die das Glas allzeit halbvoll sehen und niemals halbleer. Das ist bei Managern, die etwas verkaufen wollen, durchaus nicht kurios. Besonders anrührend erschien uns Big Blues Optimismus aber immer angesichts eines bestimmten Produktes: Die Rede ist von OS/2. Vom Markt belächelt, von Emporkömmling Microsoft malträtiert, hatte es das nunmehr zehn Jahre alte Sorgenkind niemals leicht. Um so trauriger stimmt nun, wie unsentimental sich Big Blue vom seinem Betriebssystem nach und nach verabschiedet. Blicken wir zurück:

Von Anfang an ging das OS/2-Marketing konstant an der Zielgruppe vorbei: Das auf Großkunden zugeschnittene Warp 3 floppte vor einigen Jahren im anvisierten Privatanwendermarkt, anschließend irritierte Big Blue seine geliebten Banken und Versicherungen mit einem Warp 4 in Windows-95-Optik und einer Vielzahl von Schnittstellen zum Erzfeind NT. Microsoft wußte den Schmusekurs trefflich zu nutzen - marktanteilsmäßig. Erst dieser Tage wurde die Niederlage gegen Windows im Consumer-Markt offiziell eingestanden. Da macht es auch keinen Unterschied, daß "OS Halbe" technisch eigentlich immer die bessere Alternative war. Und was jetzt? IBM will ihre treugebliebenen Kunden via Bluebird sanft in ein Leben nach dem OS/2-Tod geleiten. Java heißt das IT-Paradies, in dem sich niemand mehr mit Windows messen muß. "Man kann die IBM abschreiben, wenn es kein Network Computing und Java geben wird", hat der bisherige IBM Software-Geschäftsführer Richard Seibt den jüngsten Strategiewechsel brutal quittiert.

Ist das noch positive thinking? Nach Ansicht des Psychologen Günter Scheich führt selbiges bei ausbleibendem Erfolg zu Depressionen, Herz- und Kreislaufbeschwerden. Haben die IBM-Manager ihre bejahende Lebenshaltung zusammen mit OS/2 aufgegeben, um nicht ernstlich krank zu werden? Oder hat sich einfach nur das Objekt der Zuversicht verändert? Und wer denkt an die Konstitution der OS/2-Anwender? Die sind nämlich nicht nur treu, sondern meist auch konservativ. Ob dieses Gefolge ausreichend Positivdenken aktivieren kann, um mit offenen Armen und Geldbörsen der nebulösen Java-Verheißung entgegenzueilen, darf bezweifelt werden.

Eines ist jedenfalls sicher: IBM ist es offensichtlich leid, das Sorgenkind OS/2 noch weiter zu alimentieren - Stammkundschaft hin oder her. Der Schrecken ohne Ende endet nun doch. Natürlich wird das offiziell nicht zugegeben. Nach alter Gewohnheit spielt IBM trotz aller gegenteiligen Signale weiter unermüdlich die Platte vom "klaren Commitment zu OS/2". Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Die angebotene Migration zu Java kann das traurige Ende von OS Halbe nur spärlich kaschieren. Positivdenken ist die eine Sache, Glaubwürdigkeit eine andere.

Lothar Derichs

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