KOMMENTAR: Kooperieren oder krepieren?

04.11.1997
Nach einer Studie der BBE-Unternehmensberatung GmbH in Köln ("Der Handel im 21. Jahrhundert") waren 1995/96 lediglich zwölf Prozent aller Handelsbetriebe in Deutschland keiner Kooperation an-geschlossen.Dieser bereits geringe Anteil wird in den kommenden Jahren noch

Nach einer Studie der BBE-Unternehmensberatung GmbH in Köln ("Der Handel im 21. Jahrhundert") waren 1995/96 lediglich zwölf Prozent aller Handelsbetriebe in Deutschland keiner Kooperation an-geschlossen.Dieser bereits geringe Anteil wird in den kommenden Jahren noch

weiter zurückgehen. Die Kölner Marktauguren nehmen an, daß im Jahr 2010 nur noch ein (in Zahlen: 1) Prozent aller Händler in

Deutschland nicht in einer Kooperation organisiert sein wird. Kurz

und bündig: Die Einzelkämpfer unter den Händlern sterben aus.

Wer glaubt, daß die Computerbranche von dieser Entwicklung nicht betroffen sein wird, ist auf dem Holzweg. Ob PC-Shop oder Systemhaus - der Ritt der "lonesome Cowboys" wird im Nirgendwo enden. Diese Erkenntnis scheint sich unter den Computerhändlern allmählich mehr und mehr durchzusetzen. Der Durchbruch ist aber noch immer nicht da. Der Organisationgrad in unserer Branche liegt weit unterhalb des Handels allgemein.

Mit gleich drei neuen Kooperationen steigt die Auswahl für die Händler, sich einer Gruppe anzuschließen, weiter an. Auffällig ist, daß sowohl die WIR-Group des ehemaligen

Commodore-Managers und ASI-Mitbegründers Rolf Wiehe (ComputerPartner berichtete in Ausgabe 4/97) als auch der PC-Ring von Frank Garrelts und die Multimedia-Home-Initiative des Teleprofi-Gründers Jan Nintemann (vergleiche Seite 20 dieser Ausgabe) sich an die PC-Fachhändler wenden, die eher im Consumermarkt zuhause sind. Klar, denn hier ist der Leidensdruck am größten. Mutig der Schritt von

Multimedia-Home-Initiator Nintemann, von den Kooperationsmitgliedern

einen monatlichen Obulus (bis zu 475 Mark) zu verlangen. Wie war das noch mit dem nackten Mann, dem man nicht in die Tasche greifen kann?

Eins ist jedenfalls völlig klar:

Es kann für jeden einzelnen Unternehmer keine Geschäftsstrategie sein, einer Kooperation anzugehören.

Kooperationen sind kein Sauerstoffzelt, um Unternehmen künstlich

am Leben zu halten, welche unter den rauhen Wetterbedingungen

am Markt nicht bestehen können. Kooperationen sind keine Sozialversicherungen für gescheiterte Unternehmen.

Kooperationen aber sind auf der anderen Seite auch kein Zweck an sich. Kein verständiger PC-Händler, kein Chef eines Systemhauses wird einer Kooperation beitreten, nur weil es gerade modern ist. Wenn er keinen handfesten Vorteil von einer Mitgliedschaft hat, dann läßt er die Finger davon. Und völlig zu Recht. Hier gilt es genau zu prüfen: Steht hinter der Kooperation eine echte Leistung des Initiators oder dient sie in erster Linie der Sicherung dessen Arbeitsplatz?

Und das ist genau das Problem der Kooperationen im Computerbereich: den Händlern den Nutzen einer Mitgliedschaft plausibel zu machen. Im Gegensatz etwa zur Unterhaltungselektronikbranche, wo die Kooperationen aufgrund der in diesem Punkt anderen Handelsstruktur, nämlich des Fehlens eines vergleichbaren Großhandels, gleichzeitig die Rolle der Distribution übernehmen, können die bestehenden Computerkooperationen den Händlern in puncto Einkaufsvorteile kaum Vorteile bieten. Im Gegenteil, die Mitglieder müssen schon froh sein, wenn sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft bei den Einkaufspreisen nicht schlechter gestellt werden als ihre nicht organisierten Kollegen.

Übrigens: Die oben zitierte BBE-Studie sagt bis zum Jahr 2010 nicht nur eine Dezimierung des nicht organisierten Fachhandels

voraus. Sondern nach Einschätzung der Kölner Marktbeobachter wird auch der Anteil der in Kooperationen organisierten Fachhändler zurück - von 22 Prozent 1995/96 auf nur noch 17 Prozent im Jahr 2010. Der Grund: Entweder werden die Händler von bestehenden Filialisten geschluckt oder die Kooperationen mutieren selbst zu einem Fililalsystem. Ein Szenario, das mit der Computerbranche nichts zu tun hat?

Damian Sicking

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