Kommentar: Monopoly im deutschen Disti-Markt oder: Was wird aus Macrotron?

24.04.1998

Das war's dann wohl. Mit einem mächtigen Paukenschlag, der Übernahme von Computer 2000 durch Tech Data, endete die wohl größte Übernahmeschlacht, die die deutsche Distributorenlandschaft jemals erlebt hatte. Fast atemlos schaute die Branche in den vergangenen knapp zwei Jahren auf die hiesigen IT-Großhändler, die sich sehr wohl auch international einen Namen gemacht hatten und so die Aufmerksamkeit kaufwütiger US-Firmen auf sich zogen. Deutschland als einer der wichtigsten Märkte für IT-Distribution stand im Zentrum der Begierde der reichen US-Distributoren wie CHS, Ingram Micro und Tech Data.

Den Anfang machte CHS, die über einen Zeitraum von gut einem Jahr mit der Übernahme von Merisel und später von Frank & Walter für Schlagzeilen sorgte. Tech Data zog im Frühjahr 1997 mit dem Kauf von Macrotron nach. Dagegen stand Ingram Micro lange Zeit mit leeren Händen da. Immer wieder hatten es die Kalifornier verpaßt, sich rechtzeitig für einen deutschen Distributor zu entscheiden. Sogar Peacock, die letztendlich von Maxdata beziehungsweise dem Metro-Konzern gekauft wurde, ging Ingram durch die Lappen. Die Übernahme von J&W Computer schließlich, so scheint es zumindest im Moment, reicht bei weitem nicht aus, um den deutschen Marktführern den Schlaf zu rauben.

Doch schlägt vielleicht jetzt die Gunst der Stunde für Ingram, und die Amerikaner kommen in puncto Macrotron doch noch zum Zug? Immerhin hatte der weltweit größte Distributor bereits im vergangenen Jahr erfolglos versucht, den Münchner Broadliner zu kaufen. Die Gerüchte um einen eventuellen Verkauf von Tech Data an Ingram jedenfalls reißen nicht ab. Außerdem fragen sich viele Branchenkenner zu Recht, wie Tech Data die zwei Platzhirsche in Deutschland unter einen Hut brigen will - ohne sich dabei finanziell zu überheben.

Eines jedenfalls ist klar: Billig dürfte das Engagement in Deutschland für Tech Data bisher nicht gewesen sein: Branchenbeobachter gehen davon aus, daß Tech Data für Macrotron rund 100 Millionen Mark gezahlt hat. Der Computer-2000-Viag-Deal hat ein Volumen von etwa 720 Millionen Mark. Dazu kommen mittlerweile Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe, die Tech Data ihrem Neuerwerb Macrotron bereits kurz nach der Übernahme im vergangenen Jahr zugesagt hat. Sollte Tech Data in der nächsten Zeit beabsichtigen, beide deutschen Broadliner in irgendeiner Form zusammenzubringen, würden nicht nur viele Köpfe rollen, sondern auch einige finanzielle Reserven angegriffen.

Dagegen steht der Branchenriese Ingram Micro, der nach Aussagen von Insidern der bestfinanzierte Computergroßhändler der Welt ist. Immerhin nahm das Unternehmen durch den Börsengang vor eineinhalb Jahren knapp 400 Millionen Dollar ein - die Kriegskasse dürfte damit noch gut gefüllt sein.

Ist das Schicksal von Macrotron damit wirklich besiegelt? Sollte Tech Data vielleicht doch wieder an einen Verkauf denken? Die bisher getätigten Investitionen und die Aufregung um die Umwandlung der Macrotron AG in eine GmbH & Co. KG jedoch sprechen dagegen. Außerdem müßte Tech Data töricht sein, die gut funktionierende Macrotron an ihren größten Widersacher bereitwillig abzugeben. Die Übernahmeschlacht in der deutschen Disti-Szene, so scheint es zumindest im Moment, ist noch nicht entschieden.

Susann Naumann

Zur Startseite