Kommentar: Über das schwierige Verhältnis von Microsoft zur Presse

20.03.1998

Seit der Märzausgabe der Magazins "PC-Welt" steht für die Microsoft GmbH fest: In der IDG-Publikation wird im großen Stil "Aufforderung zur Softwarepiraterie" betrieben, so Unternehmenssprecher Kurt Braatz. Denn unter dem Aufmacher "Windows 95 unautorisiert" gab die "PC-Welt" unter anderem dazu Tips, wie man Windows zum Laufen bringt, wenn man die Lizenznummer "nicht zur Hand" hat.Folglich hat Microsoft gegen die "PC-Welt" vor einem Münchener

Gericht Klage eingereicht. Der Streitwert: Zwei Millionen Mark. Genug, um die "PC-Welt" finanziell in massive Schwierigkeiten zu bringen. Für kleinere Magazine würde das sogar das "Aus" bedeuten.

Auf Anfrage von ComputerPartner erklärt Braatz "Unser Kapital sind 50.000 Mitarbeiter. Wenn jemand versucht, aus illegaler Software legale zu machen, sind wir verpflichtet, unsere Mitarbeiter zu schützen."

Gut gebrüllt, macht man sich diese Perspektive von Microsoft zu eigen. Auch wenn angemerkt sei, daß Microsoft bisher als Garant von Arbeitsplätzen kaum berühmt geworden ist. Wie der Fall Netscape und die diversen Knebelverträge mit PC-Herstellern in Sachen "Internet Explorer" zeigen. Und ob die Zigtausend Arbeitsstunden, die Unternehmen mit Windows-"Helpdeskaktionen" bislang vergeudet haben, jetzt der Münchener Filiale in Rechnung gestellt werden können, lies Braatz offen.

Doch das berührt noch nicht das eigentliche Zentrum des Streits. Dieses muß vielmehr im Verhältnis von Microsoft zur Presse gesucht werden. "Die PC-Welt hat auch eine Verantwortung gegenüber Herstellern", meint dazu der Firmensprecher.

Aber wie steht es umgekehrt mit der Verantwortung Microsofts gegenüber der "Öffentlichkeit"? Diese wird bekanntlich hergestellt. Beispielsweise durch ein Magazin wie die "PC-Welt". Also - bei aller gebotenen Bescheidenheit - mittels der Presse.

Deren Funktion ist es, die Öffentlichkeit sachlich und kompetent aufzuklären. Damit sie das meistverkaufte PC-Betriebssystem der Welt handhaben kann, wie es der mündigen Öffentlichkeit gebührt: Souverän und in voller Kenntnis der Software, die sie bedient.

Von einem mündigen Kunden oder einer mündigen Presse aber hält Microsoft wenig. Aus eigener Erfahrung kann ich beisteuern: Sobald eine Anfrage den Münchenern unangenehm ist, wird sie auf die lange Bank geschoben. Oder sie wandert gleich in die Schublade "Aussitzen", auf daß sie dort vergilbt.

Wer aber so seine Kunden behandelt, will keine Öffentlichkeit. Sondern Käufer. Weshalb Microsoft auch keine kritische Presse will. "Man kann nicht auf der einen Seite sich füttern lassen, und auf der anderen Seite in die Hand beißen, die einen füttert", sagt Braatz. Womit er das Verhältnis Microsofts zur Presse auf den Punkt bringt: Friß und halt's Maul.

Nur: Wer derart die Funktion der Presse definiert, hat den Gedanken an eine mündige Öffentlichkeit verabschiedet. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Eine mündige Öffentlichkeit gibt es dann, wenn sie informiert ist. Durch die Presse beispielsweise. Die mittels der ihr zugänglichen Quellen dafür sorgt, daß sie ihrer Pflicht, zu informieren, nachkommt. Etwa so: Sie schlägt in den an Großkunden ausgelieferten Windows 95-Benutzerhandbüchern nach. Und kann in diesen lesen, was Microsoft der Öffentlichkeit vorenthalten will: Tips und Tricks zur Installation und zum Start von Windows. So ausführlich und genau wie in der "PC-Welt".

Was der Unterschied zwischen Großkunden und Öffentlichkeit ist? Bei ersteren handelt es sich um "eine Beziehung zwischen Lieferant und Kunde" (Braatz). Und bei der Öffentlichkeit, die sich aus der Menge der Privat- und Geschäftskunden ergibt? "Das kann man nicht vergleichen", erklärt Braatz. Warum nicht?

Mit eben dieser Argumentation macht Microsoft kenntlich, wie ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit beschaffen ist: Autoritär. Und zur Presse? Ebenso. Leider. Wolfgang Leierseder

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