Kommentar: Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

25.04.1997
Die Ankündigung des Wechsels des amtierenden Deutschland-Chefs von Computer 2000, Karl Pohler, als neuer Vormann der Sony Deutschland in Köln, hat in der Branche intensive Diskussionen und heftige Spekulationen ausgelöst. ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking beleuchtet in der folgenden Analyse die Chancen und Risiken, die mit dieser Personalveränderung verbunden sind.Mit seinen 43 Jahren ist Karl Pohler im besten Mannesalter. Auf jeden Fall jung genug, um eine neue Herausforderung anzunehmen. Und an Mut scheint es dem noch amtierenden Deutschland-Chef von Computer 2000 ebenfalls nicht zu mangeln. Sonst hätte er wohl kaum die Unterschrift unter den Arbeitsvertrag als neuer Sony-Vormann in Köln gesetzt. Denn der neue Job wird sicherlich nicht einfach sein. Ein ganzer Schreibtisch voll Risiken wartet auf den drahtigen Bayern:

Die Ankündigung des Wechsels des amtierenden Deutschland-Chefs von Computer 2000, Karl Pohler, als neuer Vormann der Sony Deutschland in Köln, hat in der Branche intensive Diskussionen und heftige Spekulationen ausgelöst. ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking beleuchtet in der folgenden Analyse die Chancen und Risiken, die mit dieser Personalveränderung verbunden sind.Mit seinen 43 Jahren ist Karl Pohler im besten Mannesalter. Auf jeden Fall jung genug, um eine neue Herausforderung anzunehmen. Und an Mut scheint es dem noch amtierenden Deutschland-Chef von Computer 2000 ebenfalls nicht zu mangeln. Sonst hätte er wohl kaum die Unterschrift unter den Arbeitsvertrag als neuer Sony-Vormann in Köln gesetzt. Denn der neue Job wird sicherlich nicht einfach sein. Ein ganzer Schreibtisch voll Risiken wartet auf den drahtigen Bayern:

- Der Unterhaltungselektronikbranche geht es schlecht. Mit einem Umsatzminus der UE-Industrie in Deutschland um sieben Prozent auf 17,8 Milliarden Mark setzte sich der Negativtrend der letzten Jahre auch 1996 fort. Auch in diesem Jahr erwarten Experten eine weitere Abwärtsbewegung um fünf Prozent.

- Obwohl es der bisherige Sony-Deutschland-Chef Jo Brauner geschafft hat, gegen den Branchentrend den Umsatz zu steigern und wieder Gewinne zu erzielen, sind die Aussichten im Stammgeschäft wenig ermutigend. Innovationen aus Japan, die hier für neue Impulse sorgen könnten, sind nicht in Sicht.

- Der Versuch, mit einer Diversifizierung in Richtung Personal Computer ein zusätzliches Geschäftsfeld zu erschließen, hat bisher noch keine Früchte gebracht. Nachdem das Geschäft in den USA vor allem wohl aufgrund falscher Preisstellungen überhaupt nicht hochkam, soll die Europa-Einführung der PCs vorerst auf Eis gelegt worden sein.

- Sony ist, trotz starkem westlichen Einschlag, ein japanisches Unternehmen. Hier bleibt abzuwarten, wie der amerikanisch geprägte Pohler mit seiner Digital-Vergangenheit diese Kultur adaptiert.

- Obwohl Pohler betont, die Unterhaltungsbranche bereits recht gut zu kennen (der größte Kunde von C 2000 ist seinen Angaben zufolge der Media-Markt), ist er in diesem Markt ein Neuling.

- Ein Europa-Chef, der keine starken, erfolgreichen und selbstbewußten Manager neben sich duldet und im Falle eines Falles kurzen Prozeß macht - wie jetzt mit Pohler-Vorgänger Brauner, den Jack Schmuckli (so heißt der Europa-Chef) kurzerhand vor die Tür gesetzt hat.

- Eine Belegschaft, die Pohler alles andere als mit offenen Armen empfangen wird, weil sie dem bisherigen Amtsinhaber nachtrauert. Immerhin 900 Mitarbeiter der insgesamt 1.100 Sony-Angestellten hatten sich in einer Unterschriftenaktion gegen den Rausschmiß ihres bisherigen Häuptlings Brauner gewehrt. Viele Führungskräfte sitzen angeblich auf gepackten Koffern. Hier muß sich Pohler auf massive psychische und emotionale Widerstände einstellen, die überhaupt nichts mit seiner Person zu tun haben, sondern einzig damit, daß er nicht Brauner heißt.

- Eine Presse, die ihm mehr oder weniger deutlich von vornherein die Fähigkeit abspricht, ein Unternehmen wie Sony zu führen. Wie zum Beispiel die Wirtschaftswoche, die - versteckt hinter angeblich interviewten Sony-Mitarbeitern - dem "Kistenschieber" Pohler nicht zutraut, "mit neuen Ideen Belegschaft und die Kunden aus dem Handel zu begeistern".

Generell fragt es sich, warum ein Manager zu einem Unternehmen wechselt, das von den äußeren Rahmendaten keine Verbesserung im Sinne eines höheren Verantwortungsbereiches gegenüber seiner derzeitigen Position darstellt.

Mit einem Umsatzvolumen von rund 2 Milliarden Mark und einer Belegschaftsgröße von 1.100 Mitarbeitern ist Sony Deutschland in etwa so groß wie die deutsche GmbH von Computer 2000. Und damit nicht genug der Parallelen: Bei beiden Gesellschaften stehen die Deutschland-Ableger wirtschaftlich zwar recht gut da, die Konzernmütter haben aber mit tiefgreifenden Problemen zu kämpfen.

Warum also begibt sich ein Manager, der in den letzten Jahren einen erfolgreichen Job geleistet hat, unnötig in Gefahr? Die Psychologie teilt die Menschen in zwei unterschiedliche Kategorien ein: die "Lust-Sucher" und die "Unlust-Vermeider". Die Lust-Sucher sind solche Personen, die aktiv neue Herausforderungen suchen und dabei auch das Risiko eingehen, eine Schlappe zu erleiden. Die Unlust-Vermeider wollen vor allem Sicherheit und gehen riskanten Situationen aus dem Weg. Nach seinen

eigenen Äußerungen muß man Pohler der ersten Kategorie zuordnen: Er begründet seinen Wechsel mit der Attraktivität der neuen Position. Pohler ist nach eigenem Bekunden davon überzeugt, daß die UE- und PC-Branche in den kommenden Jahren in wesentlichen Teilen miteinander verschmelzen und Sony in diesem Szenario "eine führende Rolle" (Pohler) spielen wird.

Andere wollen indes wissen, daß Pohler doch eher der Unlust-Vermeider ist und sein Abgang aus München vor dem Hintergrund einer ungewissen Zukunft des bayerischen Distributors zu sehen ist. Auch munkelt man darüber, daß der reserviert wirkende Pohler im eigenen Haus nicht unumstritten und seine Position alles andere als fest verankert ist. Das mag so sein oder auch nicht. Von den Mitarbeitern bei C 2000 hört man jedenfalls kein schlechtes Wort über Pohler. Er ist zwar nicht der Chef zum Anfassen, aber fair und umgänglich.

Fakt ist in jedem Falle eins: Pohlers Chef Walter von Szczytnicki ist es nicht gelungen, seinen Deutschland-Chef im Unternehmen zu halten. Mehr läßt sich dazu nicht sagen.

Sehr wahrscheinlich spielt bei diesem Wechsel eine tiefsitzende menschliche Eigenart eine ganz entscheidende Rolle: das Streben nach Ruhm, Ehre, gesellschaftlicher Anerkennung. Das Weltunternehmen Sony hat in der Öffentlichkeit eine unvergleichlich höhere Visibilität als der Computergroßhändler aus Bayern. Dementsprechend steht der Deutschland-Chef von Sony in einem viel stärkeren Rampenlicht als der C-2000-Vormann. Daß sich Pohler gehaltlich nicht gerade verschlechtert haben dürfte, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Und überhaupt: Wer erst einmal die Position des Sony-Statthalters erreicht hat - was kann dem noch widerfahren? Er hat damit eine Stellung in der deutschen Wirtschaft erreicht, von der aus er immer weich fällt - wenn er denn fällt. Insofern ist das Risiko selbst im Falle eins Absturzes gar nicht so groß, wie man zunächst denken mag. Sollte Pohler scheitern, gibt es viele Möglichkeiten, die Verantwortung abzuwälzen: auf die ungünstige konjunkturelle Entwicklung, auf die Branchenmisere, auf eine japanische Mutter, die die wesentlichen Trends verschlafen hat etc. Sollte er dagegen Erfolg haben, stehen ihm viele Türen offen. Immerhin saß auch der jetzige Telekom-Vormann Ron Sommer vorher auf dem Chefsessel von Sony-Deutschland.

Zur Startseite