Komplette Trennung vom Bauelemente-Sektor geplant

11.12.1998

MÜNCHEN: Siemens-Chef Heinrich von Pierer zieht die Notbremse: Nach dem dürftigen Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr 1997/98 (Ende: 30. September), verursacht durch Restrukturierungskosten in Milliardenhöhe, stehen nun 50 Geschäftsfelder mit einem Umsatzvolumen von insgesamt 17 Milliarden Mark und 60.000 Mitarbeitern zur Disposition. Dazu gehört auch der gesamte Bereich Bauelemente.Beeindrucken kann Siemens im jüngst beendeten Geschäftsjahr nur mit dem Konzernumsatz. Mit 117,8 Milliarden Mark hat sich der Münchner Elektronikriese gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent gesteigert. Bei den Erträgen indes sieht es düster aus. Sonderaufwendungen in Milliardenhöhe führten zum Sturz auf 917 Millionen Mark. Im Jahr davor hatte Siemens noch 2,61 Milliarden Mark verdient und für 1997/98 rund drei Milliarden ins Visier genommen. Doch auch ohne die außerordentlichen Aufwendungen hätten die Münchner dieses Ziel verfehlt. Erreicht worden wären nur 2,66 Milliarden Mark.

Nun greift Siemens-Chef von Pierer durch. Bereits im Sommer hatte er eine Optimierung des Portfolios in Aussicht gestellt. Sie nimmt jetzt konkrete Formen an. So will man unter anderem die gesamte Sparte Bauelemente (Halbleiter, Passive Bauelemente und Röhren sowie elektromechanische Komponenten) abgeben, was auch heißt: Schluß mit den Speicherchips. Gerade dies dürfte für die Münchner bitter sein, hatten sie doch nach mageren Zeiten in den 80er Jahren den Halbleitersektor in der laufenden Dekade besonders gehätschelt. Doch verzeichnete man vor zwei Jahren dort noch einen Vorsteuergewinn von rund 800 Millionen Mark, so ist nunmehr bei einem Umsatz von 6,7 Milliarden Mark ein Minus von rund 1,2 Milliarden Mark angefallen. Von Pierers Plänen zufolge soll der Halbleiterbereich zunächst verselbständigt und später an die Börse gebracht werden.

Obwohl die Entscheidung in Sachen Mikroelektronik überrascht, nachdem Siemens sie lange Zeit als eine ihrer Schlüsseltechnologien propagiert hatte, so gab es schon im Laufe des Jahres Anzeichen, daß vor allem der Halbleiterbereich für die Siemens-Mannen zunehmend zum Klotz am Bein wurde. Vor einigen Monaten wurde die Stillegung des neuen Chipwerks im britischen North Tyneside beschlossen, was in Großbritannien einiges Entsetzen und auch viel Kritik heraufbeschwor. Unklar ist noch, was aus der Halbleiterfabrik in Dresden wird - dem Prestigeobjekt der Münchner in den vergangenen Jahre schlechthin.

Computersparte soll bleiben

Wenig Freude hatte der Elektronikriese im abgelaufenen Geschäftsjahr auch am Bereich Private Kommunikationssysteme. Dieser verzeichnete nur noch einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 112 Millionen Mark nach 460 Millionen im Vorjahr. Bei der Computertochter Siemens Nixdorf, die zum 1. Oktober 1998 in das neugeschaffene Arbeitsgebiet Information & Kommunikation überführt wurde, fiel das Vorsteuerergebnis ebenfalls mager aus. Nach 105 Millionen Mark im Vorjahr kam man jetzt nur noch auf 68 Millionen.

Dennoch sind in diesem Bereich für das laufende Geschäftsjahr keine übermäßig gravierenden Beschneidungen geplant. Einzig von dem noch unter dem Namen Siemens Nixdorf firmierenden Retail- und Bankengeschäft will man sich ebenfalls ins Form einen Börsengangs trennen. Zudem will Siemens den Bereich Nachrichtenkabel verkaufen.

Dafür liebäugelt der Elektrogigant mit der Verstärkung einzelner Geschäftsfelder, vorzugsweise PCs und Mobilfunk, durch Kooperationen und Zusammenschlüsse. Und gar deutlich ausgebaut werden soll das Segment IC Networks. Hier steht von Pierer der Sinn nach Zukäufen und Gründung von neuen Geschäftsgebieten speziell in den USA. Allerdings erklärte der Siemens-Chef, daß es dabei den großen Wurf, sprich: einen Milliarden-Deal, nicht geben werde. (bk)

Siemens-Chef Heinrich von Pierer wird zum Hardliner. Der Elektronikkonzern wird radikal umgebaut.

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