Komponentengeschäft wird für den Fachhandel immer unkalkulierbarer

16.12.1999
MÜNCHEN: Technologiesprünge und rapide Preisverfälle kennzeichneten das Komponentengeschäft im abgelaufenen Jahr. Unrühmlicher Star war 1999 der Speichermarkt, der zunächst mit einem Preisverfall glänzte, dessen Preisanstiege im zweiten Halbjahr aber alle PC-Kalkulationen über den Haufen warfen.

Der <B>Januar</B> stellt den Fachhandel vor keine allzu großen Schwierigkeiten. Prozessoren sind gut verfügbar. Mit der Einführung des Celeron in der Sockel-370-Bauform nimmt Intel die bis dato ungeliebte Slot1-Variante zügig vom Markt. Die Festplattenbranche kann zum Tagesgeschäft zurückkehren. Nachdem noch im Dezember massive Lieferschwierigkeiten herrschten, hat sich die Lage im ersten Monat des neuen Jahres deutlich entspannt.

Der Speichermarkt startet turbulent und gibt der Branche einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Übriggebliebene Speichermodule aus dem Weihnachtsgeschäft werden zu Billigpreisen abgegeben, was zu einem Überangebot und Preisverfall führt. Dies ist jedoch nur ein kurzfristiges Phänomen. Ende Januar ziehen die HEKs an. Der Preis für ein 64-MB-Modul schwankt zwischen 105 und 129 Mark.

Die Einführung des Pentium III im <B>Februar</B> ist für den Pentium II der Anfang vom Ende. Nicht-Intel-CPUs gewinnen an Bedeutung. Distributoren wie Frank & Walter und Macrotron verzeichnen eine steigende Nachfrage an Sockel7-Chips. Der Speichermarkt erfreut den Handel mit einer stabilen Preislage, die leicht über dem Januarniveau liegt.

Bewegung ist dagegen bei Grafikkarten zu verzeichnen. Nachdem 3Dfx den Voodoo-Chip nach dem Zusammenschluß mit STB nur noch auf eigene Boards integriert, suchen sich Hersteller wie Diamond und Creative Labs neue Partner. Als Jahresgewinner wird sich später die Chipschmiede Nvidia erweisen, die mit dem Riva TNT2 einen Volltreffer landen kann.

Im Cebit-Monat <B>März</B> herrscht Krieg: Preiskrieg. OEMs überschwemmen den CPU-Markt mit Grauware und drücken die Preise. Für Intel-Distributoren wird es immer schwieriger, Gewinne zu erzielen. Zwischen Tray und Boxed Ware liegen bis zu 60 Mark Differenz. Das ist dem Handel zu viel, nur wenige Wiederverkäufer kaufen aus dem IPI-Programm. "Jede Ballerbude kann günstiger einkaufen als wir", klagen Großhändler gegenüber <B>ComputerPartner</B>.

BEWEGUNG BEI DEN PROZESSOREN

Da Festplatten nicht sonderlich gefragt sind, besinnen sich die Hersteller auf ein altbewährtes Mittel und drehen an der Preisschraube. Der Versuch, größere Kapazitäten zu etablieren, wird nicht akzeptiert. Kingston-Sprecherin Marina Sajitz bringt das Memory-Geschäft auf den Punkt: "Es fällt schwer, von Tendenzen zu sprechen, da sich dort zur Zeit praktisch nichts bewegt." Der<B> April </B>gilt wettermäßig als unbeständiger Monat, der Speichermarkt nimmt sich das zu Herzen. Das Überangebot sorgt dafür, daß die Preise zum Monatsbeginn leicht bröckeln, bevor sie in den freien Fall übergehen. Betroffen sind alle Chiptypen, wenn auch unterschiedlich stark. Der Händlereinkaufspreis für 64-MB-SDRAM beträgt nur noch 95 Mark.

Während das Angebot an Memory-Bausteinen die Nachfrage bei weitem übersteigt, sind Pentium-II-Prozessoren mit 350 MHz nahezu ausverkauft. In diesem Monat wechseln die letzten Restposten die Besitzer. Für den PII 400 müssen Wiederverkäufer zirka 415 Mark bezahlen, für einen Celeron 400 rund 207 Mark, und ein AMD K6-2 400 kostet etwa 187 Mark. Die letzte Preissenkung hat den Celeron näher an AMD herangebracht. Intel hofft, daß der Absatz im unteren Segment spürbar ansteigt. VARs und Assemblierer sollen den Celeron zudem verstärkt auch in Business-PCs einsetzen.

Der Graumarkt für CPUs und Speichermodule ist in Bewegung und verunsichert im <B>Mai</B> den Fachhandel. Durch den andauernden Preisverfall halten Wiederverkäufer ihren Lagerbestand möglichst klein. Die HEKs für Prozessoren und Memory sind auf einem Tiefststand angelangt. National Semiconductor entschließt sich dazu, Cyrix zu verkaufen.

Stark unter Preisdruck stehen auch die Hersteller von CD-Roms. Laufwerke werden mit immer höheren Drehzahlen zu immer niedrigeren Preisen angeboten. Einige Anbieter wie Hitachi und Sony haben bereits die Konsequenzen gezogen und sich weitgehend aus dem Geschäft zurückgezogen. DVD ist jedoch für den Anwender noch keine Alternative. Da es dafür keine vernünftigen Programme gibt, zieht nur eine geringe Anzahl an Benutzern einen Umstieg in Betracht. Hinzu kommt ein deutliches Preisdelta zugunsten der CD-Technik. Zum Bestseller entwickeln sich hingegen CD-RW-Rekorder.

Im <B>Juni</B> prophezeien Experten dem Festplattenmarkt ein anhaltendes Überangebot. Die Lager bei den Distributoren sind voll, und zudem wird der Kanal von OEM-Ware überschwemmt. Das Resultat: Noch nie gab es soviel Festplatte für so wenig Geld. Auch der Speicherpreis hält an seiner Talfahrt fest. Ein 64-MB-Modul ist mittlerweile bereits ab 78 Mark zu haben.

PREISANSTIEG TREIBT UMSÄTZE NACH OBEN

Im <B>Juli</B> wendet sich die Situation am Speichermarkt. Die SDRAM-Preise steigen innerhalb von zwei Tagen um 10 bis 15 Prozent. Der Grund ist eine plötzliche Verknappung von PC100-Modulen. Verschiedene Hersteller hatten die Produktion gedrosselt und wollten vor allem den Wechsel zur PC133-Technologie forcieren. Fakt ist jedoch, daß das Speicher-Business für die Chip-Hersteller bis dato ein Minusgeschäft war.

Mit einer künstlich herbeigeführten Allokation soll nun der Preis zumindest stabil gehalten werden. Der HEK für ein 64-MB-Modul steigt von 72 Mark auf 93 Mark. Nach Cyrix muß nun auch IDT den CPU-Verkauf einstellen. Vom Streit um die Namensrechte des Winchip konnte sich der Nischenanbieter nicht mehr erholen.

Im <B>August</B> geht es verhältnismäßig ruhig zu. Der Speicherpreis steigt leicht an. Genauso ergeht es den Umsätzen mit Festplatten. Für Schlagzeilen sorgt der Prozessormarkt. AMD liefert die ersten Athlon-CPUs aus, und die Fachpresse hat sich sofort in den neuen Power-Chip verliebt. In Ermangelung passender Motherboards kommt der Absatz allerdings nur schleppend in Schwung.

Intel wird offen vorgehalten, dem leidigen Konkurrenten die Produkteinführung zu vermiesen. Angeblich setzt der Gigant seine Marktmacht ein und droht, Motherboard-Hersteller nicht mehr mit BX-Chipsätzen zu beliefern, wenn sie Athlon-Boards produzieren. Unterdessen formiert sich mit Via ein neuer Mitbewerber. Nach Cyrix übernimmt das koreanische Unternehmen auch die Überreste von IDT.

Bis zu diesem Zeitpunkt klagt der Handel über die unkalkulierbare Talfahrt des Speicherpreises. Im <B>September</B> ist genau das Gegenteil der Fall. Die Ware ist knapp, und der HEK erreicht einen neuen Höchststand. Erstmals seit Monaten sind Wiederverkäufer wieder gut beraten, sich ein Lager aufzubauen. Ein 64-MB-Riegel kostet am Monatsende bis zu 354 Mark. Knapp wird es auch bei Festplatten mit kleinen Kapazitäten. Schlecht zu bekommen sind Laufwerke mit 4,3 GB. Zum Jahresende wird laut Expertenmeinung die Nachfrage nach den Größen 6,4 und 8,6 GB das Angebot bei weitem übersteigen.

ÜBER DEN HAUFEN GEWORFEN

Der Lebenszyklus von Grafikkarten wird immer kürzer, immer schneller kommen neue Produkte auf den Markt. Der Kunde quittiert dies mit einer zunehmenden Kaufunlust. Intel zieht sich mit dem Boykott von PC133-SDRAMs wieder einmal den Unmut der Branche zu. Via hofft, daraus Kapital schlagen zu können. Zum Monatsende zerstört ein Erdbeben in Taiwan die Pläne von Komponentenanbietern und PC-Herstellern.

Als direkte Folge der Naturkatastrophe schnellen im <B>Oktober</B> die Preise für Speicher, Motherboards und CD-Roms rapide nach oben. Aufgrund des Erdbebens und den damit verbundenen Produktionseinbußen kann Via die Lücken in der Intel-Produktlinie jedoch nicht wie erhofft füllen. Der Preisanstieg verteuert PC-Systeme. Der geplante Sprung von 64 auf 128 MB Arbeitsspeicher entfällt.

Der stetige Preisverfall von Prozessoren ist zwar hilfreich, doch müssen die meisten PC-Integratoren Einsparungen in der Ausstattung vornehmen, um die bisherigen Preispunkte halten zu können. Viele PIII-Rechner müssen mit alten ZX-Boards ausgeliefert werden, da Hauptplatinen mit BX-Chipsatz schon seit Wochen unter Allokation stehen. Intel überrascht die Szene, indem das Unternehmen die Einführung des i820-Chipsatzes auf unbestimmte Zeit aussetzt. Als Grund werden technische Probleme beim Einsatz von drei Rambus-Modulen angeführt.

Rückkehr zur Normalität

Im <B>November</B> stoppt der Speicherpreis seinen Weg nach oben. Nachdem sich die Distribution die verfügbare Lagerware untereinander zugeschoben hat, bricht dieses Gebilde auseinander. Der Kunde will sich nicht an das Preishoch gewöhnen und ordert daher nur, wenn es nötig ist. Als dann die Chiphersteller überraschend den Preis leicht senken, können viele Anbieter ihr Speicherlager nicht mehr finanzieren.

Im <B>Dezember</B> kehrt zumindest vorübergehend Ruhe in den Speichermarkt ein. 64-MB-SDRAM kosten im Händler-EK rund 155 Mark. Festplatten und CD-Rom-Laufwerke sind - wie angekündigt - schlecht verfügbar. Laut IDC-Zahlen steigen die Umsätze mit CD-Drives weiter an. DVD wird in Europa nur zögerlich adaptiert. PIII-Chips mit 500 MHz sind dagegen sehr gefragt, aber schlecht zu bekommen. Mit der nächsten Preissenkung im Januar will Intel die 600er-Marke als neue Einsteigergröße etablieren. (kfr)

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