Konfrontation ohne Ende?

01.04.2004
Der Einkauf ist die letzte Instanz im Unternehmen - seine Bedürfnisse werden von den Unternehmensstrategen meist vernachlässigt. Dieser Fehler führt zwangsläufig zu Konfrontationen mit dem Vertrieb der Firma. Von Claus-Dieter Christoffel

Wer kennt sie nicht, die manchmal eher martialisch anmutenden Vorbereitungen auf Verhandlungen? Die Mittel zur maximalen Durchsetzung jeweiliger Interessen scheinen schier unerschöpflich zu sein. Doch werden dabei nicht Ziel und Zweck des eigentlichen Leistungsaustauschs übersehen?

Die Ursache liegt im Grunde in einer fast banal erscheinenden Problematik: Der Vertrieb will/muss verkaufen - der Einkauf will/darf nicht viel Geld ausgeben!

Die Überwindung dieser Problematik zeigt sich in unterschiedlichen Facetten, wobei die Entwicklung verkaufsfördernder Argumente oft eng an betriebswirtschaftliche (Mode-)Themen wie, Kosten-Nutzen-Optimierung, Investitionsschutz und - seit einiger Zeit - "wertorientiertes Vorgehen" gekoppelt ist, um Aktualität und Kompetenz zu dokumentieren - Themen als Ausdruck der Kundenorientierung und Annäherung an Bedarfsträger und, in letzter Instanz, Einkauf.

Letzte Instanz Einkauf

Kundenorientierung ist das Schlüsselwort für den Einstieg in annähernd jedes Kundengespräch - auch für den Einkauf?

Dieser Gesprächsansatz konzentriert sich doch in erster Linie auf die Belange und Erwartungen des Bedarfsträgers - eine Abteilung, ein Unternehmensbereich mit dem Ziel, den Kundenbedarf schnell zu ermitteln.

Der Einkauf fristet in dieser Phase eher ein Schattendasein: Er wird nur als vertragsabschließende Instanz wahrgenommen, die alles bis dahin Geregelte "nur noch" zu sanktionieren hat. Ganz im Sinne seiner Servicefunktion gegenüber dem Bedarfsträger, derer sich der Vertrieb gerne bedient.

Informationsdefizite

Aus einem Mangel an umfassenden Informationen über die Funktion Einkauf vernachlässigen die Vertriebsstrategien meist diese wichtige Funktion im Unternehmen. Das im Einkauf in der Tat bestehende Wertschöpfungspotenzial findet nicht selten kaum Beachtung.

Die Folge zu späten Einschaltens: Die eigentliche Auftragserfüllung des Einkauf wird durch eine Geschäftsbeziehung kompensiert. Produktbarrieren schützen nicht auf Dauer, wie der Mitbewerber immer wieder unter Beweis stellt. Der Aspekt des Kundenbindungsmanagements erlangt vor diesem Hintergrund eine weitere, nicht zu unterschätzende Facette für die Fortschreibung strategischer Vertriebsziele.

Weg aus dem Dilemma

Aus dem Zwang, Antworten auf veränderte Marktbedingungen zu finden und für beide Seiten ertragsoptimierte Geschäftsprozesse zu gestalten, resultiert die Erkenntnis, den Wandel auch auf den bisher wenig beachteten ständigen Überzeugungsprozess zu überlagern - intern wie extern. Damit sind auch Dissonanzen im Dialog zwischen Einkauf und Vertrieb vorprogrammiert und die Grundlagen für eine vermeintlich durch Konfrontation mit dem Vertrieb gekennzeichnete Beziehung geschaffen.

Neben der Erfüllung des einkäuferischen Zielkataloges ist der Handlungsrahmen des Einkaufs generell von Elementen des Risikomanagements und der Ausschöpfung von Potenzialen aus internen und externen Prozessketten geprägt.

Im Zentrum des Maßnahmenplans steht hier nicht nur eine umfassende Standardisierung von Produkten und Leistungen, sondern auch die Durchleuchtung der jeweiligen Wertschöpfungskette oder die Entwicklung von Konzepten im Zusammenhang mit Make-or-Buy-Entscheidungen. Last but not least werden ständig Verbesserungen von originären Einkaufsprozessen als ein weiterer Beitrag zur Optimierung der gesamten Kostensituation im Unternehmen vorangetrieben - so auch für Angebot und Verhandlung.

Kompetenz des Partners

Das Festhalten an Verhandlungsritualen verhindert jedoch nachhaltige Veränderungen. Innovationspotenzial und Kreativität - Merkmale, die oft genug als Unterscheidungskriterien gegenüber dem Mitbewerber angeführt werden -, finden kaum Eingang in eine durchaus sinnvolle Novellierung des bisherigen Angebots- und Verhandlungsverhaltens. Zu sehr sind Verhandlungsinhalte auf die Annahme in Angeboten enthaltener Konditionen ausgerichtet. Die Nachfrage, was der Kunde zu zahlen bereit oder in wirtschaftlich schwierigen Situationen zu zahlen in der Lage ist, bleibt außer Acht.

Gerade vor dem Hintergrund gewandelter Marktverhältnisse - Wechsel von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt - gewinnt der Vorteil, engagiert neue Wege einzuschlagen, enorme Bedeutung und liefert darüber hinaus "echtes" Interesse am Kunden, also Kundenorientierung.

Schrittmacher des Wandels

Möglichen Risiken, für den Vertrieb anvisierte Margen nicht erzielen zu können, wird durch die Chance begegnet, langfristig beständigere Gebiete zu etablieren, besser noch: aktiv zu werden, um selber Schrittmacher des Wandels zu werden.

In der Überleitung zu den klassischen Produktionsfaktoren Beschaffung, Produktion und Absatz ist es somit zwingend, die unbestrittene Bedeutung des Einkaufs als kompetentes Bindeglied zwischen den Marktteilnehmern im Innen- und Außenverhältnis anzuerkennen und zu akzeptieren. Dies sollte über die reine Funktion der Bewertung von Produkt und Leistung hinausgehen.

Umfassende Kundenorientierung, im Spiegelbild von Kundennutzen und Mehrwert verstanden, bildet die Initialzündung für ein erfolgreiches Zusammenwirken.

Einkauf und Vertrieb - Konfrontation ohne Ende? Nein! Ein aktiver und konstruktiver Dialog schafft die Ausgangslage für eine echte Win-Win-Situation.

Steckbrief

Claus-Dieter Christoffel

Claus-Dieter Christoffel ist Diplom-Betriebswirt und heute als Managementberater und Coach in München tätig. Seine Erfahrungen sammelte er in langjähriger Führungsverantwortung, mehrheitlich in den Segmenten Einkauf, Beschaffung und Controlling, innerhalb verschiedener Konzerne in den Branchen Transport und Verkehr, Privatisierung sowie Elektronik.

Kontakt und Informationen: www.procureconsult.de

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