Kongreß: Der UE-Handel will bei der PC-Vermarktung die Schlagzahl erhöhen

05.09.1997
FRANKFURT: Aufgrund sinkender Umsätze greift der Unterhaltungs-elektronik-Fachhandel nach jedem Strohhalm, der sich bietet. Einen solchen Griff zum Festhalten glaubt er im Einstieg in den PC-Vertrieb gefunden zu haben. Bisher liegt der Anteil des UE-Fachhandels an der Consumer-PC-Vermarktung in Deutschland noch bei etwa fünf Prozent. Dabei soll es aber nach dem Willen führender UE-Strategen nicht bleiben. Der PC-Fachhandel mit Zielgruppe Privatanwender droht zwischen die Mühlsteine von UE-Fachhandel und Großflächenvermarkter zu geraten.Am Programm kann es nicht gelegen haben, daß am 23. und 24. April nur zwei lebende Händler an der "1. Handelsjournal-Fachkonferenz für den Consumer Electronic-Handel" teilnahmen. Denn unter dem Dachthema "Strategien und neue Impulse für den Unterhaltungselektronik-, Computer- und Telekommunikationshandel der Zukunft" sollten unter anderem folgende Fragen abgearbeitet werden:

FRANKFURT: Aufgrund sinkender Umsätze greift der Unterhaltungs-elektronik-Fachhandel nach jedem Strohhalm, der sich bietet. Einen solchen Griff zum Festhalten glaubt er im Einstieg in den PC-Vertrieb gefunden zu haben. Bisher liegt der Anteil des UE-Fachhandels an der Consumer-PC-Vermarktung in Deutschland noch bei etwa fünf Prozent. Dabei soll es aber nach dem Willen führender UE-Strategen nicht bleiben. Der PC-Fachhandel mit Zielgruppe Privatanwender droht zwischen die Mühlsteine von UE-Fachhandel und Großflächenvermarkter zu geraten.Am Programm kann es nicht gelegen haben, daß am 23. und 24. April nur zwei lebende Händler an der "1. Handelsjournal-Fachkonferenz für den Consumer Electronic-Handel" teilnahmen. Denn unter dem Dachthema "Strategien und neue Impulse für den Unterhaltungselektronik-, Computer- und Telekommunikationshandel der Zukunft" sollten unter anderem folgende Fragen abgearbeitet werden:

- Wie werden die Rahmenbedingungen für den Consumer Electronic-Fachhandel aussehen?

- Wie bereitet sich der UE- und Computerhandel auf den Wettbewerb der Zukunft vor?

- Wie wird sich das Zusamenwachsen der Consumer Electronic-Branchen entwickeln?

Auch die Referenten waren hochkarätig genug, um ihrer Funktion als Lockmittel gerecht zu werden. An der Spitze Vorzeigeunternehmer Lars Windhorst, Buchautor Erich J. Lejeune und Media-Saturn-Chef Walter Gunz.

Daß dennoch nur zwei Fachhändler - oder hatte sich tatsächlich noch ein dritter eingefunden? - und insgesamt keine 50 zahlenden Teilnehmer zu dieser Veranstaltung nach Frankfurt reisen wollten, lag sicherlich zu einem großen Teil an der saftigen Teilnahmegebühr. Schlappe 2.295 Mark zuzüglich Mehrwertsteuer mußten die Interessenten auf den Tisch des Hauses legen. Hotel- und Reisekosten kamen natürlich noch hinzu. Und zwei Tage nicht im Betrieb. Klar, daß der Fachhandel unter solchen Voraussetzungen mit dem Ausdruck des Bedauerns auf eine Teilnahme verzichten mußte.

Was bei einem Teil der Referenten wiederum gar nicht gut ankam. "Ich hatte mich eigentlich auf einen Kongreß FÜR den Handel vorbereitet und muß nun feststellen, daß es ein Kongreß ÜBER den Handel ist", kommentierte ein ziemlich verärgerter Jürgen Schöttner, bei Microsoft für den Retail-Kanal verantwortlich und als Referent eingeladen, die Lage.

Auf dieser Konferenz wurde viel über Multimedia gesprochen. Eigentlich überraschend, denn nachdem "Multimedia" 1995 von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Mannheim noch zum Wort des Jahres gekürt worden war, fiel die Popularität des Wortes Multimedia im letzten Jahr so schnell nach unten wie derzeit die Preise für Fernsehgeräte. Inzwischen werden sogar wieder Studien über den Multimedia-Markt erstellt. Im Kern ging es auf diesem Kongreß um eine Frage: Welche Rolle wird der UE-Handel im PC-Vertrieb spielen? Wenig überraschend die Stellungnahmen der angereisten Geschäftsführer der beiden UE-Kooperationen Interfunk und Ruefach, Werner Winkelmann und Dr. Karl-Bernhard Hillen, die beide stark auf ihre Mitgliedsfirmen einwirken, sich dieser Thematik anzunehmen (vgl. dazu auch unsere Berichterstattung in ComputerPartner Nr. 7/97, Seite 28).

Als Interfunk-Chef Winkelmann seine These aus dem Jahre 1995 wiederholte, daß seiner Überzeugung nach die UE-Händler mittelfristig 40 Prozent ihrer Umsätze mit PCs und PC-Produkten erwirtschaften, glaubten einige Experten zunächst, falsch gehört zu haben, mußten sich aber dann eines Besseren belehren lasssen. Leider vergaß Winkelmann, hier eine Jahreszahl zu nennen. Insgesamt liegt der Außenumsatz, den die Interfunk-Mitglieder 1996 mit PCs erzielt haben, bei 120 bis 150 Millionen Mark - als bei etwa vier, fünf Prozent desAußenumsatzes der Interfunk-Firmen von drei Milliarden Mark (und liegt damit in etwa auf dem Niveau, das der UE-Handel insgesamt in bezug auf den prozentualen Vermarktungsanteil im PC-Markt hält). Mit derzeit etwa 150 Mitgliedsfirmen, die den Einstieg in die PC-Vermarktung wagten, ist Winkelmann auch noch weit von seiner Zielvorstellung entfernt, daß jeder zweite der heute knapp 1.200 Interfunk-Mitgliedsfirmen dieses Geschäftsfeld bearbeiten.

Von der Substanz her sind eigentlich nur drei Kongreß-Vorträge herauszustellen: nämlich der des Fachhandelsunternehmens Michael Schidlack aus Höxter sowie die von Michael Niehues (Compaq) und Jürgen Schöttner (Microsoft).

Am interessantesten war sicherlich das Referat des einzigen lebenden Händlers, der auf diesem Kongreß als Redner teilnahm (der PC-Handel fehlte völlig, lediglich Comteam-Manager K. Seidel war aus Lilienthal angereist). Michael Schidlack, Geschäftsführer des UE-Fachhandelsunternehmens Expert Schidlack & Sohn GmbH in Höxter, schilderte anschaulich, aus welchen Gründen er sich für die Vermarktung von PCs und PC-Produkten entschlossen hatte und welche Erfahrungen er bisher damit gemacht hat.

"Ein sehr hoher Anteil der Personen, die in unseren Laden kommen, ist jünger als 35 Jahre. Da sind wir sehr gut beraten, wenn wir uns darum kümmern, was sie interessiert", sagte Schidlack und nennt damit den wichtigsten Grund für seine Entscheidung, in das PC-Geschäft einzusteigen. Für ihn ist der PC im Moment jedenfalls in erster Linie ein Instrument zur Kundenbindung, weniger um Geld zu verdienen. Dafür nimmt er in Kauf, daß die PC-Abteilung in seinem rund 600 Quadratmeter großen Geschäft zur Zeit noch ein "Loss Center" ist. Ob es sich jemals zum "Profit Center" mausern wird, ist derzeit noch offen. Schidlack ist nach eigenem Bekunden schon froh, daß er einen Weg gefunden hat, das PC-Geschäft "einigermaßen kostendeckend zu betreiben".

Der ostwestfälische Fachhandelsunternehmer ist davon überzeugt, daß der UE-Fachhandel insgesamt gar keine andere Wahl hat, als die Rechenknechte in sein Kernsortiment aufzu nehmen: "Ein UE-Händler, der nicht in das PC-Geschäft investiert, wird in Zukunft kein Fachgeschäft mehr haben", lautet seine Doktrin. Darüber darf man sicherlich geteilter Meinung sein. Ebenso wie über Schidlacks Auffassung, daß sich die Zeit der Spezialisten dem Ende zuneigt. Nach seiner Auffassung werden in Zukunft sowohl auf Handelsebene als auch auf seiten der Industrie nur noch Vollsortimenter gute Wachstums-chancen haben. Schidlack: "Reine Unterhaltungselektronik-Anbieter werden ebenso Probleme bekommen wie reine Computeranbieter."

Michael Niehues, Vertriebsleiter Consumer Products bei Compaq in Dornach, hatte einige interessante Zahlen mit nach Frankfurt gebracht, aus denen sich ein zunehmender Anteil "alternativer" Handelsformen am PC-Vertrieb im Consumersegment dokumentieren. In den Monaten 12/96 und 1/97 konnten im Vergleich zu den entsprechenden Monaten des Vorjahres die sogenannten Consumer Electronic Stores (CES) wie zum Beispiel Media-Markt, Pro Markt, Saturn, Schauland etc. ihren Marktanteil von zwölf auf 21,6 Prozent ausweiten (vgl. Grafik). Das Ergebnis einer Absatzverdoppelung! Auch die Mass Merchandiser (Handelshäuser, Versender und Cash+Carry-Märkte) sowie sogar die Office Equipment Retailer (zum Beispiel Kaut Bullinger, Bethge + Strutz, Schulz Bürozentrum) konnten aufgrund recht ordentlicher Absatzsteigerungen ihren Marktanteil ausbauen beziehungsweise festigen. Klarer und großer Verlierer in diesem Segment: die Computershops! Ihr Marktanteil ging in dem genannten Zeitraum aufgrund eines Absatzrückgangs um fast fünf Prozent von 65,2 auf 53,8 Prozent zurück. Tendenz: weiterhin fallend.

"Die Media- und Pro-Märkte dieser Welt sind derzeit die Gewinner im Consumer-PC-Vertrieb", sagt Niehues. Beim klassischen UE-Fachhandel sieht der Compaq-Manager allerdings noch erheblichen Nachrüstbedarf hinsichtlicher der PC-Vermarktung. "Wenn man diese Fachhändler nach Konzepten für den PC-Vertrieb fragt, kommt allzu häufig nur heiße Luft", kritisiert Niehues.

Jürgen Schöttner, Retail Sales Manager Deutschland bei Microsoft in Unterschleißheim, bestätigt den Trend hin zur Großfläche. "Microsoft macht - wenn man das Großkundenlizenzgeschäft nicht berücksichtigt - in diesem Geschäftsjahr zum ersten Mal den größten Umsatz im Retail-Kanal", erklärt er. Neben der Großfläche gewinnt für Microsoft auch das Warenhaus und der Buchhandel an Bedeutung. Der UE-Handel spielt gegenwärtig noch eine verschwindend geringe Rolle. Dies könnte sich aber ändern, wenn hier Verbesserungen stattfinden vor allem in puncto Tiefe des Sortiments, Verfügbarkeit der Produkte sowie Erlebbarkeit der Ware.

Fazit der Veranstaltung: Durch das massive Auftreten der Großflächenvermarkter sowie der Entdeckung des PC-Geschäfts durch den klassischen UE-Fachhandel wird sich die Lage für den privatkundenorientierten PC-Fachhandel weiter verschärfen. Denn bisher wächst der Markt nicht in gleichem Maße mit wie die neuen Wettbewerber auftauchen. Das heißt: Es sitzen einige hungrige Mäuler mehr am Tisch. "Wir befinden uns", macht sich Ruefach-Chef Hillen keine Illusion, "in einem Verdrängungswettbewerb." (sic)

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