Konsequenzen nach den US-Anschlägen: Sicherheit ist erstes Gebot

20.09.2001
Die schrecklichen Attentate der vergangenen Woche haben nicht nur die Menschen sondern auch die Unternehmen der IT-Branche zunächst einmal in Schock versetzt. Doch werden auch immer öfter Fragen nach dem wirtschaftlichen Schaden und nach den nun nötigen Sicherheitsvorkehrungen laut.

Der persönliche Verlust, den zigtausend Menschen er-litten haben, ist in Zahlen nicht auszudrücken, doch der materielle Schaden schon. Dies wird wahrscheinlich die kostspieligste von Menschen verursachte Katastrophe seit Menschenge-denken", resümiert ein Mitarbeiter einer deutschen Versicherungs-gesellschaft. Er scheint Recht zu behalten. Allein der Zusammen-bruch der Twin Towers wird von Experten mit Kosten von rund fünf Milliarden Dollar belegt. Insge-samt rechnen Analysten damit, dass die Folgen der terroristischen Anschläge zwischen 10 und 40 Milliarden Dollar kosten werden.

Die Firmen der IT-Branche sind inzwischen weitgehend wieder dazu übergegangen, "Business as usual" zu betreiben. Schon einen Tag nach dem Anschlag ermahnte Oracle-Boss Larry Ellison sein Team, sich trotz der großen Trauer um acht seiner Mitarbeiter nicht von der Terroristen unter Druck setzen zu lassen: "Wir können und dürfen nicht schließen." Dennoch hat nicht nur Oracle die Sicher-heitsmaßnahmen in seinen Gebäu-den auf der ganzen Welt massiv erhöht, sondern auch Firmen wie Hewlett-Packard, Sun Microsys-tems, Lucent, IBM oder Intel. Toshiba beispielsweise hat seinen Mitarbeitern für die nächste Zeit Flugverbot erteilt.

Wirtschaft geht durch den Terror nicht in die Knie

Wie sich der Terroranschlag und die Reaktion darauf wirtschaftlich auf die ITK-Branche auswirken, ist im Moment noch nicht abzuschät-zen (siehe auch Kasten). Viele Firmen sind noch zu sehr er-schüttert. "Als deutsche Nieder-lassung eines amerikanischen Un-ternehmens stellt sich uns heute nicht die Frage nach wirtschaft-lichen Vor- und Nachteilen, die sich möglicherweise dadurch für uns und den internationalen Soft-waremarkt ergeben. Vorrang hat für uns, wie wir als Menschen denken", winkt Symantec-Ge-schäftsführer Hans-Günther Bro-sius ab.

Allgemein malen die Wirtschafts-analysten derzeit ein düsteres Bild. Die Anschläge seien der Anfang einer Rezession, heißt es immer wieder aus Expertenkreisen. Rob Enderle, Analyst bei der Giga Information Group, rechnet damit, dass einigen Firmen das Aus bevorsteht. Beispielsweise könne er sich vorstellen, sagte er gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", dass Gateway den Betrieb einstelle. Toshiba könnte Probleme be-kommen, weil Enderles Ansicht nach die Nachfrage nach Note-books extrem einbrechen dürfte. NEC, so der Analyst, wird mög-licherweise in den USA "dicht machen". Wiliam Malik, Analyst bei Gartner, ist da anderer Meinung: "Die IT-Branche wird vermutlich weniger als andere unter den Folgen des Unglücks leiden, denn sie ist widerstandsfähiger", erklärt er. Auch Bruno Rücker, CEO von Openshop, ist optimistisch: "Na-türlich ist es schwer eine Schätzung der wirtschaftlichen Folgen abzu-geben. Doch die Wirtschaft wird durch die Terrorakte nicht in die Knie gehen und die Börse wird sich wieder erholen. Obwohl mit New York auch einer der IT-Knoten-punkte getroffen wurde, glaube ich nicht, dass die Anschläge zu einer signifikanten Konjunkturdelle füh-ren werden. Und ich hoffe, dass der Trotz der Menschen groß genug ist, um zu sagen: Davon lassen wir uns nicht beeinflussen."

Das begehrteste Gut am Tag des Anschlags und auch in der darauf folgenden Zeit waren wohl Tele-fonverbindungen. Der Mobilfunk-betreiber Verizon verzeichnete 50 bis 100 Prozent mehr Verkehr in seinem Netzwerk als an normalen Tagen. Das Unternehmen hatte selbst Büros mit rund 480 Mitarbeitern im nördlichen Turm des World Trade Center, die alle gerettet werden konnten. Im Moment sind bei Verizon zehn Basisstationen außer Betrieb. Mit dem WTC wurden auch einige Festnetzstationen - Anschluss-punkte für Verizon - zerstört.

Die Telefongesellschaft AT&T ver-meldete am Katastrophentag mit 431 Millionen Gesprächen so viele wie noch niemals zuvor an einem Tag. British Telecom zählte von 15 bis 16 Uhr eine Million Anrufe allein nach New York und Wa-shington. Die Deutsche Telekom beobachtete innerhalb einer Viertelstunde 425.000 Gesprächs-versuche - normalerweise seien es nur etwa 20.000 Anrufe.

Auch das Internet wurde durch den Anschlag auf eine harte Probe gestellt. Die meisten Nachrichtenseiten gingen aufgrund des massiven Informationsbedarfs in die Knie. Doch trotz langer Lade-zeiten seien laut einer Analyse von Gartner keinerlei Ausfälle bei E-Mails und Instant-Messaging-Diensten zu beobachten gewesen - auch nicht in den USA. Dies aller-dings, so die Analysten, habe auch daran gelegen, dass der zentrale Internet-Knotenpunkt in Manhat-tan etwa einen Kilometer vom WTC gelegen sei. Etwa ein Fünftel des weltweiten Datenverkehrs laufe über diese Einrichtung.

Das Internet ist allerdings auch ein Sicherheits-Schwachpunkt. Das FBI warnt US-Administratoren von landesweiten Unternehmens-netzwerken, sich gegen Online-Attacken zu schützen. Sicherheits-Dienstleiter raten dazu, alle nicht unbedingt nötigen Verbindungen zum Internet zu kappen. Unter-nehmen sollten verstärkt die Log-Files und ihre Systemprozesse überwachen. Für Analysten ist IT-Sicherheit einer der Bereiche, die durch die veränderte Situation mehr Nachfrage zu erwarten haben. (gn)

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