Kontrollverlust im Internet

11.06.2004
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (www.wettbewerbszentrale.de) beklagt eine massive Zunahme von Beschwerden über Rechtsverstöße im Internet. Im vergangenen Jahr hat die Selbstkontrollorganisation der Wirtschaft 3.247 Fälle aufgegriffen. Von ComputerPartner-Redakteurin Marzena Fiok

Die Fälle, in denen Handels- und Dienstleistungsangebote im Internet nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprachen, haben einen Anteil am Gesamtarbeitsaufkommen von mittlerweile 17 Prozent erreicht. "Dieser Trend setzt sich im laufenden Jahr ungebrochen fort", berichtete Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, am Rande der diesjährigen Jahrestagung des Verbandes in Nürnberg.

Dem Verbraucher werden Rechte verschwiegen

Gerade die ständig wachsende Beliebtheit von Versteigerungsplattformen wie Ebay, auf denen sich jeder Nutzer als Internethändler beziehungsweise -auktionator betätigen kann, habe zu einer drastischen Zunahme der Beschwerden geführt. "Wir haben festgestellt, dass sich viele gewerbliche Anbieter im Internet nicht als solche zu erkennen geben. Sie treten vielmehr als private Anbieter auf", so Münker. Oftmals haben derartige Anbieter nicht einmal ihren Namen und ihre Anschrift im Internet angegeben. Der Verbraucher steht dann schutzlos da. "Auf diese Weise wird versucht, die gesetzlichen Rechte der Verbraucher zu verkürzen oder ganz zu verschweigen." Die konkurrierenden Gewerbetreibenden beobachten dies mit Argusaugen. Tagtägliche Beschwerden von Mitbewerbern sind die Folge.

Informationspflichten bewusst missachtet

Münker berichtete über zahlreiche Fälle, in denen zum Teil ganz bewusst die Widerrufs-, Rückgabe- und Gewährleistungsrechte der Verbraucher missachtet werden. So hatte etwa ein Autohaus seine Kunden im Internet beim Abschluss eines Darlehensvertrages ordnungsgemäß auf ihr zweiwöchiges Widerrufsrecht aufmerksam gemacht, jedoch sollten die Kunden für den Fall des Widerrufs zehn Prozent des Autokaufpreises als Schadensersatz an das Autohaus leisten. Das Gesetz gewährt dem Verbraucher aber ein kostenloses Widerrufsrecht.

Insgesamt hat die Wettbewerbszentrale im vergangenen Jahr 18.807 Beschwerdefälle bearbeitet. Der Hauptteil der Beschwerden richtet sich mit einem Anteil von 45 Prozent auf Verstöße gegen die guten Sitten im Wettbewerb (Verstöße im Zusammenhang mit Gewinnspielen, vergleichende Werbung, Heilmittelwerbung, Ordnungsvorschriften, belästigende Werbung, Informationspflichten et cetera). Die Beschwerden über unzulässige Rabattaktionen im Einzelhandel sind bereits im Vorfeld der noch für dieses Jahr zu erwartenden gesetzlichen Liberalisierung deutlich um über 40 Prozent auf 4.289 Fälle zurückgegangen. Dagegen sind die Beschwerden über irreführende Werbung um drei Prozent gestiegen auf insgesamt über 3.000 Einzelfälle. In diesem Bereich waren allein 1.080 Fälle mit irreführenden Preisangaben festzustellen. Der Anteil der Beschwerden über belästigende Werbeformen wie Telefax-, Telefon- und E-Mail-Werbung ist leicht gestiegen auf nunmehr knapp zehn Prozent der Gesamtfälle.

Gerichtsverfahren werden zunehmen

Nach wie vor kann der weitaus überwiegende Teil der Wettbewerbsstreitigkeiten außergerichtlich beigelegt werden. Dennoch musste die Wettbewerbszentrale im Jahr 2003 627 Gerichtsverfahren einleiten. "Wir rechnen allerdings für das laufende und das kommende Jahr wieder mit einem Anstieg der Gerichtsverfahren", sagte Münker. "Durch die in der zweiten Jahreshälfte in Kraft tretende UWG-Reform wird es zu zahlreichen neuen Rechts- und Abgrenzungsfragen kommen, die von den Gerichten geklärt werden müssen. Rechtssicherheit in Bezug auf die neuen Vorschriften wird sich erst nach und nach einstellen."

Harmonisierung in Europa nicht in Sicht

Sorge bereiten Münker die vielfachen Regulierungen des Wettbewerbs auf europäischer Ebene. Die Wettbewerbszentrale habe sich stets für eine europäische Harmonisierung des Wettbewerbsrechts ausgesprochen. Dabei müsse Rechtsklarheit und -vereinfachung für die Wirtschaft wie für die Verbraucher vorrangiges Ziel sein. Die EU-Kommission sei derzeit aber auf dem Weg zu einer "Vervielfachung der Vorschriften und zu mehr Dirigismus".

Auch die geplante Rahmenrichtlinie über unlautere Geschäftspraktiken erreiche nicht das von der Kommission selbst gesteckte Ziel der Harmonisierung und Vereinfachung. Münker kritisierte, dass die Kommission hier allein auf den Verbraucherschutz abstellt, den ebenso wichtigen Schutz der Mitbewerber vor unlauteren Geschäftspraktiken aber unter den Tisch fallen lasse. Künftig müssten die Unternehmen daher ein teilharmonisiertes Verbraucher-UWG beachten sowie ein nicht harmonisiertes UWG für Unternehmer. "Dies trägt wahrlich nicht zur Rechtsvereinfachung im Binnenmarkt bei", so Münker.

Meinung der Redakteurin

Nicht nur die Kunden, sondern auch die Mitbewerber werden zum Opfer, wenn Gewerbetreibende das Internet als rechtsfreien Raum betrachten. Leider ist die Gesetzeslage in Bezug auf diese Handelsplattform noch so verwirrend, dass auch Firmen, die nur Gutes im Sinn haben, in juristische Fallen tappen können. Daher empfiehlt es sich, auf jeden Fall den Rat eines Fachanwalts einzuholen.

Zur Startseite