Konvergenz ja - aber bitte in kleinen Häppchen

13.01.2005
Konvergenz und Heimvernetzung gehören zu den großen Themen, die die IT- und die CE-Branche derzeit stark bewegen. Über Potenzial, Bedürfnisse der Endkunden und die langfristige Entwicklung dieses noch jungen Segments diskutierten in einer gemeinsam von ComputerPartner und Actebis Peacock initiierten Open-Talk-Runde Händler, Dienstleister und Hersteller.

ComputerPartner: Zwei Punkte stehen beim Thema Konvergenz im Vordergrund: die Bedürfnisse des Endkunden und das sich daraus ergebende Potenzial für Handel und Hersteller. Herr Groten, Sie gelten im IT-Markt als einer der überzeugten Verfechter des Konvergenz-Themas. Ihr Haus ist voll digitalisiert. Was war Ihr Antriebsmotor - warum beschäftigt Sie das Thema beruflich und privat?

Tobias Groten: Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ich gehe davon aus, dass hier jeder von Ihnen einen Hausschlüssel dabeihat. Ich habe keinen, denn ich fände es lästig, jedes Mal den Schlüsselbund suchen zu müssen. Bei mir öffnet das Handy die Garagen- und die Haustür; es erkennt das Haus automatisch. Stichwort: Bluetooth. Das ist praktisch, aber Bedürfnisse schaffen Sie damit nicht. Man muss den Gedanken erst transportieren; den Verbrauchern zeigen, was funktioniert. Tobit hat bereits einige vernetzte Häuser gebaut, die so funktionieren wie meines, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren, was möglich ist.

Jörn Taubert: Als Hersteller dürfen wir einen Fehler nicht machen: dem Endkunden die Gesamtlösung vor die Tür stellen. Das ist zu viel für ihn. Wir müssen das Thema zerteilen: in verständliche, mit Mehrwert ausgestatte Bereiche. Vernetzung oder Home-Server kann man mit einer Zentralheizung vergleichen: Früher konnte man es auch nicht in jedem Raum gleich warm haben, sondern musste mehrere Feuer entfachen. Im übertragenen Sinn gleichen sich hier Home-Server und Zentralheizung. Es geht darum, Content auf bestimmte Devices der Unterhaltungselektronik oder des Desktops zu verteilen. Und hier gilt es, Nachfrage zu wecken, indem wir dem Kunden die Vorteile der Anwendung erklären.

Luc Graré: Zuerst müssen wir beim Verbraucher Vertrauen in die neue Technologie aufbauen. Nehmen Sie zum Beispiel den Fernseher: Es ist eine Kiste, die immer funktioniert. Wenn sie nicht mehr funktioniert, ist sie kaputt und muss ausgetauscht werden. Ersetze ich den Fernseher durch einen PC mit der notwendigen Ausstattung, kann er abstürzen oder von Viren befallen werden. Dass der Kunde der neuen Technologie auch vertraut - wie seinem Fernseher -, wird nicht einfach.

ComputerPartner: Herr Heithecker, welche Probleme sehen Sie als Vertreter der Messe Berlin beim Thema Konvergenz?

Jens Heithecker: Wichtige Stichworte sind in jedem Fall Mehrwert, Investitionsbereitschaft, Vertrauen des Endkunden und Sicherheit. Begriffe wie "vernetztes Haus" oder "Konvergenz" verunsichern den Verbraucher. Oder nehmen Sie die Formel "Verschmelzung von IT-, TK- und UE-Produkten". Das macht dem normalen Kunden nur Angst. Denn kein Mensch weiß, was hier eigentlich verschmilzt. Außerdem bietet das Verschmelzen von Produktbereichen keinen Mehrwert oder Nutzen. Wir sollten erst einmal bei den Begriffen anfangen und "Konvergenz" durch "Multifunktionalität von vernetzten Geräten" ersetzen. Denn ich kaufe kein fotografierendes Handy, sondern ein Handy mit der Foto-Zusatzfunktion.

Günther Ohland: Das Problem ist, wir können den Kunden nicht fragen, was er eigentlich will. Hätten wir vor 20 Jahren die Leute gefragt, ob sie SMS nutzen würden, hätte keiner gewusst, was er damit soll. Der Kühlschrank, der irgendwas selbstständig nachbestellt, ist eine Hotelanwendung - Stichwort: Mini-Bar -, keine Heimanwendung. Es gibt keine einheit- lichen Begriffe wie Smart-Home, E-Home oder vernetztes Haus, die der Kunde versteht. Damit ist es auch schwer, Informationen wie den Nutzwert oder technologische Neuheiten zum Kunden zu transportieren.

Andreas Bortoli: Was man auch nicht vergessen darf, ist, dass Microsoft für die Vermarktung seines XP-Media-Centers Millionen und Abermillionen in den Markt pumpt. Das heißt, das Media-Center der Gates-Company wird kommen, ob wir wollen oder nicht. Und hier muss die Industrie sehen, dass sie eine Antwort auf das Microsoft-Produkt findet.

ComputerPartner: In einer aktuellen "Stern"-Umfrage heißt es, dass sich 25 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren für einen Media-Center-PC interessieren. Das heißt, der Nutzen eines zentralen Datenspeichers für Filme, Bilder, Musik und so weiter ist durchaus beim Kunden vorhanden. Nur der nächste Schritt - wie bekomme ich das in meinem Wohn- oder Arbeitszimmer auch gebacken - ist noch nicht beantwortet. Herr Taubert, Sony bietet mittlerweile sowohl UE- als auch IT-Produkte an. Von welchem Industriezweig - UE oder IT - werden die nächsten, wichtigen Impulse ausgehen?

Jörn Taubert: Chancen sehen wir sowohl für die UE- als auch für die IT-Branche. Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass wir im TV-Bereich 98 Prozent Haushaltspenetration haben. Dabei steht dieser Fernseher im Wohnzimmer, der PC typischerweise im Arbeitszimmer. Damit muss zuerst mal die Verbindung zwischen dem PC als Datenspeicher und der Bedienungseinheit Fernseher im Wohnzimmer hergestellt werden.

ComputerPartner: Und wie funktioniert das?

Jörn Taubert: Sony bietet zum Beispiel einen Network Media Receiver an, eine kleine Box, die ich über WLAN mit dem PC verbinden kann. Außerdem hat sie bestimmte Anschlüsse für Fernseher oder Stereoanlage. Das heißt, die Daten habe ich auf meinem PC, die dann per WLAN auf die entsprechenden Endgeräte verteilt werden. Einziger Nachteil: Es handelt sich um ein proprietäres Sony-System, das bestimmte Komponenten am Desktop benötigt, damit die Box mit dem PC kommunizieren kann. Das ändern wir aber gerade.

ComputerPartner: Gehen wir jetzt mal auf die Bedürfnisse des Handels ein. Die Versprechungen der Industrie zum Thema Konvergenz sind groß - technologisch und was das Potenzial an der Endkundenfront angeht. Herr Beck, ist die Strategie der Hersteller für Sie derzeit überhaupt nachvollziehbar?

Mark-Oliver Beck: Die meisten Produkte, die die Hersteller anpreisen, laufen über die großen Retail-Ketten. Für einfache Soho-Produkte geht der Kunde zu Media Markt & Co. Wenn ich dem Kunden aber eine umfassende Lösung - zum Beispiel einen Datenspeicher für seine Hausinformationen - verkaufen könnte, was ich derzeit noch nicht kann, lasse ich mich gerne eines Besseren belehren. Aber für uns macht es keinen Sinn, eine Sony-Box ohne Beratung und Dienstleistung zu verkaufen. Das ist unsere Problematik.

ComputerPartner: Herr Heithecker, die Messe E-Home versucht ja langfristig, Hersteller aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen: die UE-Branche, Hersteller von Sicherheits- und Haustechnik sowie Anbieter von weißer Ware. Wie läuft das denn auf der Messe - reden die Hersteller auch darüber, was man zusammen machen könnte?

Jens Heithecker: Das ist eine der Hauptfunktionen der E-Home: eine Kommunikationsplattform für potenzielle Partner zu schaffen. Dennoch reden wir hier von extrem fragmentierten Märkten. Und wenn wir darüber reden, dass der Handel an das Thema herangehen möchte, frage ich: Wo ist der Handel eigentlich? Wir haben für die E-Home in Berlin viele Aktionen gestartet, aber der Handel ist in der Masse eher zurückhaltend. Die Hersteller dagegen müssen auch vermarktungsfähige Produkte anbieten, die der Handel versteht und dann aufgreifen kann. Wenn ein Bill Gates mit dem üblichen Windows-Prinzip in diesen Markt einsteigen will, dann herzlich willkommen! Das wird für den Handel die helle Freude.

Luc Graré: Digitalkameras haben bereits einiges ins Rollen gebracht. Hier konnte der Verbraucher auf einen Blick die Vorteile erkennen. Über die digitale Kamera, die meistens die ganze Familie nutzt, kommen dann nach und nach die Zusatzgeräte ins Haus: ein besserer Drucker, ein neuer PC mit mehr Speicherkapazität, ein größerer Monitor mit besserer Auflösung.

ComputerPartner: Und wie könnte der nächste Schritt ausehen?

Luc Graré: Das wird wahrscheinlich die entsprechende Software für die Bildbearbeitung sein. Das könnte der nächste Boom werden. Erst danach kommt das Thema Vernetzung oder ein Media-Center-PC ins Spiel.

Bärbel Schmidt: Ich kann dazu ein praktisches Beispiel anführen. Wie Sie wissen, bin ich vor einigen Monaten nach Soest gezogen. Ich wollte das komplette Haus mit WLAN ausstatten, um überall mit Firmenanbindung arbeiten zu können. Firmenanbindung heißt natürlich höchste Sicherheit. Und glauben Sie mir, das war für die Spezialisten schon sehr schwierig zu installieren. Wenn ich mir jetzt vorstelle, Sie kaufen sich ein WLAN-Produkt bei Aldi, dann können Sie gleich aus dem Fenster springen.

Thorsten Roos: Warum soll denn alles immer so einfach funktionieren? Die Marge, die wir mit den Geräten verdienen, ist nicht mehr so dicke. Wir verdienen an den Serviceleistungen, die wir um die Geräte anbieten. Frau Schmidt, ich hätte bei Ihnen gerne WLAN installiert, und ich hätte es perfekt gemacht. Ich freue mich über jeden Kunden, der die Installation nicht hinbekommt, denn sonst wären wir überflüssig. Nur hier hat der Handel noch die Möglichkeit, sich gegenüber dem Kunden zu profilieren.

ComputerPartner: Wie schaffen Sie es aber, dass der Kunde auch anerkennt, welche Leistung Sie erbringen, und dafür dann auch bereit ist zu zahlen?

Thorsten Roos: Die beste Werbung sind immer noch zufriedene Kunden, die mein Unternehmen und seine Leistungen weiterempfehlen. Außerdem verkaufe ich nur Produkte, bei denen ich auch entsprechende Dienstleistungen anbieten kann, sonst macht das für mich keinen Sinn, wenn ich den Kunden mit seiner Neuerwerbung letztendlich alleine dastehen lasse.

Günther Ohland: Wenn Sie zum Beispiel Radio- und Fernsehhändler sind, den jeweiligen Kunden beraten und das Gerät zu Hause aufgestellt haben, haben Sie bereits einen Zugang zu diesem Kunden. Dann haben Sie weiter die Chance, ihm auch ganz andere Geräte zu verkaufen. Wenn man aber als Händler keine Ahnung von weißer Ware oder IT-Produkten hat, muss man eben mit Kollegen kooperieren. Dafür gibt es bereits gute Beispiele: In Nürnberg gibt es eine ganze Gruppe von Händlern aus verschiedenen Bereichen, die zusammenarbeiten. Wer immer den Auftrag bekommt, wickelt ihn verantwortlich ab und schreibt die Rechnung für den Kunden. Mit seinen Kollegen rechnet er später zum vereinbarten Stundensatz ab. Der Endkunde hat damit einen Partner, der die Planungsverantwortung übernimmt und abrechnet, obwohl bei ihm auch ganz andere Unternehmen zum Einsatz kommen.

ComputerPartner: Für die Händler wäre es gut, wenn sie mit einem Lieferanten arbeiten könnten, von dem sie komplette Lösungen beziehen können. Wie sieht es dazu bei Actebis aus - denken Sie bereits darüber nach, mit anderen Branchen zu kooperieren?

Bärbel Schmidt: Ja, das tun wir. Wir haben Mitarbeiter mit Know-how aus den verschiedensten Branchen eingestellt. Außerdem verhandeln wir mit anderen Unternehmen über Allianzen, um hier weiter zu kommen. Klar ist, dass wir eine Menge Geld in die Hand nehmen müssen, um hier entsprechend kompetent und beratend tätig zu werden.

Jörn Taubert: Das Interesse der Industrie ist natürlich, Plug-and-Play-Produkte anzubieten, denn nur so kann man den Massenmarkt adressieren. Denn viele Hersteller aus dem UE- oder IT-Bereich sind nun mal vom Massenmarkt abhängig. Aber bis wir den Massenmarkt wirklich erreichen, gibt es ein gewisses Zeitfenster, das der Fachhandel für sich nutzen kann. Dieses Zeitfenster beträgt zwischen drei und fünf Jahre. In dieser Zeit kann der Handel Neukunden gewinnen oder seine Stammklientel an das Thema heranführen.

ComputerPartner: Was halten Sie als Sony-Manager denn vom Wettbewerbsprodukt Media-Center?

Jörn Taubert: In dieser Runde wird immer davon gesprochen, dass der Media-Center-PC gleich Heimvernetzung sei. Das sollte man vermeiden, denn das Produkt Media-Center ist gleich Microsoft, und Microsoft steht nicht für Heimvernetzung. Andere Anbieter wie beispielsweise Pinnacle oder auch Sony bieten zu diesem Thema schon ganz brauchbare Lösungen an.

Tobias Groten: Wir arbeiten gerade in München gemeinsam mit Microsoft an einem "Haus der Gegenwart" auf dem Buga-Gelände. Wir sind dabei der Wasserträger: Wir bauen die Server ein und installieren die Anwendungen für das Media-Center auf der Microsoft-Oberfläche. Das Media-Center wird zwar immer ein bisschen belächelt, aber insgesamt ist es für die Branche natürlich nicht schlecht, wenn sich in einem neuen Segment eine Größe wie Microsoft engagiert. Es wird damit ein Standard gesetzt; es kommt erstmal Bewegung in ein Thema, und es gibt ein Angebot. Auch wenn noch nicht alles rund läuft. Ich stimme Herrn Roos zu: Es ist doch eine Super-sache für den Fachhandel, wenn noch nicht alles auf Anhieb funktioniert. Wären die Produkte bereits reif für den Massenmarkt, bräuchten wir keine Fachhändler mehr. Dann würden sich Hersteller wie Sony, Microsoft oder Tobit den Kuchen teilen.

ComputerPartner: Herr Groten, können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wie der Fachhändler hier bereits Umsatz generieren könnte?

Tobias Groten: In Deutschland werden jährlich 230.000 Wohneinheiten gebaut. Ich kenne keinen Media Markt, der hier einsteigt, ein Mailing rausschickt und Produkte anbietet. Mit ein bisschen Kreativität kann der Fachhandel hier ansetzen.

ComputerPartner: Herr Heithecker, wie beurteilen Sie die Situation im Handel und an der Verkaufsfront?

Jens Heithecker: Wir sollten hier zwei wichtige Punkte nicht miteinander verwechseln: was technisch bereits möglich ist und was man letztendlich vermarkten kann. Die Hersteller brauchen langfristig ein Massenprodukt, und der Handel hat nur eine Chance, Geld zu verdienen, wenn die Produkte eben noch nicht reif für die Massenvermarktung sind.

ComputerPartner: Herr Roos, werden Sie auf den Konvergenz-Zug aufspringen?

Roos: Ein paar Sachen, die hier gesagt wurden, sind sehr interessant - beispielsweise die Kooperation zwischen verschiedenen Handelsunternehmen. Das ist eine Überlegung wert, auch wenn es schwierig ist, dem Kunden klar zu machen, dass er keinen Architekten mehr braucht, sondern ein Systemhaus. Bauchschmerzen bekomme ich natürlich, wenn ich das Wort Massenprodukt höre: Denn dann geht es nur noch um billige Produkte, die über Media Markt und die Geiz-ist-geil-Anbieter verkauft werden. Prinzipiell ist es für ein mittelständisches Unternehmen natürlich schwierig, 230.000 Haushalten ein Mailing zu schicken - auch wenn das wahrscheinlich der richtige Weg wäre. Trotzdem sind wir als Händler dankbar, wenn uns die Hersteller am Geschäft teilhaben lassen.

ComputerPartner: Geben wir das mal weiter an die Vertreter der Industrie: Herr Graré, LG Electronics bietet neben IT- und UE-Produkten nach wie vor weiße Ware an. Die Geräte kann man zum großen Teil vernetzen. Was unternimmt LG, um seine Partner in diesem Bereich fit für die Installation und Vermarktung zu machen - welche Tools bieten Sie den Händlern beispielsweise an?

Luc Graré: Das Problem ist für alle Hersteller, die sich mit dem Thema Konvergenz beschäftigen: Wie kann ich die Begeisterung für die Technologie zum Handel transportieren? Der Funken ist zum Handel noch nicht übergesprungen, was das Anbieten von bestimmten Tools schwierig macht. Gemeinsam mit den Distributoren haben wir bei 300 Händlern Umfragen durchgeführt. Ergebnis: Sachkenntnis und Verständnis für das Thema sind beim Handel durchaus vorhanden. Aber er packt das Thema nicht an, weil immer noch gewisse Hemmschwellen vorhanden sind. Und ehrlich gesagt, wir wissen konkret nicht, woran das liegt.

ComputerPartner: Herr Heithecker, in den USA und anderen europäischen Ländern gibt es Verbände, die sich das Thema Home-Vernetzung auf die Fahnen geschrieben haben und branchenübergreifend arbeiten. Daraus hat sich eine neue Generation von Händlern entwickelt, die ein neues Verständnis für die Technologie und den Vertrieb der Konvergenzprodukte mitbringen. Entsteht in Deutschland eine ähnliche Kultur - gibt es dazu bereits Vorgespräche?

Jens Heithecker: In Deutschland stehen wir einer Vielzahl von Verbänden mit verschiedenen Interessen gegenüber: dem Verband der Kabelwirtschaft, den Verbänden der Wohnungswirtschaft und so weiter. Hierzulande haben wir eine ganz andere Situation als in den USA oder Großbritannien. Das hängt mit einer anderen Struktur des Wohneigentums zusammen: In Deutschland wird für die Ewigkeit gebaut; in den USA ist es viel leichter, Veränderungen an der Bausubstanz vorzunehmen - aufgrund der verwendeten Materialien. Das heißt, WLAN-Installationen sind dort zum Beispiel viel einfacher. Als Messegesellschaft versuchen wir hier die verschiedenen Industriezweige zusammenzuführen: weiße Ware, IT, TK und CE. Auf der ersten E-Home war man vor allem damit beschäftigt, alle gängigen Standards aufzuzählen. Mittlerweile gibt es einen Standard, der von allen Seiten akzeptiert wird und jetzt entwickelt werden soll.

ComputerPartner: Herr Roos, wie bewerten Sie denn die Situation an der Endkundenfront - gibt es überhaupt schon Nachfrage nach Konvergenz-Produkten?

Thorsten Roos: Produkte, die wir im Laden stehen haben, die auffallen oder besonders teuer und hochwertig sind, wecken das Interesse beim Kunden, weil er das Gerät sieht und es ausprobieren kann. Zum Beispiel stellen wir das Activy-Center von Fujitsu-Siemens aus. Das weckt Interesse und Bedarf. Warum nehmen die Hersteller nicht einen Teil ihres Werbeetats und investieren ihn in Demo-Geräte für die Händler und bessere Einkaufskonditionen für Wiederverkäufer, die diese Chance nutzen? Der Kunde und auch der Fachhändler müssen Konvergenz-Produkte sehen und erleben, sonst bleibt das Thema nebulös.

Luc Graré: Da stimme ich hundertprozentig zu. LG investiert zum Beispiel viel Geld in Shop-in-Shop-Konzepte und das Angebot von Demo-Produkten, bei verhältnismäßig wenig Werbeaufwand. Und das rechnet sich: Über diesen Weg können wir im Jahr ein Wachstum von 25 Prozent in Deutschland verzeichnen. Erst dann, wenn der Handel Konvergenz-Produkte als State-of-the-Art anbietet, entsteht auch die entsprechende Nachfrage beim Kunden.

ComputerPartner: Herr Taubert, existieren die notwendigen Vertriebskanäle für Konvergenz-Produkte bereits?

Jörn Taubert: Man muss hier differenzieren: Der klassische Retail-Kanal ist nachfragegetrieben. Die Großflächenvermarkter werden sich nur dann ändern, wenn auch Kundennachfrage besteht. Konvergenz ist ein erklärungs- und beratungsintensives Geschäft. Also ist hier der Fachhandel aus UE und IT gefragt. Allerdings bleiben die Hersteller dabei nicht außen vor: Sie sind in der Pflicht und müssen mit ihrem Marketing den Mehrwert der neuen Technologien zum Verbraucher transportieren. Hier hat die Industrie in der Vergangenheit keinen guten Job gemacht. Sowohl Hersteller als auch Handel müssen sich dieser Herausforderung erstmal stellen, um den Verbrauchern die Vorteile der Produkte zu erklären.

Andreas Bortoli: Für einen Fachhändler gibt es zwei Ansätze, in das Geschäft einzusteigen. Im Vordergrund steht dabei die notwendige Dienstleistung, auf Platz zwei rangiert die Produktmarge. Aber die Gefahr ist, dass der Handel in ein neues Produktsegment investiert - zum Beispiel fünf Mitarbeiter ausbildet -, und dann kommen die großen Hersteller und bieten die neuen Produkte für 99 Euro bei Saturn an. Das ist das klassische Dilemma: Die Hersteller brauchen den Massenabsatz, und der Händler braucht Differenzierungsmerkmale, um Dienstleistungen verkaufen zu können.

Günther Ohland: Die Activy-Box ist doch ein gutes Beispiel für die Vertriebsprobleme der Hersteller: Die Großflächenvermarkter können das Produkt nicht verkaufen; die UE-Händler sagen: "Das ist ein Computer." Und die IT-Händler ordnen das Gerät der UE-Branche zu. Resultat: Keiner fasst es an.

Jörn Taubert: Fakt ist aber, dass der Markt die Absatzsituation bestimmt. Und da hilft auch kein Jammern und Klagen. Entweder man ergreift die Chance, die sich hier bietet, oder man ergreift sie eben nicht.

ComputerPartner: Was würden Sie derzeit im Konvergenz-Segment als Killer-Applikation ansehen, die Bedürfnisse beim Endkunden wecken könnte?

Tobias Groten: Den legalen Video-Download. Wir bekommen immer mehr Bandbreite: zwei Megabit, drei Megabit. Darauf sollten wir uns vorbereiten, aber gleichzeitig den Konsumenten die Zeit geben, mal Atem zu holen. Denken Sie an die SMS: Vor ein paar Jahren dachten alle, WAP wird das große Thema; letztendlich ist es aber das Eintippen einzelner Buchstaben ins Handy geworden. Wahrscheinlich gibt es heute noch Leute, die sich wegen dieser einfachen Geschichte ein Handy kaufen. Warum soll es also nicht so weit kommen, dass sich die Verbraucher wegen Musik- und Video-Downloads einen neuen Multi-Media-PC kaufen? Vielleicht sollten wir mit diesen einfachen Dingen anfangen, bevor wir eine breite und teure Gesamtlösung auf den Markt bringen.

Andreas Bortoli: Stimmt, ein wichtiges Thema ist der Videorekorder. Heute arbeite ich mit Kassetten, die 20 Jahre im Schrank stehen. Wenn ich alles auf einer Festplatte speichern könnte, die ich alle sechs Monate aufräume, hat das klare Vorteile. Da steht ein klarer Mehrwert dahinter, den der Verbraucher auch versteht.

Luc Graré: Eine andere Killer-Applikation ist natürlich, wie wir als Hersteller den Handel mit ins Boot holen können, denn so weit sind wir noch nicht. Ferner die Entwicklung und Anwendung eines einheitlichen Standards der UE- und TK-Anbieter wie Digital Living Network Alliance, damit die Geräte auch herstellerübergreifend vernetzbar sind. Denn das sind die Grundvoraussetzungen für eine breite Vermarktung der Produkte.

Steckbriefe

Die Teilnehmer der Open-Talk-Runde

An der Open-Talk-Runde bei Actebis-Peacock in Soest zum Thema Konvergenz nahmen Vertreter des Handels, der Distribution und der Industrie teil. Die Teilnehmer in alphabethischer Reihenfolge:

- Andreas Bortoli, Vertriebs- und Marketingleiter bei der Celos Computer GmbH in Neu-Ulm

- Mark-Oliver Beck, Vorstand der Indasys Holding AG in Stuttgart

- Luc Graré, Sales Director Information Systems Products bei der LG Electronics Deutschland GmbH

- Tobias Groten, Gründer und Vorstand der Tobit Software AG in Ahaus

- Jens Heithecker, Direktor Kompetenz-Center Information & Communication bei der Messe Berlin GmbH in Berlin

- Günther Ohland, Unternehmensberater, Paderborn

- Thorsten Roos, Inhaber Elektroservice Roos GmbH & Co. KG in Neu-Anspach

- Bärbel Schmidt, Geschäftsführerin der Actebis Holding GmbH in Soest

- Jörn Taubert, Divisional Director Consumer Marketing bei der Sony Deutschland GmbH in Köln

- Moderation: Christian Meyer, stellvertretender Chefredakteur ComputerPartner

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