Konvergenz: Was Kunden wirklich wünschen

16.04.2004
Seit Monaten gilt Konvergenz - also das Verschmelzen von PC und UE - als Heilmittel für die angeschlagene IT-Industrie. Doch nicht alle Pläne der Industrie treffen auf Gegenliebe der potenziellen Kunden. Von ComputerPartner-Redakteurin Ulrike Goressen

Am eindrucksvollsten war auf der diesjährigen Cebit die einhellige Begeisterung der Branche für Konvergenzthemen. Fast jeder Hersteller zeigte neue Produkte, mit denen die IT endgültig das Wohnzimmer erobern will. Aber lässt das auch der Kunde und Wohnzimmerbesitzer so ohne weiteres zu? Die Universität Siegen befragte im Auftrag der Buhl Data Service GmbH fast 700 Internetnutzer, was sie vom Zusammenwachsen von TV und PC halten beziehungsweise erwarten.

Um es vorwegzunehmen: Nicht alles, was die Herstellergilde anbietet, stößt auf Gegenliebe bei den potenziellen Kunden. Die haben ihre ganz eigenen Vorstellungen und Erwartungen.

Das wohl markanteste Umfrageergebnis betrifft die Zukunft des Fernsehers. Er wird nach Ansicht der meisten Befragten keinesfalls das Leitmedium. Interaktivität, schnelle, individuelle Information sowie Kommunikation werden trotz Digitalisierung auch in Zukunft dem PC vorbehalten sein. Der Fernseher ist und bleibt der passiv genutzte "Bilddarsteller". Allein durch Vernetzung und Digitalisierung erhoffen sich die Befragten eine dringend nötige Verbesserung der Bildqualität (HDTV) sowie mehr Komfort-Features wie zeitversetztes Fernsehen, eine elektronische Programmzeitschrift und einige Extradienste. Für zusätzliche TV-Programme kann sich hingegen nur jeder fünfte erwärmen. Der Fernseher bleibt somit das "dumme" Ausgabegerät von TV-Programmen sowie Bild-, Video- und Tondaten, die auf dem "intelligenten" PC verwaltet und bearbeitet sowie über ein standardisiertes, kabelloses Netzwerk für alle Ausgabegeräte (TV, Notebooks oder PDAs) bereitgestellt werden.

Komfort wichtiger als Technik

Auch wenn die Befragten technikinteressiert sind und der PC zu ihrem Alltag gehört, findet die Option, auf dem Fernseher eingehende E-Mails zu lesen, kaum Anklang bei den Befragten. Ähnlich ernüchternd ist die allgemeine Ablehnung von eingebundenen Internetdiensten. Die wenigsten haben Interesse zu erfahren, ob sie bei einer aktuellen Ebay-Auktion überboten wurden. Zur Beantwortung beziehungsweise Reaktion bräuchte man in beiden Fällen eine Tastatur, die aber selbst bei technikaffinen Konsumenten im Wohnzimmer nichts zu suchen hat. Hier regiert die Fernbedienung als zentrales Eingabegerät.

Auch individuell zugeschnittene Börsenticker zu eigenen Aktien sind keine Killerapplikation. Die Befragten wollen auch weiterhin im Fernsehen das gleiche Programm wie alle anderen sehen. Anders sieht es bei individuellen Ergänzungen praktischer, lebensweltnaher Inhalte. So würden es rund 85 Prozent der Befragten begrüßen, wenn zusätzlich zur allgemeinen Wettervorhersage auch das Wetter für den Wohnort oder das nächste Urlaubsziel eingeblendet wird.

Über 60 Prozent würden auch gerne ohne Medienbruch per Fernbedienung bei TED-Umfragen oder Zuschauerfragen, etwa bei "Wer wird Millionär?", mitmachen.

Indifferent reagierten die Befragten auf die Option, tiefer greifende Infos zu beworbenen Produkten per Fernbedienung abzurufen. Und wenn es um Einkaufen oder Spenden geht, zeigen die meisten Befragten offene Ablehnung. Fernsehen bedeutet für sie Information und Unterhaltung; Aktionen und Interaktionen sind dem PC vorbehalten.

Ein wichtiges Feature ist hingegen zeitversetztes Fernsehen (Time Shifting). 46 Prozent der Befragten hätte diese Funktion sehr gern und würden sie auch sehr oft nutzen. Ein weiteres Drittel würde sie zumindest öfter nutzen. Und die absolute Killerapplikation mit 97-prozentiger Zustimmung ist zum Leidwesen der Werbewirtschaft "TV-Washer", also der automatische Werbefilter neuerer Aufnahmetechnologien.

Bevor aber diese Aufnahmen endgültig auf DVD gebrannt werden, wollen 80 Prozent sie erst auf dem PC sichten und eventuell neu zusammenstellen oder mit Menüs versehen. Der Wunsch nach automatischem Streaming einer Aufnahme auf den PC unterstreicht wieder einmal die klare Aufgabenteilung zwischen TV und PC. Auch beim umgekehrten Datentransfer wird dem Computer eine zentrale Rolle zugeschrieben. Jeweils knapp 80 Prozent der Befragten befürworten die Möglichkeit, per Fernbedienung am Fernseher auf Urlaubsvideos, Fotos oder andere Multimediadaten zuzugreifen, die auf dem PC gespeichert sind. Vor dem absoluten Siegeszug dieser Technik stehen jedoch zwei K.o.-Kriterien: keine extra Kabel und keine eingeschränkten, proprietären Systeme sowie teurer Zukauf neuer Geräte ohne erkennbaren Mehrwert. Die Befragten sind sehr wohl bereit, etwa für größere und bessere Bilddarstellung neue Fernsehmonitore zu kaufen. Sie wollen aber fürs Wohnzimmer keinen Extra-DVD-Rekorder erwerben, wenn sie bereits einen guten im PC integriert haben.

Die Idee der Vernetzung bestehender Geräte im Haushalt wurde von den Befragten über die beiden Hauptakteure TV und PC hinaus weitergesponnen. Die Vorstellung, während eines gemütlichen Fernsehabends auf dem Bildschirm angezeigt zu bekommen, wer es wagt, während des Tatorts anzurufen, und die Option zu haben, das Telefonat direkt anzunehmen oder abzulehnen, gefiel fast 75 Prozent. Jeder Zweite konnte sich auch für den Gedanken erwärmen, per Fernbedienung Bilder verschiedener Webcams, die etwa als Babyphone oder Überwachungssystem an der Haustür oder im Garten eingesetzt sind, auf den Fernsehschirm zu holen.

Und jetzt kommt die nächste große Ernüchterung: Die Wünsche und Anforderungen an das digitale Fernsehen stehen diametral der Zahlungsbereitschaft gegenüber.

Nur 13 Prozent der Befragten wären bereit, durch ein monatliches Abo für die Extras zu zahlen. Immerhin noch 43 Prozent wären mit einer Einmalzahlung beim Kauf der erforderlichen Geräte einverstanden. Die meisten (44 Prozent) lehnen - sehr zum Erstaunen der Frager - jedoch jegliche Extrakosten strikt ab.

Meinung der Redakteurin

Alleskönner-Geräte erobern kaum die Wohnzimmer. Die Kunden wollen mehr Komfort, mehr Vernetzung (ohne Kabel), doch Mehrfachausstattungen werden abgelehnt. Modulare Home-Entertainment-Konzepte wie von Sony oder FSC liegen eher im Trend als Microsofts Windows-Media-Center-Ansatz. Und am besten fährt der Fachhändler, der neue Komponenten mit den vorhandenen Geräten ganz nach Kundenwunsch vernetzen kann.

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