Kooperationen: Von einem Händler, der auszog, das Fürchten zu lernen

20.03.1998

MÜNCHEN: Kooperationen sind eine gute und sinnvolle Einrichtung, wenn es darum geht, die Zukunft des Computer-Fachhandels zu sichern. Doch nicht immer läuft alles so ab, wie sich die Händler das wünschen. Ein PC-Fachhandelsunternehmer aus Rheinland-Pfalz schickte uns folgenden Erlebnisbericht.

62mal probiert - 62mal ist nichts passiert. Wenn Sie so oft auf einer Nummer anrufen müssen, um eine Bestellung loszuwerden, könnte ich mir vorstellen, daß der Wunsch entsteht, einen vernünftigen Beruf zu erlernen und den Computerfachhandel an den Nagel zu hängen.

Dabei lief das alles hervorragend, vorher, als wir noch nicht Mitglied in der Kooperation "Fortuna"*) waren. Nur Vorteile - keine Nachteile! Nun, spätestens seit der Waschmittelwerbung weiß man, daß Werbung und Realität nichts weiter gemeinsam haben. Doch von Anfang an kam der Distributor "Lieferfix"*), zumindest die dort zuständigen Chefinnen und Chefs, mit der Situation einer Einkaufsvereinigung wohl nicht zurecht. Schlagartig wurde erst einmal unsere seit sechs Jahren bestehende Kundennummer in eine neue geändert. Selbstverständlich wurden wir darüber nicht informiert. Bemerkt haben wir das erst, als im Vorweihnachtsgeschäft zugesagte Lieferungen einfach ausblieben. Auf telefonische Rückfrage hieß es dann, daß unsere Kundennummer gesperrt sei. Warum, konnte mir die freundliche Dame erst einmal nicht sagen, da müßte ich mich mit der Buchhaltung verbinden lassen.

Schon beim zwölften Mal kam ich durch

Ja, hieß es dann einige Zeit später, da ich ja Fortuna-Mitglied werden wollte, müßte meine Kundennummer geändert werden, warum auch immer. Jedenfalls könne man mir die Ware auf die alte Kundennummer nicht rausschicken, die sei gesperrt. Ich solle die Ware neu bestellen. Eine Woche (!) war seit dem vorbei. Wie sinnlos Diskussionen mit Buchhaltungsleuten sind, wußte ich bereits vorher, bedankte mich artig trotz des Vorteils und rief in der Fortuna-Zentrale an, um zu erfragen, ob dies normal sei. So etwas sollte nicht, könnte aber vorkommen. Und überhaupt: In Anbetracht der vielen Vorteile als Fortuna-Mitglied seien diese Anlaufschwierigkeiten wohl zu verschmerzen, hieß es da.

Schon wieder Vorteile, dachte ich, und mir schwante nichts Gutes. Zurecht, denn als ich mit meiner neuen Kundennummer den wie gesagt bereits bestellten und damals lieferbaren Auftrag neu bestellen wollte, durfte ich das nicht. Nein, sagte man mir bei Lieferfix, als Fortuna-Mitglied müsse ich bei der XY-Nummer anrufen, auch mein Flehen, ob der vielen nervzehrenden Telefonate half da nichts. Also Telefonhörer aufgelegt, neue Nummer programmiert und los ging's. Schon beim zwölften Versuch kam ich durch, und der freundliche Herr am anderen Ende teilte mir mit, daß für meinen Auftrag inzwischen Lieferzeiten wären, er könne da jetzt leider auch nichts ändern.

Damit nicht genug, auf der folgenden Rechnung fehlte der 1992 ausgehandelte Zwei-Prozent-Skonto-Abzug. Auf Rückfrage wurde mir mitgeteilt, daß auf dieser Kundennummer kein Skontobetrag vermerkt sei, da dies bei der Fortuna-Mitgliedschaft aufgrund der Sammelabrechnung nicht möglich sei.

Nun war es zuviel, ich wollte meine alte Kundennummer wieder, meine Zahlungsvereinbarungen und meine Ansprechpartner unter der alten Nummer, bei der ich wenigstens jemand erreichte. Nein, erklärte man mir bei Lieferfix, das ginge jetzt nicht mehr, da ich ja jetzt die Vorteile der Fortuna-Kooperation nutzen würde und da gäbe es eben Verträge.

Vor meinem geistigen Auge sah ich den mittelbraunen Verwaltungsschalter einer deutschen Kleinstadt und mich mit einem Stapel Formulare davor, um Fassung ringend. Jetzt wußte ich wenigstens, daß Lieferfix für die Fortuna-Mitglieder den Beamten-Flair der 50er Jahre rekultivierte. Wahrscheinlich auch einer dieser vielen Vorteile!

Mein alter Ansprechpartner bot mir bessere Preise

Als ich jedoch ein paar Wochen später (leider erst!) bemerkte, daß ich bei meinen alten Ansprechpartnern ohne Fortuna sogar noch bessere Preise erhielt als bei meinem "zuständigen" - wohlgemerkt bei der gleichen Firma -, bedauerte ich diesen Schritt bereits zum vierten Mal. Man gab mir als blutdrucksenkende Sofortmaßnahme eine Nummer der zuständigen Chefin, deren Namen ich hier anstandshalber nicht nennen möchte. Dort klingelte sich das Telefon gegen 16:30 Uhr mehrfach tot. Aber die Frau Chefin, obwohl noch anwesend, schien nicht erreichbar. Gleichzeitig versuchte ich bereits seit 14:00 Uhr den für mich zugelassenen Kontakt zwecks Bestellannahme zu erreichen. Mittwochs, 62mal ist nichts passiert, doch dann hatte doch noch irgend jemand ein Einsehen und ließ den 63. Wahlversuch gelten und ich durfte mit einem Menschen sprechen.

Solche Glücksmomente kennen Sie vielleicht, wenn Sie ab und an bei Microsoft, msn oder bei einer Reklamationsstelle der TOP 5 Distis anrufen müssen. Aber solch eine Situation an einer Bestellannahme grenzt an kollektive Selbstverstümmelung. Bevor aber die Konkurrenz sich nun in trunkener Schadenfreude ergibt, sollte sie zuerst den Nasentest machen und einmal durchrechnen, wieviel Geschäft in der eigenen Warteschleife versickert.

Ich jedenfalls grübele immer öfter darüber nach, warum ich nicht Buchhändler geworden bin - oder zumindest Beamter.

Ach ja: Die Faxmailings bekomme ich selbstverständlich immer noch für beide Kundennummern!

*) Weil es sich hier um grundsätzliche Erfahrungen handelt, die einem mit jeder Kooperation und mit jedem Distributor widerfahren können, haben wir die Namen geändert.

Zur Startseite