Kopieren als Volkssport?

25.04.2002

Die Musikbranche holt zum Rundumschlag aus. Sie weicht nämlich von ihrem eigenen Standard (Redbook) ab, um das Kopieren der neuesten Audiotitel zu unterbinden. Diese CDs lassen sich nicht mehr auf dem PC oder Mac abspielen. Selbst manche Audioplayer verweigern ihren Dienst. Das geht zu weit. Der Leidtragende ist wieder der Handel, dem der erboste Käufer dann das Produkt zurückbringt. Der kleine Aufkleber "Läuft nicht auf PC und Mac" wird im Geschäft oft durch eine Sicherheitsplakette verdeckt. Erst zu Hause merkt der Kunde, dass er seine neue CD nicht anhören kann, und dann kommt er zurück, um sich zu beschweren. Auch bei Audiotiteln versuchen die Bosse der Plattenfirmen abzukassieren - warum müssen Audio-CDs nur so teuer sein? Würden sie zwischen fünf und zehn Euro kosten, käme kaum jemand auf die Idee, sie kopieren zu wollen. Den Oberen der Audiobranche wäre es wohl am liebsten, wenn sich die CD nach ein- oder zweimaligem Anhören selbständig vernichtet.

Auch die Softwareindustrie stöhnt über die vielen Raubkopierer. Mit immer neuen Kopierschutzverfahren versucht sie ihre Scheiben kopiersicher zu machen. Dennoch dauert es nur wenige Tage, bis die ersten gecrackten Versionen eines Spieles im Umlauf sind. Das Ganze hat sich zu einem richtigen Sport zwischen Hackern und Herstellern entwickelt. Und bei diesem Sport kann die Indus-trie nicht gewinnen.

Aber die Zeiten, als nur Hacker solche Kopien machen konnten, gehören mit dem Erscheinen von "Gamejack der Firma Engelmann der Vergangenheit an (lesen Sie dazu auch den Artikel auf Seite 16 "Uns geht es extrem gut"). Mit diesem Kopierprogramm kann jeder einfach und schnell von jedem Spiel eine Kopie herstellen. Und das deutsche Recht ist auf seiner Seite: Hier zu Lande gestattet die Rechtsprechung jedem seine persönliche Sicherheitskopie. Unter diesem Deckmantel kann Engelmann die Software frei vertreiben. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Patches verändert Engelmanns Kopierprogramm die Daten auf der CD nicht. Alle bekannten Kopierschutzverfahren werden einfach mitübertragen, und somit entsteht eine mit der Original-CD vollkommen identische 1:1-Kopie. Deswegen hat die Staatsanwaltschaft auch keine Handhabe einzugreifen. Und der Erfolg gibt Engelmann Recht: Seine Software geht weg wie warme Semmeln. Von 30 bis 40 Prozent Umsatzsteigerung jedes Jahr ist die Rede.

Leben in Deutschland nur noch Raubkopierer? Ich glaube nicht, denn auch im europäischen Ausland und sogar in Japan ist Engelmann inzwischen vertreten. Der Grund liegt wohl eher an den völlig überhöhten Preisen für Software und Musik-CDs. Zugegeben, das Entwickeln von Spielen ist sehr teuer, aber hinzu kommen die oft nicht unerheblichen Kosten für den Kopierschutz. Und die muss auch der ehrliche Käufer mitbezahlen. Mit dem ganzen Kopierschutzverfahren schießt sich die Industrie ein Eigentor. Es bleibt nur eine Lösung: Die Preise müssen runter. Dann würde sich das Thema Raubkopieren von selbst erledigen. Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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