Kosten der Gesamtlösung bestimmen die Kaufentscheidung

25.10.2001

Der Chef eines großen, weltweit tätigen Unternehmens muss eine klare Strategie verfolgen und darf diese auch werbewirksam kundtun. Michael Dell hat dies im "Focus" getan und beispielsweise auf die Frage, was Dell von seinen Mitbewerbern unterscheidet, eine klare Antwort gegeben: Niedrigere Kosten, ein deutlich kürzerer Lagerumschlag (4 statt 66 Tage) und der Verzicht auf überflüssige Zwischenhändler ergeben sieben Prozent Gewinn statt sieben Prozent Verlust gegenüber einem Wettbewerber.

Die Botschaft ist knapp und einleuchtend, und der Erfolg scheint den Chef des derzeit weltweit größten PC-Herstellers in seiner Meinung zu bestätigen. Denn während der Wettbewerb mit Problemen kämpft, hat Dell bei Umsatz und Marktanteilen noch zugelegt. Warum aber haben andere Hersteller ihre Kosten und Logistik nicht im Griff, warum kaufen immer noch so viele Kunden über Zwischenhändler?

Die Wirklichkeit ist vielleicht nicht ganz so simpel, wie Dell es sieht. Viele Kunden wollen sich auf ihr eigenes Kerngeschäft konzentrieren und suchen daher nach intelligenten und kostengünstigen IT-Lösungen. Die preiswerte Lieferung von Produkten ist dabei nur ein kleiner Anteil der Anforderungen, denn daneben sind heute auch Beratung und Konzeption, Implementation, Betriebskonzepte, Wartung und gute Ideen gefordert. Je komplexer die Anforderung, desto größer der Bedarf nach diesen Leistungen. Die Ausrichtung auf Lösungen ist zwangsläufig mit höheren Kosten verbunden, für Zwischenhändler und überflüssige Kosten ist dagegen schon lange kein Platz mehr.

Dell hat sich auf direkte und preiswerte Lieferung von (Massen-)Produkten ohne Service spezialisiert. Genau hier liegt auch sein Erfolg, nicht bei komplexen Serversystemen, Dienstleistungen, Betriebsführungskonzepten und Lösungen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die oben genannten Leistungen überflüssig sind. Sie werden in seinem Modell vielmehr von den Kunden selbst oder von spezialisierten externen Dienstleistern erbracht. Damit sind sie keineswegs gespart.

Immer mehr Kunden verstehen heute, dass bei steigender Komplexität der Lösungen im Unternehmen und gleichzeitig rückläufigen Anschaffungskosten der Produkte nicht mehr die Optimierung der Produktpreise allein zum Erfolg führt. Die Gesamtlösung steht zunehmend im Vordergrund, und deren Kosten bestimmen die Kaufentscheidung. Damit sind Anbieter von Komplettlösungen mit Kompetenz und Flexibilität stärker gefragt. Ein gut aufgestelltes Team, bestehend aus Hersteller und Systemhauspartner, ist vielleicht doch kein Auslaufmodell?

Interessant ist, dass es bis heute keinem Hersteller gelingen konnte, beide Anforderungen des Marktes optimal unter einem Dach zu lösen. Die Herausforderung durch Dell ist ja nicht neu, eine deutlichere Differenzierung der Hersteller zwischen Volumen- und Lösungsgeschäft ist bisher aber nirgendwo gelungen. Wie soll man auch einem Kunden klar machen, dass dasselbe Produkt in der Volumen-Division weniger kostet als in der Value-Division? Eine Differenzierung allein in den Vertriebswegen wird an der Cleverness der Kunden scheitern. Wie schon gesagt, ganz so einfach ist es eben nicht.

Michael Dell hat insoweit Recht: Im schnellen IT-Markt werden sich nur Unternehmen behaupten können, die effizient arbeiten, schnell sind und ihren Vertrieb richtig positionieren. Wer jedoch allein über den Preis und Lagerumschlag verkauft, wird auch nur jenen Teil des Marktes erreichen können, in dem diese Vorteile entscheidend sind. Er läuft zudem Gefahr, ohne Partner nur über den Preis bezwungen zu werden. Ralf-Ulrich Kaste

Geschäftsführer der Comics Informationssysteme GmbH, Karlsruhe

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