KPMG fordert schärfere Kontrollen:Graumarkt-Studie erzürnt IT-Händler

27.02.2003
Der graue Markt für IT-Produkte hat nach Schätzungen von KPMG weltweit ein Volumen von 40 Milliarden Dollar erreicht. Für das Ansteigen der Umsätze in nicht autorisierten Vertriebswegen sollen ausgerechnet die Fachhändler mitverantwortlich sein.

Der "graue Markt" blüht und fügt den Herstellern jährlich Schäden in Milliardenhöhe zu - das behauptet jedenfalls die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Der weltweite Handel mit verbilligten Markenprodukten wie Computer und Zubehör über nicht autorisierte Handelswege habe inzwischen ein Volumen von 40 Milliarden Dollar im Jahr erreicht, so die Schätzung der Finanzexperten. Der dadurch entstandene Schaden für Hersteller soll sich auf etwa fünf Milliarden Dollar pro Jahr belaufen. Schuld sind mal wieder die IT-Händler: Der Missbrauch von Vertriebsvereinbarungen und Rabattaktionen durch die Partner sei für das stetige Anwachsen des grauen Marktes mitverantwortlich, behauptet KPMG.

Der Studie zufolge soll sogar der Großteil der autorisierten Vertragshändler der Versuchung der unautorisierten Vertriebswege erliegen: Rund 71 Prozent der Händler würden diesen Markt nutzen, um im beinharten Preiskampf der Branche mithalten zu können, schätzt KPMG. So hätten rund 36 Prozent der Befragten angegeben, dass Graumarktprodukte 10 bis 20 Prozent preiswerter sind, andere hätten sogar von 20 bis 40 Prozent gesprochen. Tür und Tor zum nicht autorisierten Handel öffnen die Hersteller angeblich selbst: Nur jeder zweite verlange von seinen Händlern Nachweise über die Vertriebswege seiner Markenprodukte. Nicht ganz uneigennützig fordern die Wirtschaftsprüfer die Unternehmen daher auf, schärfere interne und externe Kontrollen bei Vertragspartnern einzuführen.

Grau ist nicht unbedingt auch illegal

"Die Schattenwirtschaft ist signifikant", weiß auch Ralf Groh, Leiter Supplies bei HP Deutschland und bestätigt: "Wir werden unsere Aktivitäten verstärken." Hewlett-Packard ist eines von elf namhaften Mitgliedern in der "Anti-Gray Market Alliance", die die Entwicklung der unautorisierten Vertriebskanäle beobachtet und notfalls auch juristisch verfolgt. Hunderte von Fällen kenne man derzeit in Europa, sagt Groh: "Da geht öfter was hoch." Gerade Deutschland sei häufig betroffen: "Das ist einer der weltweit größten Märkte, zudem ist es aufgrund der dezentralen Struktur schwieriger, den Spuren zu folgen."

Dass angeblich zwei Drittel der Händler im Graumarkt mitmischen, wundert den Manager nicht, fällt doch praktisch alles, was ein wenig vom Standardweg - Hersteller-Disti-Händler - abweicht, unter diesen Begriff. Wenn beispielsweise ein Händler mit Liquiditätsproblemen seine Ware unter EK verschleudert und sich ein Kollege über die billig eingekaufte Ware freut, ist das bereits ein nicht autorisierter Handelsweg. "Das Grau reicht von fast Weiß bis Tiefschwarz", so Groh.

Da eine genaue Differenzierung bei KPMG fehlt, erzürnt die Studie die Händler: "Den Graumarkt so als ,Graumarkt‘ zu bezeichnen, dass es ja wohl in Richtung Schwarzmarkt zu deuten ist, ist schon dreist", so einer der Kommentare. "Was ist daran unredlich, wenn ich bei offiziellen Rabattaktionen einkaufe und die Ware auf meinen Vertriebskanälen verkaufe?", will ein anderer wissen. "Normalerweise nichts", antwortet Groh und beruhigt die erhitzen Gemüter: Für die "hellen Schattierungen" interessiert sich niemand in der Allianz, diese Transaktionen sind völlig legal.

Kritischer wird es hingegen beim Missbrauch von Sonderkonditionen. Wenn ein Großkunde seine Filialen mit neuer IT ausstatten will, werden ihm, beziehungsweise dem abwickelnden Händler, meist Mengenrabatte eingeräumt. Da kommt so mancher Partner auf die Idee, statt der beispielsweise 200 benötigten Rechner 250 zu bestellen. Der "Überschuss" landet dann aber natürlich nicht beim Projektkunden. Gemauschelt werde oft und gerne, sagt Groh, selbst renommierte Partner habe man schon erwischt: "Die Kriminalität ist enorm, der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt."

Die Allianz interessiert sich nur für die großen Nummern

Das Hauptinteresse der Allianz gilt dem "tiefschwarzen" Bereich. Dazu gehört der Handel mit gefälschten Waren oder auch nicht genehmigte Importe, zum Beispiel von Verbrauchsmaterialen wie Druckertinte. "Das sind keine Kleindelikte mehr", sagt Groh, "diese Geschäfte laufen im großen Stil, hier geht es sofort um Millionenbeträge." Wenn beispielsweise ein selbsternannter "Trader" ein Währungsgefälle ausnutzt und in den USA billig eingekaufte Ware in den deutschen Markt kippt, sei das gesetzeswidrig. Laut EU-Recht dürfen solche Importe nämlich nur durch die Markeninhaber oder in ihrem Auftrag ausgeführt werden. Bei solchen Aktionen geht es nicht um einzelne Päckchen, sondern um Paletten, erzählt Groh: "Hier wird es wirklich kriminell, das sind mafiose Strukturen. Solche Fälle werden von allen Herstellern deshalb auf das Schärfste verfolgt."

Damit hat ein Händler in der Regel nichts zu tun, dennoch ist Vorsicht geboten: Denn wer die Sachen kauft, hängt ebenfalls mit drin. "Wir dürfen diese Ware beschlagnahmen, und das tun wir natürlich auch", sagt Groh. Das Geld ist weg, die Ware futsch, dazu kommen noch mögliche Schadensersatzforderungen - das kann den Händler schlimmstenfalls in den Ruin treiben. Kompliziert wird die Angelegenheit noch dadurch, dass man kaum überprüfen kann, um welche Ware es sich handelt. Verbrauchsmaterialen haben keine Seriennummern, zudem mixen auch die Hersteller weltweit den Ausstoß ihrer Fabriken. "Es gibt aber immer ein Indiz für Händler: Wenn der Preis zu gut ist, um wahr zu sein", sagt Groh. Ist die Ware erst mal in Umlauf, hat auch der Hersteller meist keine Chance mehr, die Spurensuche aufzunehmen. Das sei aber kein Grund für die Partner, sich doch mal auf solche Schnäppchen einzulassen, meint Groh: "Wer sich hier engagiert, zerstört das Marktgefüge, von dem er lebt." (mf)

www.hewlett-packard.de,

www.kpmg.de

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 8.

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