Kritik an Urban: fehlende Kontinuität in Strategie und Management

06.06.2002
Nach dem heiß diskutierten Ausstieg aus dem Eigenmarken-Desktop-Geschäft folgte jetzt der nächste Coup in Soest. Mit sofortiger Wirkung wurde William Geens vergangene Woche aus der Actebis-Deutschland-Geschäftsführung abberufen. Kunden und Lieferanten kritisieren massiv die mangelnde Kontinuität des Distributors in Strategie und im Management.

Die Liste der Manager, die unter Michael Urbans Regiment Actebis wegen Meinungsverschiedenheiten verließen oder verlassen mussten, wird immer länger: Stefan Dräger, Thorsten Dyck, Axel Janssen, und vor einigen Wochen wechselte Finanzchef Axel Niehoff wieder zum Mutterunternehmen Otto. Die Kritik an Actebis-Chef Urban nimmt zu: Laut Insidern trägt er "aufgrund seines allmächtigen Führungsanspruchs und seiner regelmäßigen Einmischung ins Alltagsgeschäft" die Verantwortung für den Managerschwund. Branchenkenner wundern sich bereits lautstark, wann das Mutterunternehmen Otto endlich aufwacht und eingreift.

Jüngster Eklat: William Geens schied vergangene Woche "wegen unterschiedlicher Auffassung über die Geschäftsführung" aus der Chefetage der Actebis Deutschland GmbH aus. "Herr Geens ist derzeit im Urlaub, kommt aber wieder", versicherte Actebis-Chef Urban gegenüber ComputerPartner. Geens soll nach seinem Urlaub andere Aufgaben in der Actebis-Gruppe übernehmen. "Über meine neue Position werden wir diskutieren, wenn ich wieder zurück bin", erklärte Geens telefonisch. Über die näheren Gründe für Geens Ausstieg wollten sich beide Manager nicht äußern. Aber auch hier soll es gekracht haben.

Branchenkenner bezweifeln, dass der Ex-Geschäftsführer wieder in Soest auftaucht. Immerhin sollte seine neue Position der alten zumindest gleichgestellt sein, sonst drohe dem Ex-Deutschlandchef Gesichtsverlust und ein Karriereknick, meinen Insider. Andere munkeln "es könne ja wieder ein Posten als Sonderbeauftragter" geschaffen werden und spielen damit auf den ehemaligen Peacock-Vertriebsvorstand Thorsten Dyck an, den Urban im Februar 2001 kurzerhand zu Actebis versetzte.

Die Frage der Geens-Nachfolge scheint in der Actebis Deutschland zumindest vorerst geklärt: Das "Produkt-Management" (unter anderem Einkauf) übernimmt Ralf Germer, 33. Den Vertrieb wird Urban kommissarisch selbst leiten.

Das gab der Actebis-Chef vergangenen Dienstag auf einer Mitarbeiterversammlung bekannt. Gleichzeitig kündigte Urban seiner Mannschaft dem Vernehmen nach "einschneidende Sparmaßnahmen" an. Kurzarbeit soll demnächst auf alle Abteilungen des Distributors ausgeweitet werden.

Die plötzliche Absetzung von Geens kam weder bei Mitarbeitern noch bei Actebis-Kunden gut an: "Damit wurde ein falsches Signal gesetzt: Denn Herr Geens gilt beim Fachhandel als ein Vertreter des Partnergeschäfts", meint ein verärgerter Wiederverkäufer. Andere Kunden vermissen übereinstimmend "die Stabilität in der Unternehmensführung: bestes Beispiel - das Eigenmarken-Geschäft".

Gerade mit der von vielen als "inkonsequent" bezeichneten Vertriebspolitik, was die Targa-Desktop-PCs betrifft, hat sich Actebis keine Freunde gemacht. Zwar haben die Soester ihre Eigenmarken-Rechner offiziell eingestampft, beliefern aber weiterhin Lidl, weil hier noch "die rentablen, hohen Stückzahlen" laufen, so die offizielle Begründung aus Soest. Ob nun die Actebis Deutschland, die mit diesen Spot-Deals nichts zu tun hat, oder die AID (Actebis International Distribution) die Geschäfte abschließt, interessiert den Fachhandel wenig.

Auch die Lieferanten betrachten die nicht abreißenden Turbulenzen nur noch mit Unbehagen: "Die Distributionsbranche braucht kein Chaos mehr. Actebis muss zur Ruhe kommen. Denn auch den beiden Münchner Broadlinern tut ein Wettbewerber in Westfalen nur gut", meint einer der bei den Soestern gelisteten Hersteller. Ein anderer stellt aber klar: "Bei Actebis fehlt seit geraumer Zeit das grobe Grundrauschen. Während Tech Data langsam zur Ruhe kommt und Ingram stetig seinen Vorsprung ausbaut, gräbt sich Actebis selbst das Wasser ab."

www.actebis.de

ComputerPartner-Meinung:

Actebis-Chef Michael Urban gerät zunehmend unter Druck: Die Lieferanten sind besorgt, die Kunden üben scharfe Kritik an einer unklaren strategischen Richtung gegenüber dem Fachhandel. Mangelnde Kontinuität und eine ausgedünnte zweite Reihe im Management schaffen im Markt kein Vertrauen. Es stellt sich die Frage, wie lange das Mutterunternehmen Otto die von Urban ausgelösten Turbulenzen noch duldet, ohne einzugreifen. (ch)

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