Kundenansprache per Direktmailing: Die richtige Adresse ist das A und O

03.06.1998

MÜNCHEN: Auch Computerhändler stehen permanent vor der Frage, wie sie zusätzliche Kunden in den Laden bekommen. Neben Anzeigenschaltungen, Hausausstellungen etc. bietet sich auch die Direktansprache von potentiellen Kunden per Mailing als eine Möglichkeit an. Allerdings: Wer keine vernünftige Datenbank hat, kann sein Geld auch sofort aus dem Fenster werfen.Mit der richtigen Adresse steht und fällt der Erfolg des Mailings. Auf kaum einem anderen Gebiet sind aber auch in den letzten Jahren so enorme Fortschritte gemacht worden wie bei der Verfeinerung der Methode, die Zielgruppe einer Direktmarketingaktion so präzise wie möglich zu bestimmen. Idealerweise erhält der Adressat "nur die Angebote, für die er sich wirklich interessiert", faßt Arnold Steinke die Absichten der Adreß-Profis zusammen. Steinke ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Schober Direktmarketing in Ditzingen, eines der führenden deutschen Adreßverlage. "Wir helfen dabei, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen und erfüllen so eine zentrale Leistung für die Marktwirtschaft."

Die großen Adreßverlage besitzen Datenbanken für Business-to-Business-Aktionen wie für Privatkunden. Die Datenbanken werden regelmäßig aktualisiert, bereinigt und erweitert. Diese Adressen kann der Werbetreibende entweder mieten oder kaufen. In speziellen Fällen kann er sich auch sogenannter Brokerlisten bedienen, in denen Adressen von Familien oder Singles stehen, die bereits auf Mailingaktionen positiv reagiert haben. So kann ein Weinversender einem Buchverlag seine Adressen einmalig zur Verfügung stellen. Dahinter steht der Gedanke, daß etwa 40 Prozent der Bevölkerung nicht bereit sind, auf schriftlich unterbreitete Werbung zu reagieren und im Versandhandel zu kaufen.

"Werbebotschaften werden teurer, und die Effizienz von Werbung wird immer geringer", bringt Schober-Chef Steinke die Sache auf den Punkt. Insbesondere über die neuen Medien kommen wir in ein Zeitalter, in dem weniger Bedarfsdeckung als Bedarfsweckung gefragt ist. Um so wichtiger ist es also, das richtige Mailing an den richtigen Adressaten zu bringen und nicht - im schlimmsten Fall - Negativ-Werbung zu betreiben: Verbraucher, die beispielsweise keine Werbepost haben wollen (die sogenannten Robinsons), werden die Automarke, die ständig ihnen ständig ungefragt Mailing zuschickt, eher gezielt ignorieren. Die Palette der Business-to-Business-Adressen umfaßt heute mehrere Tausend Kollektionen mit rund vier Millionen überschneidungsfreier Adressen - von A wie Aalräuchereien über C wie Computerfachhandel bis Z wie Zylinderschloßfabriken. Bei den Privatkunden arbeiten Adreßverlage heute ebenfalls mit sehr feinen Methoden. Unternehmen können umfangreiche Datenbestände nach den für sie relevanten Kriterien durchforsten lassen - so nach

- Einzelhausbewertung (15 Millionen Gebäude sind beispielsweise von Schober vor Ort nach neun Kriterien bewertet),

- Wohntypen (feine Wohngegend bis Wohnsilo),

- Gemeindetypologien (von "ländlich-sittlich" bis Ballungszentren),

- Kaufverhaltenstypologien ("Haus, Heim und Garten", "Luxusartikel-Interessenten") und

- Altersgruppen ("unter 30 Jahre", "über 60 Jahre") mit Anredeschlüssel.

Adreßverlage sind darauf spezialisiert, im Dschungel der Daten-Highways Adressen zu sammeln und aufzubereiten. Sie stützen sich dabei auf die verschiedenartigsten Listen (Telefonbücher, Branchenverzeichnisse, Handelsregister, Geschäftsberichte) und werten die Wirtschaftspresse systematisch aus. Adressen veralten sehr schnell: Jeder zehnte Eintrag im Telefonbuch ist bereits bei dessen Veröffentlichung nicht mehr aktuell. Eine Unzustellbarkeitsquote zwischen drei und zehn Prozent gilt in der Branche als üblich. Wird der Bestand nicht gepflegt, wächst diese Zahl sprunghaft. Die Folge: Immer mehr Mailings schliddern durch die Schredder der Deutschen Post. Schade um das schöne Geld. Umzugsadressen werden von den Adreßverlagen in Zusammenarbeit mit der Post (PostAdress) richtiggestellt.

"Die USA sind uns im Aufbau von Datenbanken um Meilen voraus", sagt Steinke. In den Staaten bauen auch stationäre Händler (also nicht nur Versandhandelsunternehmen) systematisch ihre Kundenkarteien aus und erfassen zum Beispiel über Kunden- und Servicekarten, welcher Kunde was wann kauft und wo er lebt. Da Beruf und soziale Situation bekannt sind, ist es ein Leichtes, festzustellen, daß bestimmte Kategorien von Kunden bestimmte Artikelgruppen und Marken bevorzugen. Stellt das Unternehmen nun fest, daß etwa Ärzte ausgewählte Hochpreisartikel favorisieren, wird es angesagt sein, eine spezielle Mailingaktion für diesen Adressenkreis anzusetzen. Wer schon einmal bei der Metro eingekauft und einen Blick auf den Kassenzettel geworfen hat, wird wissen, daß Artikel, Gebindegrößen, Preise und so weiter akribisch erfaßt sind und damit ausgewertet werden können.

Adreßverlage bringen die Datenbanken ihrer Kunden erst einmal auf Vordermann: Sind die Adressen vollständig? Welche Adressen sind doppelt oder mehrfach vorhanden? Welche Adressen wurden als mehrfach unzustellbar erkannt (sogenannte Nixies)? Darüber hinaus können "Risiko-Adressen" ("Nixie-Z") gekennzeichnet oder ganz gelöscht werden. "Risikoadressen" sind Adressen von Konsumenten, die für das Angebot eines Unternehmens nicht infrage kommen beziehungsweise als Zielgruppe generell ausscheiden.

Je mehr Merkmale bei einer Person oder Firma übereinstimmen, um so feiner kann die optimale Zielgruppe definiert werden. Sie kann im Schnittbereich zum Beispiel der Kriterien "Postkaufaffinität mittel bis hoch", "Gehobene Wohngegend", "Konsumsschwerpunkt Haus, Heim und Garten" und "Männer, älter als 50 Jahre" liegen.

Steinke von Schober Direktmarketing spricht in diesem Zusammenhang davon, "die Nachfrage auf die einzelne Person herunterzubrechen": Der Adreßverlag weiß (über datenschutzrechtlich abgesicherte Umfragen), was die Leute wünschen oder voraussichtlich wünschen, und stellt dieses Know-how seinem Kunden zur Verfügung - für ein einmalige Aktion oder - besser - kontinuierliche Direktmarketingaktivitäten.

Die Marketing-Herausforderung der 90er Jahre ist die eigene Markt-abdeckende Adressen-Datenbank. Wer dabei die Nase vorn hat, dürfte die Konkurrenz auch beim Verkauf um Längen schlagen.

*Matthias Dohmen; Der Autor ist freier Journalist

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