Kundenbindung als Überlebensstrategie im Internet-Zeitalter

24.10.1997
MÜNCHEN: Eine Globalisierung der Märkte und die Entwicklung zum Verkäufermarkt erhöhen immer mehr die Forderungen an den Verkäufer. Der heutige Kunde gilt als gut informiert und ist durch Hard Selling nicht zu gewinnen. Wie läßt sich trotz austauschbarer Produkte und durchsichtiger Märkte eine stärkere Kundenbindung aufbauen? Tips von Helmut Seßler*Ein Trainingsteilnehmer fragte mich einmal: "Was würde geschehen, wenn ein Arzt so arbeiten würde, wie mancher Kundenberater/Verkäufer?" Da ich die Antwort nicht wußte, sagte er zu mir: "Stellen Sie sich vor, ein Arzt würde sich intensiv mit der Entwicklung einer neuen Pille beschäftigen, und dies gelänge ihm auch. Nachdem er die Pille entwickelt hat, geht er auf die Suche nach Patienten, die er mit dieser Pille behandeln möchte. Was würden seine Patienten sagen, wenn er, gleichgültig bei welcher Krankheit, immer wieder versuchte, diese Pille an den Mann/die Frau zu bringen?" Diese kleine Geschichte hat es in sich. Vielleicht ist es die neue Methode, mit Patienten umzugehen. Aber ist diese Methode auch sinnvoll? Die Praxis zeigt ein eher umgekehrtes Bild. Ein Patient kommt zu seinem Arzt und klagt ihm sein Leiden. Danach stellt der Arzt die Diagnose und verordnet aufgrund der Diagnose die notwendigen Medikamente. Das ist die Regel. Das heißt für uns im Verkauf: Manchmal entdeckt man bei Unternehmen eine ähnliche Vorgehensweise wie bei dem oben beschriebenen Arzt, der zuerst die Pille entwickelt und danach seine Patienten sucht.

MÜNCHEN: Eine Globalisierung der Märkte und die Entwicklung zum Verkäufermarkt erhöhen immer mehr die Forderungen an den Verkäufer. Der heutige Kunde gilt als gut informiert und ist durch Hard Selling nicht zu gewinnen. Wie läßt sich trotz austauschbarer Produkte und durchsichtiger Märkte eine stärkere Kundenbindung aufbauen? Tips von Helmut Seßler*Ein Trainingsteilnehmer fragte mich einmal: "Was würde geschehen, wenn ein Arzt so arbeiten würde, wie mancher Kundenberater/Verkäufer?" Da ich die Antwort nicht wußte, sagte er zu mir: "Stellen Sie sich vor, ein Arzt würde sich intensiv mit der Entwicklung einer neuen Pille beschäftigen, und dies gelänge ihm auch. Nachdem er die Pille entwickelt hat, geht er auf die Suche nach Patienten, die er mit dieser Pille behandeln möchte. Was würden seine Patienten sagen, wenn er, gleichgültig bei welcher Krankheit, immer wieder versuchte, diese Pille an den Mann/die Frau zu bringen?" Diese kleine Geschichte hat es in sich. Vielleicht ist es die neue Methode, mit Patienten umzugehen. Aber ist diese Methode auch sinnvoll? Die Praxis zeigt ein eher umgekehrtes Bild. Ein Patient kommt zu seinem Arzt und klagt ihm sein Leiden. Danach stellt der Arzt die Diagnose und verordnet aufgrund der Diagnose die notwendigen Medikamente. Das ist die Regel. Das heißt für uns im Verkauf: Manchmal entdeckt man bei Unternehmen eine ähnliche Vorgehensweise wie bei dem oben beschriebenen Arzt, der zuerst die Pille entwickelt und danach seine Patienten sucht.

Womit beschäftigen sich Firmen zur Zeit? Sind es die neuen Wettbewerber? Oder besser gefragt, ist es die Angst vor diesen Wettbewerbern?

Transparente Märkte führen zu mehr Preiswettbewerb

Die Wettbewerbslage verändert sich permanent, immer neue Wettbewerber kommen hinzu. Die Anbieter nutzen ihre bisherigen Erfahrungen bestmöglich und zeigen sich sehr verkaufsorientiert. Hinzu kommt der Wettbewerbsdruck ausländischer Anbieter, die über deutsche Partner, über Tochtergesellschaften oder Niederlassungen mit aggressiven, professionellen Marketingmaßnahmen immer stärker am Markt agieren. Der Markt ist in Bewegung, der Markt ändert sich. Früher hatten wir es mit einem lokalen, überschaubaren Markt zu tun. Der Markt bestimmte das Angebot, man konnte mehr oder weniger von einem Verteilermarkt sprechen. Heute haben wir globale und transparente Märkte. Hier werden viele gleichartige Produkte auf einem durchsichtigen Markt angeboten. Und das führt immer mehr zum Preiswettbewerb. Der Markt hat sich schon seit einiger Zeit zum Verkäufermarkt verändert.

Auswirkungen daraus kommen heute immer noch deutlich in Erhebungen zum Ausdruck, in denen sich Kunden über Belästigungen, über allzu häufige Ansprache von gleicher Seite, über Hard Selling und Druckverkauf beschweren. Zusätzlich wird immer wieder auf die totale Einseitigkeit in der Interessenlage der Verkäufer hingewiesen. Dies führt verstärkt dazu, daß Verkäufer, die nicht anpassungs- und wandlungsfähig sind, sich auf die Frustrationswelle ihrer Kunden begeben und sagen: "Lieber lasse ich die Finger von dem Kunden, dann kann ich auch keinen Ärger bekommen!"

Wie aber soll es heute und morgen sein? Ich denke, wir sind in erster Linie Problemlöser für unsere Kunden. Das heißt nach der alten Grundregel: Es müssen beide Seiten etwas vom Geschäft haben, nicht nur der Verkäufer. Unter diesem Gesichtspunkt gilt es zu untersuchen, ob es in der Problemstruktur des einzelnen Kunden Verbesserungs- oder Optimierungsmöglichkeiten gibt. Konkret bedeutet dies, nicht nur einseitig Produkte oder Dienstleistungen verkaufen zu wollen. Problem- und lösungsorientiertes Handeln ist angesagt, Beziehungsmanagement wird zu einem immer wichtigeren Verkaufsfaktor.

Aufgeklärte, selbstbewußte Kunden fordern den Ver-käufer

Doch nicht nur der Markt hat sich geändert, auch das Kundenverhalten unterscheidet sich wesentlich von früher. War der Kunde früher unkritischer und wenig aufgeklärt, sogar eher demütig und meist nur einem Lieferanten verbunden, zeigt sich der heutige Kunde ganz anders: Er ist viel selbstbewußter und hat weitaus weniger Vertrauen, er verhält sich nicht ruhig und abwartend, sondern eher fordernd. Oft arbeitet er mit mehreren Anbietern zusammen und kann dadurch sofort Vergleiche anstellen. Er ist durch die Medien informierter und aufgeklärter denn je.

Verbraucherzentralen haben sich mittlerweile zu Wirtschaftsverbänden entwickelt und Medien, wie beispielsweise Wirtschaftsmagazine, haben herausgefunden, wie populär Tests sind. Veröffentlichungen der Testergebnisse sorgen für gute Verkaufszahlen dieser Wirtschaftsmagazine. Es ist davon auszugehen, daß sich der Kunde weiterhin auf solche Testergebnisse über Produkte und Dienstleistungen stützt. Da speziell kundenorientiertes Verkaufen heute einen bedeutenden Stellenwert einnimmt, werden Verbraucherzentralen, Wirtschaftsverbände und Medien Unternehmen und deren Außendienst immer stärker unter die Lupe nehmen, um herauszufinden, wie diese verkaufen. Es wird deshalb von großer Bedeutung sein, wie man als Beziehungsmanager kundenorientiert verkauft. Hier sind nicht nur das mit Sicherheit wichtige Fachwissen, die Produktvielfalt und die Organisationsstruktur gefragt, sondern auch der Umgang mit dem Kunden, die Kenntnis dessen, was er will, das Erfüllen seiner Wünsche und Träume. An die Stelle von Hard Selling tritt gezieltes Beziehungsmanagement!

Hard Selling wird durch Beziehungsmanagement ersetzt

Welcher Wert einer guten Kundenbindung beizumessen ist, stellt sich für die einzelnen Firmen sicherlich unterschiedlich dar. Doch für zukunftsorientierte Anbieter wird Kundenbindung eine der höchsten Prioritäten haben. Um zu verdeutlichen, was Kundenbindung ausmacht, möchte ich die Fragen anders stellen: Was bleibt übrig, wenn wir keine Kundenbindung mehr haben? Worin liegen dann die Vorteile Ihres Produktes, wenn Sie, wenn Ihre Mitarbeiter, wenn Ihr Haus dem Kunden unbekannt und gleichgültig sind? Worin liegt Ihr Unterscheidungsmerkmal zu anderen Wettbewerbern bei gleichen, austauschbaren Produkten, wenn der Kunde zu Ihnen keine Beziehung hat? Wahrscheinlich ausschließlich im Preis!

Für austauschbare Produkte, bei denen es nur auf diesen Faktor ankommt, braucht man weder Berater noch Verkäufer. Man wird sie sich über kurz oder lang auch gar nicht mehr leisten können, denn wenn nur der Preis entscheidet, benötigt man nur noch "Abwickler" sowie den Zugang zu Multimedia. Deshalb spielt gerade in dieser Zeit der austauschbaren Produkte die Kundenbindung eine ganz besonders entscheidende Rolle. Wenn es die Verkäufer nicht schaffen, Kundenbindung herzustellen, taucht die Frage nach deren Existenzberechtigung auf. Warum sollte ein Kunde bei einem Kundenberater/Verkäufer, zu dem er keine Beziehung hat, ein Produkt kaufen, das er anderswo günstiger erhält?

Machen austauschbare Produkte den Verkäufer überflüssig?

Dennoch, Kundenberater und Verkäufer braucht man auch weiterhin, weil viele Geschäftsabwicklungen kompliziert und damit erklärungsbedürftig sind. Allerdings nimmt das "Ausnutzen" der Beratungsleistung in weiten Kreisen der Bevölkerung deutlich zu. Der Fachhandel kann ein Lied davon singen. Denken Sie zum Beispiel an die Elektrobranche. Wie oft werden dort kompetente Beratungen durchgeführt, und der Kunde kauft sich danach das Produkt per Selbstbedienung im Elektrosupermarkt. Die qualifizierte Beratung allein reicht hier nicht aus. Nein, um erfolgreich im Markt bestehen zu können, müssen Sie die Fähigkeit besitzen, Kunden an sich binden zu können.

Kundenbindung entsteht über Beziehungsmanagement, und dies ist nicht nur eine Sache des Wissens, der Organisation und der Produktpalette, sondern vielmehr eine Sache der Einstellung, des Zugehens auf den Kunden und des Umgangs mit ihm. Welche persönliche Einstellung ich vertrete und wie ich es schaffe, mit mir selbst umzugehen, um dieses Verhalten auf meinen Kunden übertragen zu können.

Warum ist Kundenbindung so wichtig? Vielleicht ist sie schlichtweg eine der wichtigsten Überlebensstrategien im Internet-Zeitalter. Geht unter Umständen wirklich alles nur noch über Preis und Konditionen, wenn wir die notwendige Kundenbindung nicht erreichen? Ich möchte hier keine Schwarzmalerei betreiben. Mein Ziel ist es, Sie für dieses Thema zu sensibilisieren, Sie anzuregen, darüber nachzudenken, was Kundenbeziehung und Kundenbindung heute ausmachen. Und, wenn für Sie wichtige Erkenntnisse und Anregungen dabei sind, diese in der Praxis auszuprobieren.

Einfach und doch schwer: freundlich sein und kompetent

Wie kann eine optimale Kundenbindung aussehen, und wie erreichen Sie Zufriedenheit bei Ihrem Kunden? Das ist wie Puzzle spielen, und ein Puzzle hat bekanntlich viele kleine Teile: Zum Beispiel ist es im Verkauf wichtig, regelmäßige Kontakte zu pflegen und eine persönliche Nähe zum Kunden aufzubauen.

Weiterhin sind Wissen um die Kundenwünsche sowie Zukunftspläne von Bedeutung, darüber hinaus aber auch zusätzliche Serviceleistungen wie Veranstaltungen, Einladungen zu Vernissagen, Tips, Aufmerksamkeiten, uneigennützige Empfehlungen, Anteilnahme oder einfach nur eine persönliche Karte zum Geburtstag, die zeigt, daß Sie an ihn gedacht

haben.

All dies hinterläßt beim Kunden einen kompetenten und fürsorglichen Eindruck. Es kann davon ausgegangen werden, daß in dem Maße, in dem einem Unternehmen oder einem Mitarbeiter dieses Unternehmens Kompetenz zugerechnet wird, die Loyalität zu dieser Firma zunimmt und in gleichem Maße die Preisverhandlungen abnehmen. Da heißt es für uns als Verkäufer, freundliche und qualitativ hochwertige Gespräche zu führen, kompetenter in der Beratung zu sein und die Kundenbeziehung ernst zu nehmen. Ich bin davon überzeugt, daß nur die persönliche Bindung, das Qualitätsmanagement, der freundliche Service, die kompetente Beratung, der Blick auf die Kundenorientierung sowie das Treffen schneller Entscheidungen die Dinge sind, die die Überlebenschancen der einzelnen Bereiche maßgeblich beeinflussen.

Fragen Sie sich selbst, was generell an Engagement verbessert werden kann, dann offerieren Sie Ihr Angebot dem Kunden. Wenn der Kunde dieses auf ihn ganz persönlich abgestimmte Angebot erhält, werden Ihre Glaubwürdigkeit und somit die Kundenbindung enorm verstärkt.

Fazit

-Seien Sie Ihrem Kunden nützlich.

- Fragen Sie ihn nach seinen Wünschen.

- Hören Sie ihm gut zu.

- Werden Sie sein Partner.

-Schaffen Sie ein Klima, in dem sich Ihr Kunde wohl fühlt.

Vergleichen Sie dieses Vorgehen mit einer Heirat. Sie würden sicherlich nicht auf die Straße gehen, sich dort den erstbesten Menschen unter den Arm klemmen und ihn zum Standesamt "schleppen". Vielmehr haben Sie schon vorher erst einmal ein angenehmes Klima erzeugt und eine Beziehung aufgebaut. Ebenso ist es mit der Verbindung Kunde und Unternehmen. Das Klima, das Sie mit Ihrem Kunden schaffen, wird in verschiedenster Form die Kundenbindung ausmachen. Für uns Verkäufer bedeutet dies, wie freundlich sind wir im persönlichen Gespräch und besonders am Telefon. Wie kann mich mein Kunde erreichen? Kann ich ihn eventuell zurückrufen? Höre ich ihm genau zu und nehme ich mir ausreichend Zeit für ihn? Dies und einiges mehr macht das Spektrum des Beziehungsmanagers aus - und die Arbeit mit dem Kunden so interessant.

*Helmut Seßler ist Geschäftsführer der Intem-Trainingszentrale in Mannheim.

Zur Startseite