Kundenorientierung im Fachhandel:

15.03.1996
MÜNCHEN: Der richtige Umgang mit dem Kunden gehört zu einem der schwierigsten und sensibelsten Bereiche am Point of Sale. In einem sehr persönlich gehaltenen Beitrag versucht ComputerPartner-Autor Wolfgang Kühn, sich dieser Thematik zu nähern.Dienstleistung in Deutschland. Da treffen Wasser und Feuer aufeinander. Die einen, die von Staatswegen allimentierten Dienstleister, die Beamten, sehen sich allenfalls ihrem Dienstherrn gegenüber verpflichtet. Und die anderen, die mit Dienstleistungen Profil zeigen und Gewinne einstreichen könnten, haben es scheinbar noch nicht kapiert.

MÜNCHEN: Der richtige Umgang mit dem Kunden gehört zu einem der schwierigsten und sensibelsten Bereiche am Point of Sale. In einem sehr persönlich gehaltenen Beitrag versucht ComputerPartner-Autor Wolfgang Kühn, sich dieser Thematik zu nähern.Dienstleistung in Deutschland. Da treffen Wasser und Feuer aufeinander. Die einen, die von Staatswegen allimentierten Dienstleister, die Beamten, sehen sich allenfalls ihrem Dienstherrn gegenüber verpflichtet. Und die anderen, die mit Dienstleistungen Profil zeigen und Gewinne einstreichen könnten, haben es scheinbar noch nicht kapiert.

Wie anders sind die Klagen der Konsumenten, der Käufer zu verstehen, die sich allzu häufig eher in der Rolle von Bittstellern denn als König Kunde sehen. Das beginnt nicht zuletzt beim Preis- und Tarifgefüge der Anbieter. Selbst die im Privatisierungsumbruch befindliche Telekom zeigt es den Telefon- und Datennetznutzern einmal mehr, wie weit man sich vom Kunden entfernen kann: Die neuen Telekom-Tarife werden in ihrer irrwitzigen Systematik allein noch vom komplizierteren Steuerrecht übertroffen.

Aber bitte keine Schadenfreude aus der Richtung Computerhandel und Systemhäuser.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Denn was sich oft hinter diesen Ladentüren abspielt, spottet jeder Beschreibung. "Geht nicht", "Ham wir nicht", "Weiß ich nicht". Das sind nur einige der kurzen, knappen Antworten, die ComputerPartner bei einigen Computer-Fachhändlern und Computer-Märkten hörte. Daß während unserer Stippvisite gelegentlich auch die liebenswerte Floskel "Kollege kommt gleich" fiel, sei nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt. Natürlich kam der Kollege nicht gleich. Wozu auch. Man hat als streßgeplagtes Verkaufspersonal schließlich Besseres zu tun, als sofort mit einem freundlichen, hilfsbereiten Lächeln auf den Kunden zuzugehen. Das, bitte schön, könnte ja nach Dienstleistung aussehen. Und wer möchte in diesem Land schon gern jemand sein, der Dienste leistet. Da ist es schon einfacher, die verpackte Ware über die Ladentheke zu schieben mit dem Befehl: "Zahlen an der Kasse."

Kundenorientierung zahlt sich aus

Und sollte denn gar jemand sich erdreisten, wenige Minuten vor Ladenschluß noch Auskünfte über einen neuen Pentium-Rechner zu wünschen, der wäre besser gleich daheim geblieben. Schließlich haben wir Deutschen ein Prinzip. Und das orientiert sich an Richtlinien. Selbst wenn es nur der Ladenschluß ist. So wundert es nicht, daß den deutschen Unternehmen jahrein, jahraus Milliardengewinne entgehen, nur weil unfreundliche und unfähige Angestellte den Kunden verschrecken. Wohl gemerkt, das beginnt in den Amtsstuben und setzt sich fort bis hin zum vielgelobten Fachhandel. Selbst Finanzdienstleister wie Banken und Sparkassen sind noch weit vom Dienst am Kunden entfernt. So hat auch der bei Millionenverlusten nicht sonderlich pingelige Deutschbanker Hilmar Kopper ("das sind Peanuts") selbstkritisch festgestellt: "Wir könnten unsere Vertriebsleistung im Inland um 25 Prozent steigern, wenn sich alle Beschäftigten angewöhnen, jeden Kunden, den sie sehen, freundlich zu begrüßen."

Bei solcher Einsicht erscheint es schon selbstverständlich, wenn sogar das den Arbeitgeberverbänden nahestehende Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) den Führungskräften dieses Landes in puncto Service "einen enormen Nachholebedarf" attestiert. Aber genau da fängt das Problem an. Getreulich dem alten Sprichtwort, "der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", reflektieren die Mitarbeiter das Verhalten des Chefs. Rüder Umgangston, mangelnde Flexibilität, fehlendes Verständnis für die Probleme des Kunden und schlichtweg die Unfähigkeit, zuhören zu können, sind nur einige Punkte, die Unternehmensberater regelmäßig in ihre Mängellisten über den Fachhandel aufnehmen müssen.

Kundenpflege ist billiger als Neukundenjagd

Und so bleibt es nicht aus, wenn Marktbeobachter wie Droege & Comp. aus Düsseldorf nur bei mageren 24 Prozent aller Unternehmen festgestellt haben, daß sie "über sehr zufriedene Kunden" verfügen. Dabei sind zufriedene Kunden ungemein wichtig für den Handel. Für Unternehmensberater eine einfach zu beziffernde Rechengröße: Einem Händler komme es demnach sechsmal teurer, einen Neukunden zu gewinnen, als einen Stammkunden zu halten. Mehr noch: Hat es sich ein Händler bei einem Käufer verscherzt, dann gibt der Kunde seine negative Erfahrung im Schnitt an neun bis 15 Personen weiter. Bei positiven Erfahrungen hingegen an drei Personen.

Der Ton macht die Musik

Doch mit markigen Worten und gutem Willen allein ist die Situation nicht zu retten. So plädiert Jürgen Schmidt, Berater und Trainer der Marketing & More in Olching bei München für ein ausgefeiltes Argumentationstraining der Händler. "Es kommt nicht nur darauf an, was ich dem Kunden erzähle, sondern auch wie ich es ihm sage. Ansprache der Interessenten, Vorteile und Nutzen anbieten gehören ebenso dazu, wie allgemeine Unternehmensleistungen, zuhören können, Bedarfsentwicklung erkennen, Reaktionen abverlangen, positiven Druck ausüben und vieles andere mehr."

Voraussetzung dafür aber ist Menschenkenntnis. "Sich selbst richtig erkennen und darüber hinaus sich besser auf die unterschiedlichsten Gesprächspartner einstellen zu können, muß gelernt und immer wieder trainiert werden." Erst dann sei es möglich, sich selbst zu motivieren und vor allem andere, zum Beispiel der Vertriebsmitarbeiter die Händler, der Händler seine Verkäufer oder der Verkäufer den Kunden.

Ähnlich betrachtet auch Gerhard J. Pleil das Manko um die Kundenzufriedenheit. So kritisiert der Inhaber der PMI Marketing- und Informationstechnologie in Kempten fehlendes Marketingwissen und mangelhafte betriebswirtschaftliche Kenntnisse bei vielen Händlern. "Das führt zwangsläufig zu kurzfristigem Denken beim Handel. Darunter leidet letztendlich auch die langfristige Kundenbindung." Zwar sei es richtig, wenn der Handel vorrangig den Umsatz im Kopf hat. "Doch wer nur in Umsatzgrößen denkt und nicht die Faktoren Kundenzufriedenheit und Kundenbindung berücksichtigt, hinterläßt verbrannte Erde."

Diesen Umstand führt Pleil darauf zurück, daß "viele Händler selbst als Verkäufer gestartet sind". Sie würden primär nur ans Verkaufen denken. "Gute Händler dagegen haben eine intensive Beziehung zum Kunden aufgebaut, holen einen großen Teil ihres Umsatzes aus dem Kundenbestand. Die anderen hingegen fliegen von einer Blüte zur anderen. Das ist zeit- und kostenintensiv."

Lediglich 20 bis 30 Prozen der deutschen IT-Händler, so die Beobachtung des bayerischen Unternehmensberaters, leisten eine kundenorientierte Arbeit, die diese Bezeichnung wirklich verdient. "Weitere 20 bis 30 Prozent haben das Defizit erkannt, verfügen aber nicht über die Fähigkeiten, Mechanismen und Instrumentarien, dies zu ändern. Diesen ist zwar noch zu helfen, aber sie brauchen die richtigen Tips. Und beim Rest der Händler lohnt es sich nicht. Die leben nur von heute auf morgen", lautet die Einschätzung Pleils.

Deshalb propagiert er als ersten Schritt die Selbstanalyse. "Am besten ist es, sich mal für ein Wochenende einzuschließen und genau die eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren. Das Ergebnis muß dann lauten: Konzentration auf die eigenen Stärken, und die kontinuierlich ausbauen."

"Dienstleistung beginnt im Kopf"

An diesem Punkt setzt auch Dieter Buttler an, der seit nahezu 20 Jahren Vertriebsmitarbeiter und Verkäufer trainiert. "Dienstleistung", so Buttler, "beginnt im Kopf." Sich immer wieder auf Menschen, auf Situationen, auf ein Umfeld einstellen, darauf komme es an. So übt er zum Beispiel im Sharp Trainingscenter mit seinen Teilnehmern den Umgang mit "unvermeidlichen Barrieren". Dadurch sollen die Aspiranten lernen, Chancen in den Hindernissen zu sehen. Nach Beobachtungen des Gründers des Seevetaler Unternehemens "die-trainier-werkstatt" stehen viele Verkäufer mit einer unbewußten Angst vor Widerspruch und vor Einwänden vor ihren Kunden. Statt im geschickten Umgang mit Einwänden die wahren Motive des Kunden herauszufiltern, erzeugen schlechte Verkäufer Gegendruck oder greifen zu Aggression. Wirkliche Lösungen findet man nur mit echtem Verständnis und ehrlichem Interesse. Buttler fordert:

"Die Echtheit muß rüberkommen."

Erfolgsfaktor "persönliche Chemie"

Ähnlich argumentiert auch Ralf Strambach. Der geschäftsführende Gesellschafter der Strambach Consulting GmbH in Karlsruhe stellt zum Stichwort Beziehungsmanagement fest: "Kommt zum Beispiel in gesättigten Märkten mit austauschbaren und vergleichbaren Produkten keine emotionale Beziehung zwischen Verkäufer und Kunde zustande, also auch kein Vertrauen, dann hat meistens der Preis und nicht der Mitarbeiter als Mensch den größten Einfluß auf die Kaufentscheidung. Nach dem Motto ,Heute kaufe ich hier und morgen dort' maximiert der Kunde seinen Nutzen über den Preis."

Deshalb müsse auch im Einzelhandel darauf geachtet werden, daß "die sozialen Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager im Mittelpunkt stehen und nicht allein das Produkt oder die Dienstleistung". Diese von ihm als Beziehungsmanagement genannte Verhaltensweise sei "eine realistische Chance, um in veränderten und wettbewerbsintensiven Märkten Souveränität zu gewinnen".

Dabei scheint ein angespanntes Verhältnis zwischen Kunden und Verkäufer im gesamten Dienstleistungsbereich üblich zu sein. Wilfried Malcher, Leiter der Bildungsabteilung im Hauptverband des Deutschen Einzelhandels in Köln, weiß, "wo es um Kunden-Verkäufer-Beziehungen geht, da hapert es irgendwo". Erschwerend komme im Handel hinzu, daß die "Erwartungshaltung bei Kunden und Verkäufern manchmal ziemlich konträr geht". Die Kunden würden oftmals zuviel vom Verkaufspersonal erwarten. Das fange bei den Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen an, unter denen die Verkäufer tätig sein müßten, und ende nicht zuletzt damit, daß die Kunden in genau diesen Geschäften Beratungstätigkeit erwarten würden, die dort überhaupt nicht angeboten werden. Zumal in solchen Geschäften kein entsprechend qualifiziertes Personal eingestellt werden würde.

Handel hat die Fäden in der Hand

Hinzu komme das falsche Verständnis "mancher Kunden zu dem Begriff König Kunde". Die würden gegenüber dem Verkäufer auftreten, als ob sie einen Untergebenen vor sich hätten. "Das ist in Deutschland leider sehr viel stärker ausgeprägt als in anderen Staaten."

Dabei liegt die Schuld in der Tat nicht immer beim Händler, wenngleich er die Fäden über Kundenzufriedenheit in der Hand hält. Nur: Umsatzzahlen, Margen, schneller Produktwechsel und anderes mehr bereiten ihnen gerade in dieser schnellebigen Branche der Computerhard- und software nicht wenige Sorgen. Andererseits gilt, wer sein Feld gut bestellt hat, braucht sich um die Ernte nicht zu sorgen. So jedenfalls sieht es Klaus Kropp.

Schulterschluß mit dem Kunden

Der Marketingspezialist beim Berliner Distributor More GmbH sieht im EDV-Markt noch immer "eine Goldgrube". Allerdings müsse die erarbeitet und sorgfältig behandelt werden. "Das fängt beim Handel damit an, daß der Verkäufer auch den Kunden zuvorkommend bedient, der vielleicht nur eine Tintenpatrone kauft." Denn wer sich gut bedient fühlt und beim Fachhändler für einen Verbrauchsgegenstand wie einer Tintenpatrone nicht mehr zahlen muß als in einem der Großmärkte ("Bei solchen Produkten können auch die Multis nicht im Preis wesentlich runtergehen"), "der kauft auch irgendwann einmal einen Drucker". Wichtig ist für Kropp "der Schulterschluß mit dem Kunden". Wer Problemlösungen anbiete und diese nicht von der Verkäuferseite, sondern aus der Sicht des Kunden angeht, "wird auch Erfolg haben". (wk)

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