Kurse der Internet-Provider entwickeln sich stabiler

14.03.2002
Im Laufe des Jahres wollen mehrere große Internet-Provider die Zugangspreise erhöhen und neue Inhalte kostenpflichtig anbieten. Dies könnte den Aktienkursen auf die Sprünge helfen. Aber das ist derzeit noch Zukunftsmusik.

Aktuell ist die Bilanz nicht gerade rosig. Denn in den vergangenen Wochen sind die Kurse nach der kräftigen Erholung bis Mitte Dezember wieder deutlich gefallen. Und von ihren Höchstständen im Jahr 2000 sind sie meilenweit entfernt. Das liegt an der insgesamt unsicheren Börsentendenz speziell im Sektor Technologiewerte, aber auch an den wenig ermutigenden Gewinnaussichten. Die meisten Internet-Provider machen dicke Verluste. Der schon lange angekündigte Turnaround lässt - trotz einiger Fortschritte - auf sich warten.

Selbst Gesellschaften mit einer re-lativ guten Position tun sich hart, zum Beispiel die spanisch-amerikanische Kombination Terra-Lycos. Sie wollte eigentlich schon 2001 schwarze Zahlen schreiben. Wenigstens ist im dritten Quartal dank Kosteneinsparungen und positiver Umsatzentwicklung die Verlustreduzierung gelungen. Vermutlich wird es bei der Telefónica-Tochter auch im laufenden Jahr ein Minus geben.

Ebenfalls Fortschritte verzeichnet T-Online, mit zehn Millionen Kunden größter europäischer Anbieter. Er fuhr im Deutschlandgeschäft im dritten Quartal einen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) von 0,9 Millionen Euro ein. Grund: Der mit großen Verlusten behaftete Anteil der Flatrate-Kunden war durch Auslaufen der Verträge komplett abgebaut worden. Das Gesamtergebnis dürfte sich indessen auf rund 200 Millionen Euro Minus belaufen - die teuren Auslandstöchter kosten Geld - bei einem Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro.

Dennoch sprang die Aktie vor Weihnachten von sechs auf 15 Euro. Im Januar kostete sie dann wieder zehn Euro. Die Achterbahnfahrt der Papiere dürfte anhalten. Ob das Vorhaben neuer, kostenpflichtiger Inhalte aus Kultur, Sport, Wirtschaft und Wissenschaft einschlägt, bleibt abzuwarten. Auch sonst ist keine Goldgrube in Sicht - trotz der vielen Einsparmaßnahmen.

Die Umsatzrendite im Zugangsbereich dürfte langfristig nur im einstelligen Prozentbereich liegen. Der Internetzugang ist die Hauptquelle der Erlöse. Außerdem nimmt trotz Übernahmen und Branchenkonsolidierung der Wettbewerb in der Branche eher zu. AOL und Microsoft wollen in Europa mehr Marktanteile einheimsen. Die einstige Internethoffnung Excite@Home hat im vorigen Herbst Gläubigerschutz beantragt. Der Kurs des Bankrot-teurs notiert unter einem Cent, in den besten Zeiten waren es einmal annähernd 100 Dollar.

Wenig Hoffnung haben die Experten auf ein schnelles Wachstum im Werbemarkt, der zweiten Ertragssäule. So liegt der Online-Anteil an den gesamten Werbeausgaben der Wirtschaft in Europa bei nur einem, in den USA bei vier Prozent. Für 2002 prognostizieren die Analysten der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein (DKW) eine Zunahme um zwölf Prozent auf europaweit 636 Millionen Euro.

Auch die Einnahmen aus E-Commerce-Einkäufen bleiben wegen der Zurückhaltung der Nutzer weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Die künftige Geschäftsentwicklung ist nur schwer einzuschätzen. Möglich erscheinen negative wie positive Überraschungen. Vielleicht hilft der nächste Wirtschaftsaufschwung den Internet-Providern auf die Sprünge.

T-Online will 2002 raus aus den roten Zahlen

Sicher erscheint jedoch, dass die Zukunft in kostenpflichtigen Angeboten liegt, die in hohem Maß auf die breitbandige Übertragung per Kabel, DSL und auch den UMTS-Mobilfunk zugeschnitten sind. Da besitzen Internet-Provider mit "Telecom-Müttern" die besten Chancen - also T-Online (Deutsche Telekom), Wanadoo (France Télécom) undTerra-Lycos (Telefónica/Spanien) - Vorteile. Der italienische Anbieter Tiscali hat keinen Konzern hinter sich stehen. Die Mehrzahl der rund sieben Millionen Tiscali-Kunden loggt über Internet-by-Call-Verfahren ein - ohne festen Vertrag, wie es bei Wanadoo oder T-Online der Fall ist. Der erwartete Umsatz für 2001 liegt bei rund 770 Millionen, die Verluste bei rund 250 Millionen Euro. Tiscali wuchs in den vergangenen zwei Jahren vor allem durch Übernahmen wie der niederländischen Firmen World Online und Liberty Surf. Wanadoo erzielt unter anderem auch Einnahmen aus dem Betrieb der "Gelben Seiten" in Frankreich.

Bei T-Online macht der Anteil von Werbung und Inhalten weniger als 20 Prozent vom Geschäft aus, der Internetzugang bringt viel mehr. Im Laufe dieses Jahres soll die Gewinnschwelle- vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) - erreicht werden. Die Kurse der anderen am Neuen Markt notierten Anbieter neigen ebenfalls zu plötzlichen Ausreißern, um dann wochenlang wieder vor sich hinzudümpeln. Freenet.de plant, der Muttergesellschaft Mobilcom die Festnetzanlagen abzukaufen, was den Weg zur Profitabilität abkürzen würde. Dazu bräuchte Freent aber neues Kapital, was schwierig sein wird.

Beim gut sortierten Online-Finanzinformationsanbieter Onvista AG geht es erst wieder aufwärts, wenn das Börsengeschäft nachhaltig anzieht. Lycos Europe hat den dicken Verlust ein wenig reduzieren können und will die Gewinnschwelle im vierten Quartal 2002 erreichen statt erst im zweiten Halbjahr 2003. Die Aktie notiert unter einem Euro und ist vielleicht spekulativ interessant. Bei Web.de lobten Analysten die Barreserve von 120 Millionen Euro. Der Kurs zeigt bislang jedoch wenig Ansätze zu einem Aufschwung. Die Wende in die Gewinnzone erwarte man frühestens für das vierte Quartal 2003, meint die Hypo-Vereinsbank.

Viel Aufregung herrscht zurzeit um Yahoo. Nach langer Talfahrt ist die Aktie kürzlich wieder auf über 20 Dollar gestiegen. Zwar stimmt das Umsatzwachstum, die Gewinne bleiben jedoch dürftig. Hier soll die neue Strategie helfen: Man will das Angebot von kostenpflichtigen Diensten massiv ausbauen. Erst kürzlich übernahm Yahoo die Online-Jobbörse Hotjobs. Im November hatte Yahoo-Chef Terry Semel eine grundlegende Änderung des Geschäftsmodells angekündigt. Die Idee ist nicht neu: Bereits vor zwei Jahren wurden solche Schritte angekündigt.

Mit der Umsetzung haperte es jedoch. Insgesamt ist das YahooPapier viel zu teuer. Mittelfristig ist auch eine Fusion mit einem Old-Economy-Unternehmen nach dem Vorbild von AOL/TimeWarner denkbar. AOL wird dank seiner zahlreichen Inhalte und Verwertungsmöglichkeiten das Ergebnis pro Aktie um 15 Prozent auf 1,50 Dollar in 2002 steigern können. Im Verhältnis zu den vielen Kaufempfehlungen müsste der Aktienkurs eigentlich noch zulegen. (kk)

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