Lassen Sie Ihre Briefe von einem Literaturprofessor abtippen?

28.05.1998

Geht es Ihnen auch so? Sie öffnen die Wochenendausgabe Ihrer Tageszeitung, um in der Rubrik Stellenanzeigen nachzusehen, ob Ihre Arbeitskraft nicht woanders besser eingesetzt wäre. Nun, wie man allerorten liest und hört, werden IT-Fachkräfte und Computerprofis gesucht. Tausende offener Stellen und keine Bewerber, ha! Was wird denn gesucht? Normalerweise brauchen die Firmen jemanden, der für die Angestellten die Büro-PCs auf Vordermann bringt, updatet und bei Problemen Ansprechpartner ist. Im Produktionsbereich sollte jemand Schnittstelle zwischen Produktionsleitung und Supportfirma sein. Für den Einkauf braucht man jemanden, der Marktpreise und Gepflogenheiten kennt und unterscheiden kann zwischen billigem und teurem Mist, um die Angebote prüfen und bewerten zu können. Größere Unternehmen brauchen für ihre innerbetriebliche Weiterbildung Trainer, um beispielsweise Versionswechsel vorzubereiten, durchzuführen und zu begleiten.Das ist, ganz grob, was ein Unternehmen in freier Wirtschaft oder im kommunalen Bereich an humaner IT-Ressource braucht. Aber was wird gefordert? Diplomingenieure, um eine Festplatte zu installieren, Informatiker um den Bildschirmschoner abzuschalten, oder Anwendungsprogrammierer, um Office zu installieren. Daß dabei die vorhandenen Studienabgänger jubeln, ist verständlich, aber drei bis sechs Monate später sucht die gleiche Firma einen Neuen für die Stelle.

Ein Bildungssystem, welches die Vergangenheit lehrt und drei bis fünf Jahre hinter dem Istzustand hinterherläuft, kann unseren Markt nicht bedienen. Folgerichtig muß die Ausbildung für betriebsspezifische Aufgaben von den Firmen geleistet werden. Ein Informatiker ohne Praxiserfahrung ist in einem Herstellungsbetrieb so notwendig wie eine zweite Hupe am Auto. Ein Praktiker, der die Abläufe kennt, hat nach Ansicht der Herren Chefs nicht den nötigen Titel, um so viel Geld zu verdienen. Was ein Diplomingenieur bei der Hardwarewartung eines PC-Netzwerkes machen soll, ist mir ebenso schleierhaft wie die Anforderung, daß der technische Einkäufer einer Verwaltung eine Beamtenprüfung haben muß. Ich kann in meinem Betrieb niemanden gebrauchen, der über Quantenphysik referiert, aber keine Ahnung hat, in welcher Richtung sich der Kreuzschlitz beim Öffnen eines PC-Gehäuses drehen muß.

Liebe Personalchefs, da gibt es Praktikanten mit technischem Engagement und natürlichem Denkvermögen, die 95 Prozent einer IT-Ingenieursstelle ausfüllen könnten. So wenig, wie es einen Ausbildungsberuf "Erfinder" gibt, so wenig werden die Wunschzettel der IT-Stellenangebote erfüllt. Akademiker gibt es mehr als genug. Profis mit gewachsener Erfahrung und Sachverstand habt Ihr aber keine, und so bekommt Ihr sie auch nicht. Versucht es doch einmal so: "Suchen dringend PC-Profi für aktuelle Hard- und Software. Anständige Bezahlung für anständige Arbeit garantiert!"

Ihre Briefe lassen Sie doch auch nicht von Literaturprofessoren tippen, oder?

Bis bald, Euer Querschläger!

Der neue ComputerPartner-Autor "Querschläger" ist ein Fachhändler aus Rheinland-Pfalz.

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