Latentes Risiko für den Händler

22.11.2001
Anwalt Bernd Harder* zu Chancen und Risiken, die sich durch das neue Schuldrecht für Hersteller und Fachhandel ergeben.

Neues Schuldrecht ab 1. Januar 2002: Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts wurde in der endgültigen Fassung am 9. November 2001 vom Bundesrat verabschiedet und tritt bereits Anfang Januar 2002 in Kraft. Es greift so stark in die Struktur des bisherigen Schuldrechts ein. Verschiedene Anlässe führten zu dieser Gesetzesnovelle: Zum einen bestand die Verpflichtung Deutschlands, mehrere EU-Richt-linien in deutsches Recht umzusetzen, die zentrale Punkte des Vertragsrechts betreffen. Den größten Änderungsbedarf löste die Richtlinie zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter aus. Ein zentraler Punkt der Änderungen ist dabei die Verjährung.

Betrug die bisherige Verjährungsfrist bei Ansprüchen wegen mangelhafter Leistungen sechs Monate ab Lieferung, so ist sie ab 2002 nach # 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB grundsätzlich auf zwei Jahre verlängert. Diese der europäischen Harmonisierung dienende Frist kann von einem Hersteller oder Händler gegenüber einem Verbraucher nicht verkürzt werden, es sei denn, es handelt sich um eine gebrauchte Sache.

Eine weitere neue Regelung kann jedoch die Versuche zur Reduktion der Verjährungsfrist wieder zunichte machen: der Rückgriff des Unternehmers nach # 478 BGB. Danach besteht im Falle einer Lieferkette, in deren Verlauf oder an deren Ende sich ein Verbraucher befindet, die Möglichkeit der Regressnahme beim jeweiligen Vorlieferanten, wenn der Verbraucher seine Rechte wegen Mangelhaftigkeit der neu hergestellten Sache geltend macht. Entsprechende Aufwendungsersatzansprüche verjähren in zwei Jahren ab Ablieferung der Sache und stellen damit ein latentes Risiko für den Händler dar. Gleichzeitig verweist das Gesetz jedoch auf die unverzügliche Untersuchungs- und Rügepflicht des Händlers nach # 377 HGB, sodass die Zukunft erst zeigen wird, welche Regelung die höhere Schutzkraft entwickelt.

Schließlich bietet das neue BGB für Hersteller und Händler die Möglichkeit zur Übernahme einer Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie. Neu ist hierbei die Tatsache, dass dem Käufer im Garantiefall parallel zu den Mängelansprüchen auch Ansprüche zu den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen zustehen. Dementsprechend sind alle Werbeaussagen auf ihre mögliche Wirkung als Garantieerklärung zu überprüfen.

Zum anderen war Anlass für das Reformpapier die Tatsache, dass das über 100 Jahre alte BGB an die heutigen Lebenssachverhalte anzupassen war. Hinsichtlich dieser Maßnahmen stand die Bundesregierung jedoch nicht so stark unter Zeitdruck wie bei der Umsetzung der vorbeschriebenen EU-Richtlinien. Wenngleich zu begrüßen ist, dass die kaufrechtlichen Regelungen dem internationalen Kaufrecht, das im Rahmen der Globalisierung immer größere Bedeutung erlangt, in wesentlichen Teilen angenähert wurde, Verjährungsregelungen insgesamt praxisorientierter erfolgen. So sind insbesondere den IT-Bereich betreffende Fragestellungen mangels Anhörungen nicht geregelt oder in den Auswirkungen bedacht worden.

So konnte oder wollte der Gesetzgeber bereits über zwei Jahrzehnte hinweg diskutierte Haftungsregelungen, die für Hersteller und Handel in der Branche von erheblicher Relevanz sind, nicht abschließend bestimmen. Das Kaufrecht sieht zwar künftig neben Nachbesserung, Minderung und Rücktrittsmöglichkeit auch Schadenersatzansprüche vor. Umso wichtiger wird es, künftig wirksame Haftungsbegrenzungen durchsetzen zu können. Allerdings lässt auch diese Schuldrechtsreform ungeklärt, ob man die Haftung für entgangenen Gewinn grundsätzlich ausschließen oder die Haftung auf die Höhe der Vergütung oder ein Vielfaches hiervon beschränken kann. Ebenso wenig gibt der Gesetzgeber Auskunft darüber, was Kardinalspflichten sind, bei deren Verletzung auch der Haftungsausschluss für die einfache Fahrläs-sigkeit nach der Rechtsprechung wahrscheinlich nicht möglich ist.

Die teilweise erhöhten Haftungsrisiken für Hersteller und Händler aus zusätzlichem Schadenersatzanspruch mit verlängerten Verjährungsfristen kann unter Umständen zu erhöhten Rückstellungen und veränderten Berichtswesen bei insbesondere in den USA börsennotierten Unternehmen führen.

Auch über diese möglichen Auswirkungen wird in den nächsten Monaten und damit bereits nach Inkrafttreten des Gesetzen zu diskutieren sein.

*Bernd Harder ist Partner der Rechtsanwälte GbR Gräfe & Partner in München und Rechtsvorstand des Interessenverbandes Bitkom.

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