Leasinggeber in der Pflicht: Neue Angebote interessant, aber kaum einer kennt sie

27.08.1998

MÜNCHEN: Unisono propagieren IT-Hersteller und Distributoren sowie Finanzierungsunternehmen Leasing als günstige Alternative zum Kauf von Computersytemen. Unter anderem dienen niedrige Hardwarepreise - und damit niedrige Raten - oder auch kürzere Produktzyklen als Argumente. Doch just die selben Argumente führen auch die Skeptiker ins Feld. Der Markt gibt ihnen offenbar recht: Leasing spielt bei IT-Investitionen in Deutschland derzeit noch eine untergeordnete Rolle.Das IT-Investitionsvolumen in Deutschland schätzt US-Marktforscher International Data Corporation (IDC) für dieses Jahr auf über 70 Milliarden Mark. Gesicherte Zahlen zur Leasing-Quote exisitieren nicht, allenfalls Schätzungen. So beziffert Arno Städtler, Analyst beim Münchner Ifo-Institut, den Leasinganteil mit 15 bis 20 Prozent. Wobei er relativiert: "Wir erheben keine separaten Daten für den EDV-Bereich, sondern zusammen mit Büromaschinen." Und Kopierer beispielsweise werden häufiger geleast als Computer.

Leasingquote einst über 50 Prozent

Daten über Leasing sammelt Ifo seit 1982. "Damals lag die Quote über 50 Prozent", weiß Städtler, der eine Begründung parat hat: "EDV-Leasing bestand überwiegend aus Mainframes." Das Gros dieser Giganten war beispielweise bei IBM nur auf dem Miet- oder Leasingweg zu erhalten. "Wir haben diese bis zu 50 Millionen Mark teuren Geräte gar nicht verkauft", bestätigt Thomas Stahl, Manager Finanzierungsmarketing Geschäftspartner bei der IBM Informationssysteme GmbH in Stuttgart.

Die IT-Investitionen sind laut Ifo seit Anfang der 80er Jahre bis heute um 250 Prozent, das Leasingvolumen nur um 50 Prozent gestiegen. Der Preisverfall für Hardware habe die Quote gedrückt. Doch Städtler prophezeit einen Aufschwung. "Besonders neue Angebote wie komplettes Projekt- oder Serviceleasing gewinnen an Bedeutung." Die Basis hierzu wurde durch die Novellierung des Urheberrechts vor fünf Jahren gelegt, die Leasing auch für immaterielle Güter ermöglichte.

"Wir pushen gezielt Projektleasing", setzt Dorle Seifert, Kreditmanagerin beim Münchner Distributor Ingram Micro, verstärkt auf diese noch junge Geschäftsform. Genaue Daten gibt sie nicht preis. Nur soviel: "Die Tendenz weist deutlich nach oben." Und die Quote sei zweistellig.

IBM-Manager Stahl hat insgesamt im Leasinggeschäft "einen rapiden Anstieg" ausgemacht. "Vor allem durch den Trend zu Total Solution Leasing und Technologieleasing." Konkreter äußert sich Werner Bukowski, Leasing Manager bei der Silicon Graphics GmbH in Grasbrunn. "Wir werden im zweiten Quartal dieses Jahres eine Leasingquote von 15 Prozent erreichen." Auf etwas niedrigerem Niveau bewegen sich die Vorgaben beim benachbarten Server-Konkurrenten Sun Microsystems. Michael Schweda, Leasingmanager bei den Grasbrunnern: "Wir peilen 1998 an, zehn Prozent unseres Umsatzes über Leasing zu erwirtschaften." Langfristig soll der Anteil auf 30 bis 40 Prozent wachsen.

Entscheidende Bedeutung kommt den Partnern zu. Mit den Leasingangeboten sollen primär mittelständische Unternehmen adressiert werden, die ihre Budgets durch die Investition in neues IT-Equipment oftmals arg belasten müssen. Und nahezu alle Hersteller setzen im Mittelstandsmarkt auf indirekten Vertrieb (siehe ComputerPartner 11/98, Seite 88). Für Schweda lautet die Botschaft, die der Händler seinen Kunden vermitteln muß: "Nutzen statt kaufen. Weg von der Finanzierung hin zum Technologieleasing."

Die Parole vom Nutzwert führt auch Stefan Ehlers, Vertriebsleiter bei der Hamburger Alpha Leasing GmbH. Er hält dem Handel vor, daß er "die Vorteile des Leasings nicht strategisch einsetzt." Hierin sieht er den Hauptgrund für dessen schwache Marktbewertung: "Höchstens bei fünf Prozent", stuft er die IT-Leasingquote ein.

Matthias Gottschalk, Geschäftsführer der Münchner Best Systeme GmbH, widerspricht Ehlers' Vorwurf der Passivität: "Wir bieten dem Kunden Leasing aktiv an. Aber selbst bei einem knappen Budget wird lieber eine Anlage gekauft, die in den finanziellen Rahmen paßt."

Kunden zeigen "so gut wie keinen Bedarf"

Zumindest mit seiner niedrigen Schätzung geht Ehlers konform mit den meisten EDV-Händlern. Sogar noch dürftiger beurteilt Thomas Bachert, Geschäftsführer des Netzwerkspezialisten Bachert Datentechnik GmbH im hessischen Solms, den Status quo: "Leasing ist bei uns sehr selten." Bachert weist indes auf größere Investitionssicherheit im Netzwerkbereich hin, insbesondere bei der Verkabelung.

Ebenso tief setzt Reiner Priemer, Leiter Projektvertrieb der Everyware GmbH in Pohlheim, an: "Bei uns wird maximal ein Prozent des Umsatzes über Leasing abgewickelt." Everyware realisiert überwiegend Projekte mit Sparkassen, aber auch bei Kunden aus der freien Wirtschaft hat Priemer "so gut wie keinen Leasingbedarf festgestellt".

Mit seiner Zahl von einem Prozent liegt Priemer unter der Schätzung von Experten, die den Anteil des Projekt- und Serviceleasings auf knapp fünf Prozent beziffern. Hier kommt ein Hauptargument der Leasinggeber nicht so recht zum Tragen: Kalkulierbare IT-Kosten sind auch durch Wartungs- und Supportverträge im "klassischen" Outsour-cing gewährleistet.

Und wie ist es um die niedrigen Leasingraten bestellt? "So ein Schmarrn", entfährt es Benno Knöbel, Geschäftsführer der Münchner Backup Computer Vertriebs GmbH. "Bei dem Preisverfall spielt Leasing keine Rolle." Das gilt unabhängig von der Größe des Unternehmens: "Auch bei Projekten im sechsstelligen Bereich wollen die Kunden kaufen." Er könne es nicht verstehen, wie Leasingunternehmen in der IT-Branche überhaupt bestehen könnten.

Nur bedingt teilt Katja Minhoff vom Berliner Systemhaus Minhoff GmbH diese Auffassung. "Leasing lohnt sich für kleine, junge Unternehmen, die nicht über die nötige Liquidität verfügen." Just hier seien Finanzierer bei ihren Bonitätsprüfungen zögerlich. Verständlicherweise, würden doch im Bereich Internet viele Start-up-companies nicht lange überleben. Maximal fünf Prozent betrage in ihrer Firma die Leasingquote, was Minhoff auf den Wunsch nach Eigentum zurückführt: "Der Kunde ist froh, wenn er seinen eigenen Rechner mitnimmt."

Als Ausreißer präsentiert sich die Imhof IT Consulting GmbH. Geschäftsführer Roland Imhof gibt für das Echinger Unternehmen im Midrangebereich eine Leasingquote von 90 Prozent an. "Ich biete Kunden Leasing an und mache eine einfache Rechnung auf. Ich stelle Kosten, Nutzen und Nutzungsdauer gegenüber und stoße auf keinerlei Vorbehalte."

Nach drei Jahren sei ein Rechner veraltet, heißt es von Leasinggebern, die durch die Bank Verträge mit Austauschoptionen anbieten. Was bedeutet, daß der Kunde regelmäßig Hard- und Software zu einem festgelegten Prozentsatz des gesamten Vertragsvolumens upgraden darf - bei gleichbleibenden Konditionen. Natürlich bleibt der Kunde "State of the Art". Aber ob die Ausstattung nach drei Jahren tatsächlich nicht mehr tauglich ist, scheint zweifelhaft. Die IDC-Niederlassung in Kronberg schätzt, daß PCs in deutschen Unternehmen zwischen drei und fünf, in der öffentlichen Verwaltung zwischen vier und sechs Jahren im Einsatz sind.

Nach Ablauf eines Leasingvertrags partizpiert der Kunde üblicherweise nicht am Wiederverkauf, während er beim Kauf - egal ob aus eigenen Mitteln oder per Kredit finanziert - den Rechner noch veräußern kann. Bei einem drei Jahre alten PC kann der Verkauf durchaus profitabel sein, wie die Zuwachsraten im Gebrauchtsegment belegen - nach IDC-Prognose bis 2002 ein Plus von jährlich 12,5 Prozent. Zunehmend penetrieren Leasingunternehmen diesen Markt. Sie bieten auf ihren Webseiten Rechner aus abgelaufenen Verträgen an.

Alpha-Manager Ehlers hält nichts von derartigen Zusatzgeschäften:

"Als Händler würde ich mich dagegen wehren. Leasinggeber, die selbst in den Gebrauchthandel einsteigen, sind für ihre Kunden, die Händler, kontraproduktiv. Wir lassen gebrauchte PCs umweltgerecht entsorgen." Der Marktführer, die Deutsche Leasing AG in Bad Homburg, überläßt den Wiederverkauf den Spezialisten, wie Produktmanager Peter Karl beteuert: "Wir haben im Bereich Remarketing Kontakte zu Händlern im ganzen Bundesgebiet." Aber schon 486er seien nur schwer verwertbar.

In den "Marktplatz" oder "Schnäppchen" genannten Rubriken anderer Anbieter tummeln sich derweilen antiquierte PCs aus Leasingverträgen: 386/33 oder 486/66. Ein Indiz, daß in punkto Lebensdauer IDC wohl näher an der Wahrheit liegt als die Leasinganbieter. Doch auch Ehlers wirbt für Technologieleasing mit Austauschoption mit der Aussage, daß ein PC nach drei Jahren schrottreif sei.

Er vergleicht: In den USA, Frankreich oder Großbritannien sei die Leasingquote weit höher als hierzulande. "In Deutschland wollen die Händler nicht vermitteln, daß nicht Eigentum, sondern Nutzwert zählt. Und offenbar wollen sie kein Geld verdienen."

Geld mit Leasing wollen in erster Linie die Finanzierungs-dienstleister verdienen - und die IT-Hersteller. Und insofern scheinen Ehlers' Vorhaltungen an die ach so träge Branche nicht berechtigt. Der Handel hegt Skepsis, die jedoch auch aus Unkenntnis über die Möglichkeiten und Perspektiven resultiert.

Variables Instrument zur Absatzförderung

"Wir stellen immer wieder fest, wie wenig Know-how vorhanden ist. Von Technologie- oder Serviceleasing haben viele Händler noch nie etwas gehört", berichtet Andreas Borck. Er ist Vertriebsleiter bei der Paderborner ITP Finanzservice GmbH, einem Unternehmen, das von Siemens Nixdorf zusammen mit Partnern gegründet wurde. Borck will die ITP-Partner nicht als Mittel zum Zweck verstanden wissen: "Der Händler soll nicht für uns Leasing verkaufen, sondern Leasing als variables Instrument für seine Absatzförderung nutzen." ITP bietet regelmäßig Schulungen an. Denn, so Borck: "Je kompetenter der Händler, desto stärker ist seine Position."

Hier liegt eine Bringschuld der Finanzierungsdienstleister. Es ist an ihnen, den EDV-Fachhandel zu informieren. Denn Leasing kann sich durchaus als interessante Alternative zum Kauf anbieten. Auch für den Händler. Freilich läßt sich darüber streiten, ob ein Rechner nach zwei, drei Jahren tatsächlich zum alten Eisen gehört und Hardwareleasing angesichts des Preisverfalls überhaupt Sinn ergibt. Doch Argumente wie Kundenbindung durch Serviceleasing oder Anschlußaufträge durch Technologieleasing sind nicht von der Hand zu weisen. (rk)

Wenn der neue Rechner nicht zuviel Bares verschlingen soll, stellt Leasing eine mögliche Alternative dar.

Alpha-Leasing-Manager Ehlers sieht vor allem im Technologieleasing neue Chancen für den EDV-Handel.

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