Lerne deine Kunden kennen - übers Web

20.04.2000
Wer mehr über seine Kundschaft erfahren will, kann mit Hilfe kostengünstiger Tools Umfrageformulare in seine Website einbauen.

Wer kennt das nicht: Kaum sitzt man in der Badewanne, läutet das Telefon. Schließlich siegt die Neugier, man steht patschnass im Flur und erbarmt sich des schellenden Quälgeistes - nur um herauszufinden, dass der Störenfried ein Unbekannter ist, der im Namen irgendeiner Firma eine Telefonumfrage zu einem beliebigen Thema durchführt. Weitaus menschenfreundlicher (für das Umfrageopfer) und erst noch viel billiger (für das wissbegierige Unternehmen) sind da Umfragen im Internet.

Bis vor kurzem waren Kundeninterviews eine eher kostenintensive Angelegenheit. Wegen der anfallenden Telefonkosten, Portogebühren, Druckkosten und der Löhne der Interviewer stillten meist nur große Unternehmen ihren Wissensdurst. Das Internet vermag aber auch diesen Aspekt des Geschäftslebens zu verändern. Immer mehr Werkzeuge bieten sich an, mit denen sich relativ schnell und bequem Umfragebogen erstellen und die eingehenden Antworten auswerten lassen. Abgesehen davon, dass Web-basierte Umfragen weniger Geld verschlingen, weil sie gratis übers Web zu ihren Zielpersonen finden, legen sie die Antworten auch automatisch ab, was wiederum die Kosten für die Person einsparen hilft, die die ausgefüllten Bögen abtippen muss. So können es sich auch KMU leisten, Informationen über ihre Kundschaft oder ihre Angestellten zu sammeln.

Dienstleister vor

Es gibt zwei Kategorien von Applikationen für Web-basierte Untersuchungen: Zum einen buhlen Survey-Dienste wie Zoomerang und Websurveyor, die die Daten auf ihrem Server sammeln, lagern und auch auswerten, um die Gunst der Anwender. Zum anderen bieten Software-Schmieden wie Saja Software ("Survey Select") und Principia Web ("Survey") Umfragewerkzeuge, die die Informationen lokal auf dem Webserver des Unternehmens verwalten.

Gehostete Dienste haben den Vorteil, dass sie für den Anwender einfacher zu bedienen sind. Dafür bieten sie auch nicht die Flexibilität, die beim Bau eines ausgefeilteren Umfrageformulars wünschenswert wäre. So muss bei Zoomerang, wo man nach zwei Monaten bereits 100.000 Abonnenten verzeichnen kann, zwar keinerlei Software installiert, ja nicht einmal ein Applet heruntergeladen werden. Dafür können mit dem kostenlosen Dienst weder Mehrfachantworten derselben Person ausgeschlossen werden noch kann die Beantwortung gewisser Fragen verlangt werden.

Bei Websurveyor muss den Betreibern 199 Dollar pro durchgeführte Umfrage bezahlt werden. Das Angebot umfasst während drei Monaten 1 MB Platz auf der Festplatte des Servers. Interviews lassen sich einfach aufsetzen, wobei die Fragetypen ziemlich limitiert und die Analysemöglichkeiten beschränkt sind. Jedoch können die gesammelten Daten exportiert und mit irgendeinem Analysewerkzeug evaluiert werden.

Unter den klassischen Umfrageapplikationen sticht insbesondere "Survey Solutions for the Web 2.0" von Perseus Development hervor. Die Software ist mit 179 Dollar erschwinglich und bietet eine gute Mischung aus leichter Handhabe und fortgeschritteneren Funktionen. Beim Erstellen der Umfrage geht einem der "Question Wizard" zur Hand. In der Fragebibliothek sind rund 200 Fragen enthalten, die sich den eigenen Anforderungen anpassen lassen. Radioknöpfe, Checkboxen und Dropdown-Listen können per Mausklick ins Formular eingeführt werden.

Bevor die Umfrage ins Web gestellt oder als E-Mail versandt wird, kann noch eine Vorschau durchgeführt werden: Eventuelle Fehler lassen sich so entdecken und eliminieren. Schließlich erstellt die Software über den "Live"-Knopf Tabellen der Umfrageergebnisse, während die ausgefüllten Bögen eintrudeln. Einziger Minuspunkt: Um sichere Web-Umfragen durchführen zu können, muss ein zusätzliches Software-Paket erworben werden, das Perseus für diesen Monat verspricht.

Mit 400 bis 500 Dollar kommen "Remark Web Survey 1.0" (Principia), "Marketsight 2.5" (Decision Architects) und "EZ Survey 99 for the Internet" (Raosoft) rund doppelt so teuer. Der Mehrpreis zahlt sich aber kaum aus. Immerhin bietet Marketsight die zusätzliche Integration von telefonischen und persönlichen Interviews. Principias Lösung lässt sich dafür an die hauseigene Software "Remark Office OMR" (Optical Mark Recognition) anbinden, mit der von Hand ausgefüllte Fragebögen ausgewertet werden können. So lassen sich auch mit Remark Web Survey 1.0 Interviewformen mischen.

EZ Survey 99 for the Internet wiederum glänzt, wenn nicht durch die hübscheste Benutzerschnittstelle, so durch ausgefeiltere Möglichkeiten, eingegebene Werte und Antworten auf ihre Gültigkeit zu kontrollieren. Fragen lassen sich zudem als obligatorisch deklarieren, nummerische Angaben können nach oben und unten und schriftliche Einträge in ihrer Länge begrenzt werden. Die Konfigurationsanpassungen, die man am Webserver vornehmen muss, wenn eine Umfrage aufgeschaltet werden soll, gestalten sich allerdings nicht einfach und verlangen ein gewisses Maß an technischem Know-how.

Mit einem Preis von 1.090 Dollar bewegt sich "Survey Select 2.1" von Saja Software im oberen Preissegment. Ursprünglich eine Applikation für die Erstellung von Umfragen auf Disketten, Papier oder als E-Mail wurde die Software erst mit einem Addon Web-fähig gemacht. Trotz des hohen Preises ist Survey Select mit seinen ungewohnt gestylten Buttons und den vielen Fenstern, durch die man sich hindurchklicken muss, um alle nötigen Elemente zusammenzukriegen, ein gewöhnungsbedürftiges Tool. Wer dezidiert ein Werkzeug zur Erstellung von Webumfragen sucht, sollte Survey Se-lect eher meiden, da insbesondere für diesen Bereich wichtige Details in der sonst ausführlichen Dokumentation fehlen.

Damit Surfer sich auch wirklich die Zeit nehmen, die Formulare auszufüllen, lohnt es sich, vor dem Aufsetzen einer Web-Umfrage folgende Schritte zu befolgen:

" Zuerst muss man sich darüber im Klaren sein, wozu die Informationen gesammelt werden und welche Entscheidungen anhand der Umfrageergebnisse getroffen werden sollen. Das Ziel sollte in ein bis zwei Sätzen formuliert werden können.

" Wer soll an der Umfrage teilnehmen? Jeder Besucher der Website oder nur ausgewählte Personen mit einem bestimmten Profil? Eine sinnvolle Anzahl sind hundert Interviewpartner pro Interessengebiet. Eine breite Streuung verhindert verfälschte Ergebnisse. Zudem gilt zu beachten, dass reine Online-Umfragen nur etwas über jene Personen aussagen, die an der Umfrage teilgenommen haben. Ob die Befragten zur Zielgruppe der Firma gehören oder nur per Zufall auf der Site gelandet sind, bleibt offen.

" Wenn diese Fragen geklärt sind, kann eine Liste der potentiellen Teilnehmer erstellt werden.

" Nun gilt es, einen optimalen Fragebogen zu erstellen.

" Die Umfrage sollte im Pilottest erprobt werden, bevor sie im Web aufgeschaltet wird. So können potentielle Missverständnisse bei den Fragen entdeckt werden, bevor sie das Umfrageergebnis verfälschen.

" Die Befragung kann nun ausgeführt werden. Falls per E-Mail um Teilnahme gebeten wird, sollte die Aufforderung aber nicht Ende der Woche versandt werden. Die Rücklaufquote wird dann erfahrungsgemäß höher sein. Normalerweise wird der größte Teil des Rücklaufs während der ersten vier Tage erwartet. Dabei kommen rund 50 Prozent der Antworten innerhalb des ersten Tages an.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 10/2000 der Wochenzeitung "Computerworld".

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