Lesehilfe für Sehbehinderte

20.04.2006
Auf Basis des Buch-Scanners "Optic Book 3600" hat Plustek eine Lösung für Blinde und Sehbehinderte entwickelt. Der "Book Reader BAT" liest Texte mit hoher Genauigkeit vor. ComputerPartner hat das Produkt getestet.

Von Klaus Hauptfleisch

Von Hörbüchern abgesehen haben es Blinde und Sehbehinderte meist schwer, an geeignete Literatur - ob in Braille-Schrift oder in Großdruckform - heranzukommen. Eine günstige Lesehilfe für Blinde und Sehbehinderte stellt der "Book Reader BAT" von Plustek dar. Es handelt sich dabei um eine durch die Sprachausgabesoftware "Book Voice 2.0" erweiterte spezielle Version des Buchscanners "Optic Book 3600". Die maximale Auflösung des Scanners liegt laut Herstellerangaben bei 1.200 dpi, die Farbtiefe bei 48 Bit und die Scan-Geschwindigkeit im Graustufenmodus bei acht Sekunden pro A4-Seite. Dank eines sehr dünnen Rahmens und einer Speziallampe mit gebogenen Enden leuchtet und liest der Scanner auch Buchfalze aus. Mit herkömmlichen Scannern verschwindet die Falzkante meist in einem dicken Schatten, was das Einlesen von Buchseiten praktisch unmöglich macht.

Die Dokumentation des Scanners in der Testversion lässt leider zu wünschen übrig, doch die Installation des Book Reader BAT ist denkbar einfach. Wichtig ist nur, vorher den Scanner zu entriegeln, USB-Kabel und Netzteil anzuschließen. Nach Einlegen der Installations-CD ertönt eine Frauenstimme, die die einzelnen Installationsschritte ankündigt. Das Setup wird automatisch mit einem Neustart abgeschlossen. Eine in Plastikfolie eingeschweißte Kurzbedienungsanleitung ist bei Lieferung bereits in den Scanner eingelegt. Nach Drücken einer der großen Tasten auf dem Scanner öffnet sich erst die OCR-Software "Abby Finereader 6.0 Sprint" und dann das Leseprogramm Book Voice, das die Bedienungsanleitung, sofern eingelegt, vorliest.

Normalerweise dienen die schwarze, die graue und die blaue große Taste am Optic Book 3600 dazu, zwischen Schwarzweiß-, Graustufen- und Farb-Scans auszuwählen. Beim Book Reader BAT werden sie zu "Braille-Tasten". Hat man die schwarze Taste gedrückt, erscheint die Datei rein als Text. Sehbehinderte können sich den Text durch Drücken der Tasten F5 und F12 größer anzeigen lassen. Durch Drücken der Taste F8 wird eine mit dem Mauszeiger verbundene Lupe aktiviert. Die Geschwindigkeit der Sprachausgabe kann man über die Tasten F9 und F10 regeln. Nach Drücken der grauen großen Taste auf dem Scanner wird die Seite in Graustufen dargestellt und als PDF mit Grafiken gespeichert; nach Drücken der blauen Taste lassen sich mehrere Buchseiten in Folge einscannen und als PDF ohne Grafiken speichern. Für die automatische Nummerierung stehen acht Stellen zur Verfügung. Um Speicherplatz zu sparen, sollte man nicht benötigte Texte dennoch hin und wieder löschen.

Der Sprachwiedergabe ist erstaunlich natürlich und flüssig. Nur mit einigen Wörtern und Satzkonstruktionen hat das Programm Probleme. So begrüßt es den User zum Beispiel mit dem Satz: "Starte dein Book wo is" statt "Starte dein Bookvoice", und "Drücken Sie die Taste 1" wird vorgelesen als "Drücken Sie die Taste erstens." Aber darüber kann man hinwegsehen. Auch mit Texten aus Buchseiten in kleiner Schriftgröße hat das Programm in Verbindung mit dem Optic Book 3600 keine Probleme. Dank einer automatischen Lesezeichenfunktion startet das Vorlesen bei dem Absatz, bei dem der betreffende Nutzer das letzte Mal aufgehört hat. Eingescannte Texte lassen sich nicht nur als Text- oder PDF-Dateien speichern, sondern auch in den Sprachausgabeformaten WAV und MP3.

Störend ist allerdings, dass die Sprachausgabesoftware nach Beenden des Programms auch mit Drücken der Escape-Taste nicht ausgeschaltet werden kann, beim Öffnen von Internetseiten oder in Word weiterläuft und die betreffenden Textstellen dann nur sehr abgehackt und bruchstückhaft wiedergibt. Und Systemressourcen frisst das Programm natürlich auch - so viele, dass es eine halbe Ewigkeit dauert, bis sich der Lautsprecher auf der Menüleiste am Desktop schließen lässt. Bei einem 2,8-GHz-Prozessor dürfte das eigentlich nicht sein.

Der Informations-Pool Computerhilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte (Incobs) kritisiert, dass keine Menüpunkte wie etwa Datei, Bearbeiten oder Ansicht vorgelesen werden, was es für Blinde schwierig mache, das Programm zu bedienen. Der Screenreader, wie ihn viele Blinde und Sehbehinderte haben, muss beim Benutzen des Programms deaktiviert sein. Auch die Bedienung über die Tastatur erweise sich als nicht ganz einfach. Mit Tabellen tut sich das Programm ebenfalls schwer.

Der 18-jährige Christian Grönke, selbst blind (siehe Bild links), hat den Book Reader BAT für Pustek getestet und kam damit insgesamt sehr gut zurecht: "Das Vorlesen von Texten ist angenehm zu hören, und die zusätzlichen Funktionen finde ich sehr schön konzipiert. Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Produkt", lobte er.

Der Preis für das System inklusive Scanner und Software liegt bei 699 Euro. Das ist weit weniger, als viele andere Lesesprechgeräte kosten. Zu den führenden Anbietern von Lesesprechgeräten gehören Plustek-Partner B&M Ingenieurbüro GmbH, Hedo Reha Technik, Deiniger, Novotech und Flusoft.

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