Leserbrief

07.09.1998

Zu dem Artikel "Adobe steigt in den Retail-Channel ein" in ComputerPartner Nr. 13/98, S. 62, erreichte uns folgende Zusendung:

Mit Interesse las ich Ihren Artikel in der neuesten ComputerPartner über Adobe.

Als Spezialdistributor für Digital-Imaging-Produkte verkaufte unser Unternehmen bis vor kurzem eine große Zahl von Scannern in Verbindung mit Adobes PhotoShop-Vollversion an unsere Fachhandelspartner. Deswegen stößt uns der Satz "Im Rahmen des PhotoShop-5.0-Release unterstützt Adobe den Fachhandel bei der "Legalisierung" von OEM-Produkten ..." sehr sauer auf.

Sind etwa die zahllosen Anwender, die PhotoShop in Verbindung mit einem Scanner preisgünstig erworben haben, illegale Anwender? Ist es dabei wichtig, ob der Käufer ein Privatanwender oder ein großes Unternehmen war? Mit dieser Einschätzung hat sich Adobe wieder einmal ein böses Foul sowohl an dem betroffenen Endnutzer wie auch am Fachhandelskanal erlaubt. Ob die Strategie, den Verkauf der OEM-Version zu stoppen, Adobe am Ende zum Erfolg, nämlich zum Verkauf von wesentlich mehr 2.000 Mark teuren Vollversionen gereichen wird, darf bezweifelt werden.

Nach mir zu Ohren gekommenen Schätzungen machte Adobe mit Bundle-Versionen jährlich weltweit einen Umsatz von 60 Millionen US-Dollar. Vielen Anwendern, die bisher das preisgünstige Bundle in Verbindung mit einem Scanner erworben haben, wird die Investition von 2.000 Mark für eine PhotoShop-Vollversion, trotz der unbestritten überragenden Funktionen, einfach zu teuer sein. Sie werden auf preiswertere Produkte der Konkurrenz ausweichen. Ich persönlich bin deswegen fest davon überzeugt, daß Adobe spätestens Anfang nächsten Jahres, wenn das Gros der Anwender auf Version 5.0 upgedatet hat, reumütig zur bisherigen (Bundle-) Strategie zurückkehren wird.

Ein weiteres Beispiel, wie "partnerschaftlich" Adobe gegenüber dem

Fachhandel auftritt, ist der Verkauf des Updates von Adobe PhotoShop Limited Edition auf die Vollversion. Dieses Update kann der Anwender ausschließlich über den Adobe-Shop in Irland bestellen. Der Fachhändler wie der Distributor werden ganz einfach ausgeschlossen. Da PhotoShop LE nach wie vor gebundelt angeboten wird, wäre zumindest dieses Update eine Chance gewesen, PhotoShop auch einer Zielgruppe zu öffnen, die nicht bereit ist, die Vollversion zu kaufen: Der Kunde erwirbt einen Scanner mit PhotoShop LE und kann dann für 910 Mark auf die Vollversion updaten. Durch den direkten Kauf bei Adobe hat der Kunde zwar diese Möglichkeit, doch durch den Ausschluß der Vertriebskanäle von diesem Geschäft wird sich die Verbreitung in Grenzen halten.

Mit dieser arroganten Verhaltensweise macht sich Adobe gewiß keine Freunde bei Distributoren und Fachhändlern. Der Wunsch, daß andere Firmen (vielleicht Ulead) endlich ein konkurrenzfähiges Produkt zu PhotoShop auf den Markt bringen, wächst.

Der Verfasser des Briefes ist der Redaktion bekannt, möchte aber aufgrund geschäftlicher Verbindungen mit Adobe nicht genannt werden.

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